Medical Tribune
12. Aug. 2022ECR 2022

Kopfschmerz – Was bringt die Bildgebung?

Patienten mit Kopfschmerzen drängen den Arzt oft zu einem MRI oder CT, um deren Ursache auf den Grund zu kommen. Eine Bildgebung ist aber nicht immer sinnvoll, zeigt ein Blick in die vorhandenen Studien und ein Vortrag am Jahreskongress der Europäischen Radiologengesellschaft.

Kopfweh ist eines der am häufigsten erlebten Symptome. «Fast jeder hat im Laufe seines Lebens einmal eine Kopfwehattacke. Die Gründe dahinter sind vielfältig und reichen von vollkommen gutartig bis lebensbedrohend», fasst Dr. Jasmina Boban, PhD, Radiologin an der Universität Novi Sad, Serbien, zusammen.

Fast jeder hat einmal im Leben eine Kopfwehepisode

Die weltweite Lebenszeitprävalenz für Kopfschmerzen beträgt 66 Prozent, 14 Prozent leiden irgendwann an Migräne, vier Prozent an chronischen Kopfschmerzen. Am häufigsten sind aber Spannungskopfschmerzen mit einer Lebenszeitprävalenz von 46 Prozent.

Kopfschmerzen können das Leben stark beeinträchtigen. Eine Studie, die 1.000 Migräniker zu ihrer Lebensqualität befragte, ergab, dass ihre Kopfschmerzen sie vor allem in den drei wichtigsten Lebensbereichen einschränkten, nämlich im Familienleben, bei der Freizeit und bei der Arbeit.

Kein Wunder also, dass manche Patienten oft versuchen, Druck auf ihren Arzt auszuüben, damit dieser sie einer Bildgebung unterzieht. «Nicht zuletzt erhoffen sie sich ja, dass ein MRI oder CT ihr Problem lösen kann. Das ist aber aber leider nicht immer der Fall, und eine Bildgebung sollte daher auch nicht immer gemacht werden.» (siehe unten)

Was wir von der Bildgebung über Kopfschmerzen gelernt haben

Die Frage nach der Bildgebung stellt sich vor allem bei Patienten mit primärem Kopfschmerzen. Diesen liegt,ein unabhängiger Pathomechanismus zugrunde (und sie sind nicht sekundär durch andere zugrundeliegende Erkrankungen bedingt). Die häufigsten Kopfschmerzerkrankungen dieser Klasse sind die Migräne, Spannungskopfschmerzen sowie Clusterkopfschmerzen.

Migräne

Bei der Migräne handelt es sich um mittelschwere bis schwere – meist rezidivierende – Kopfschmerzen, die sich meist durch einen pulsierenden, einseitigen Schmerz äussern. Sie tritt vor allem im Lebensalter zwischen 35 und 45 Jahren auf – Frauen sind rund doppelt so häufig betroffen wie Männer.

Die meisten hatten normale Befunde

Vor allem in den 1990er Jahren befasste sich die Wissenschaft mit der Frage, was CTs über eine Migräne aussagen können. «Wie viele und welche Abnormalitäten in den Untersuchungen gefunden wurden, ging aber stark auseinander. Das hing etwa von der Selektion und den Symptomen der untersuchten Patienten ab» fasst Dr. Boban zusammen. Zusammenfassend lässt sich aber sagen, dass rund 90 Prozent der Migräniker, die mittels CT untersucht wurden, normale Befunde hatten. Die grösste Studie untersuchte mehr als 1000 Probanden – zehn Prozent davon hatten abnormale CTs. Bei dem Grossteil der Befunde handelte es sich um akute Infarkte, bei den anderen Abnormalitäten etwa um Neoplasien und Blutungen.

MRI-Untersuchungen bei Migräne stammen vor allem aus den 2010er-Jahren getestet. Hier gibt es mehrere grosse Populationsstudien. Eine (2) zeigte, dass Patienten mit Kopfweh etwas häufiger intrakranielle Auffälligkeiten aufwiesen (29 versus 22 Prozent bei Gesunden). Schloss man jedoch die Hyperintensitäten der weissen Substanz (white matter hyperintensities, WMHs, siehe Kasten) aus, verschwand der Unterschied. Migräniker haben also zwar häufiger WMHs, andere Abnormalitäten traten im Neuroimaging aber nicht häufiger auf.

Hyperintensitäten der weissen Substanz (white matter hyperintensities, WMH)

WMHs sind im MRI sichtbare Läsionen erhöhter Helligkeit, die häufig mit Migräne in Verbindung gebracht werden. Lange gingen die Meinungen darüber auseinander, ob WMHs bei Migränikern tatsächlich vermehrt auftreten; einige neuere Studien bestätigen das erhöhte WHM-Auftreten bei Migräne im Zusammenhang mit bestimmten Lokalisationen (Kleinhirn, Hirnstamm) und bestimmten Migränetypen (etwa bei Frauen, bei erhöhter Anfallshäufigkeit) (3,4)

Das erhöhte Auftreten von WMHs bei Migränikern hat mit der Pathophysiologie des Schmerzes zu tun. Die Migräne entsteht laut aktuellen Erkenntnissen dadurch, dass bei Betroffenen eine erhöhte Entzündungsneigung und zerebrale Vulnerabilität, sowie zerebrale Übererregbarkeit bestehen dürfte. Dazu kommt vermutlich eine Überempfindlichkeit für Gerinnsel mit Problemen der zerebralen Perfusionsdynamik. «Das führt zu einer Streudepolarisierung (dem elektrophysiologischen Phänomen hinter der Migräne), und erhöht die zerebrale Vulnerabilität für eine Gliose und WMHs», fasst Dr. Boban zusammen. Bei Menschen mit höherer WMH-Dichte liessen sich in jüngeren Studien ein erhöhter zentraler Blutdruck, Aortasteifigkeit und geringere Resistenz in intrakraniellen Arterien beobachten.

Spannungskopfschmerzen

«Spannungskopfschmerzen verursachen leichte bis moderate Schmerzen, die sich anfühlen, als wäre ein enges Band um den Kopf gelegt. Üblicherweise treten sie ohne Übelkeit, Geräusch- oder Lichtempfindlichkeit auf», so die Referentin. Bei Spannungskopfschmerzen suchen die meisten Menschen keine medizinische Hilfe – eine Bildgebung ist «kein Thema», so Dr. Boban. «Eine Bildgebung sollte maximal einmal bei jedem Patienten durchgeführt werden um eine zusätzliche Pathologie auszuschliessen.»

Clusterkopfschmerzen

Die Clusterkopfschmerzen gehören zur Gruppe der trigemino-autonomen Kopfschmerzerkrankungen (TAK). Bei diesen handelt sich um halbseitige krampfartige Kopfschmerzen oder kurze, einseitige neuralgiforme Kopfschmerzen. Typischerweise ist die Region um das Auge betroffen. Zusätzlich kann es auch zu autonomen Symptomen kommen wie Augentränen, eine verstopfte Nase und Schwellungen um das Auge herum.

Unter anderem vom Neuroimaging hat man sehr viel über den Mechanismus hinter den Clusterkopfschmerzen gelernt. So weiss man nun, dass dahinter die reflexartige Aktivierung des parasympathischen Ausganges steckt, die auch zu einer Vasodilatation, und damit den autonomen Symptomen (Lakrimation, Schnupfen und konjunktivale Injektion) führt. Die zentrale Rolle spielt dabei der Hypothalamus.

Für die Diagnose, so Dr. Boban, ist die Bildgebung beim Clusterkopfschmerz aber wertlos, und sollte grundsätzlich nicht bei jedem Patienten durchgeführt werden.

Wann ist die Bildgebung angezeigt?

Ob ein Imaging gemacht werden sollte oder nicht, hängt stark von der Art der Kopfschmerzen ab. Hierbei muss man zuerst unterscheiden, ob es sich um einen akuten Kopfschmerzanfall oder um eine nicht akute Situation handelt. 

Nicht akute Kopfschmerzen

Nicht akute Kopfschmerzen, so Dr. Boban, brauchen keine Bildgebung, wenn es sich dabei um eine typische klinische Präsentation der primären Kopfschmerzarten (normale körperliche Symptome und neurologische Befunde) handelt.

Eine Abklärung durch eine Bildgebung empfahl die Referentin bei folgenden Parametern:

  • Erste oder schlimmste Attacke
  • Unübliche, verlängerte oder persistierende Aura
  • Hirnstamm-Aura (z.B. Drehschwindel, Tinnitus, Sehstörungen wie Doppelbilder, Bewusstseinsstörungen, kurzfristiger Totalausfall des Gleichgewichts, fehlendes Gefühl in Armen und Beinen, Sprachlähmung, oder das seltsame Gefühl, kleine Körperteile wie Nase oder Ohren seien plötzlich gewachsen)
  • Verschlimmerung der Frequenz, Schwere oder klinischen Präsentation
  • Unübliche Kopfschmerzarten (konfusionell, hemiplegisch, «side-locked» (streng einseitig, wechselt nie die Seite), posttraumatisch

Akute Kopfschmerzen

Akute Kopfschmerzen brauchen keine Bildgebung, wenn es sich dabei um eine typische klinische Präsentation der primären Kopfschmerzarten (normale körperliche Symptome und neurologische Befunde) handelt, der auf eine empirische Behandlung anspricht.

Durch ein MRI abgeklärt sollte der akute Kopfschmerz aber werden bei folgenden Parametern:

  • Plötzlicher Beginn
  • Schlimmste bisherige Episode
  • Papillenödem
  • Anzeichen einer systemischen Erkrankung (Fieber, Ausschlag, Nackensteifigkeit)
  • Neu aufgetretener Kopfschmerz bei älteren, HIV-positiven oder Krebspatienten
Referenzen
  1. Imaging of headache. European Congress of Radiology (ECR), 13.-17. Juli 2022, Wien und digital
  2. Honningsvåg LM et al. Intracranial abnormalities and headache: A population-based imaging study (HUNT MRI). Cephalalgia. 2016 Feb;36(2):113–121. doi: 10.1177/0333102415583147.
  3. Kruit MC et al. Migraine as a risk factor for subclinical brain lesions. JAMA. 2004 Jan 28; 291(4):427–34. doi: 10.1001/jama.291.4.427.
  4. Kruit MC et al. Brain stem and cerebellar hyperintense lesions in migraine. Stroke. 2006 Apr;37(4):1109-12. doi: 10.1161/01.STR.0000206446.26702.e9.