Medical Tribune
2. Nov. 2021Die spontan bakterielle Peritonitis als gefürchtete Komplikation

Infektionen bei Patienten mit Leberzirrhose

Richmond – Infektionen sind eine häufige Todesursache bei Leberzirrhose. Um schwere Verläufe zu verhindern, werden sie grosszügig mit Antibiotika behandelt. Bei bestimmten Risikopatienten ist sogar die dauerhafte antibiotische Prophylaxe angebracht.

Realistische Darstellung der Leberzirrhose isoliert auf weiß
iStock/eranicle

Patienten mit Leberzirrhose haben ein deutlich erhöhtes Risiko für Infektionen, häufig mit schweren Verläufen bis hin zu extrahepatischem Organversagen und Sepsis. Eine gefährliche Komplikation ist eine spontan bakterielle Peritonitis. Ursache für das deutlich erhöhte Infektionsrisiko der Leberkranken ist neben dem dysfunktionalen Immunsystem der verminderte Gallenfluss und die veränderte Darmmikrobiota. Hinzu kommen als äussere Einflüsse der Einsatz von Protonenpumpeninhibitoren und wiederholte Antibiosen, ein geschwächter Allgemeinzustand und häufige Spitalaufenthalte mit invasiven Massnahmen, erläutern Dr. Jasmohan Bajaj von der Virginia Commonwealth University in Richmond und Kollegen in einem Übersichtsartikel.

CRP und Procalcitonin helfen nicht weiter

Von besonderer Bedeutung ist eine erhöhte Durchlässigkeit der intestinalen Barriere. Pathogene Enterobakterien wie Escherichia coli oder Klebsiellen sowie Streptokokken durchwandern in der Folge die Darmwand und lösen die spontan bakterielle Peritonitis, die häufigste Infektion beim Patienten mit Leberzirrhose, aus. Neben Clostridioides-difficile-Infektionen kommt auch Mykosen eine entscheidende Rolle zu.

Grundsätzlich sollte jede Verschlechterung des Zustands eines Leberzirrhotikers mit Aszites an eine Infektion denken lassen, insbesondere neu auftretendes Nierenversagen, Leukozytose oder mentale Auffälligkeiten. Pyrexie als verlässliches Krankheitszeichen scheidet aus, denn aufgrund ihres schwachen Immunsystems können die meisten Kranken mit dekompensierter Zirrhose kein Fieber entwickeln. CRP und Procalcitonin sind bei Leberzirrhose ohnehin erhöht und helfen diagnostisch nicht weiter.

Primär- und Sekundärprophylaxe bei Hochrisikopatienten für spontan bakterielle Peritonitis
Risikofaktor
Antibiotikum
Dosierung und Dauer
Anmerkungen
gastrointestinale Blutungen
Ceftriaxon
1 g/d i.v. über sieben Tage
Norfloxacin
400 mg/d p.o.
«fortgeschritten» bedeutet:
Child-Pugh-Score ≥ 9, Serum-Bilirubin ≥ 3 mg/dl (≥ 51µmol/l) und verminderter Proteingehalt im Aszites < 1,5 g/dl
plus Niereninsuffizienz (Serum-Kreatinin ≥ 1,2 mg/dl bzw. ≥ 106 µmol/l oder Blut-Harnstoff-Stickstoff ≥ 25 mg/dl bzw. ≥ 8,9 mmol/l) oder Hyponatriämie (Na+ ≤ 130 mmol/l)
Fortsetzung der Prophylaxe bis zur Transplantation oder bis zum Tod
Ciprofloxacin
500 mg/d p.o.
fortgeschrittene Zirrhose
Trimethoprim-Sulfamethoxazol (Cotrimoxazol)
160/800 mg/d p.o.
frühere spontan bakterielle Peritonitis
wie bei fortgeschrittener Zirrhose
Fortsetzung der Prophylaxe bis zur Transplantation, Rückbildung des Aszites oder bis zum Tod

Die spontan bakterielle Peritonitis kann asymptomatisch verlaufen, Diarrhö oder Ileus sowie abdominelle Schmerzen finden sich nicht zwangsläufig. Möglicherweise tritt jedoch eine hepatische Enzephalopathie auf. Die Diagnose wird durch Aszitespunktion mit Nachweis einer Zahl von neutrophilen Granulozyten über 250/µl gestellt. Eine Bakterienkultur (aerob, anaerob) gelingt häufig erst, wenn das Punktat direkt am Patientenbett in die Nährlösungen gebracht wird, erläutern die Kollegen.

Mit Mikroben-Power gegen die Infektion

Eine Reihe neuartiger Therapieansätze wird derzeit bei Leberzirrhose-Patienten geprüft:

  • Pro- und Präbiotika (einschliesslich Lactulose) sollen die Darmmikrobiota in Ordnung bringen, zeigen bisher aber keine durchschlagenden Erfolge.
  • Stuhltransplantationen könnten vor allem bei Infektionen durch multiresistente Erreger helfen. Die Spender müssen sorgfältig ausgewählt werden, damit nicht neue Pathogene übertragen werden.
  • Bei der Phagentherapie beseitigen Bakteriophagen resistente Keime, wobei sie auch Biofilme durchdringen. Unbeantwortet sind Fragen zur fehlenden Spezifität dieser experimentellen Therapien und zur möglichen Resistenzbildung.

Bei klinischem Verdacht sofort Antibiotika geben

Da Protonenpumpeninhibitoren das Risiko für die Zirrhose-bedingten Bauchfellentzündungen und für Infektionen mit Clostridioides difficile erhöhen, sollten diese Medikamente nach Möglichkeit abgesetzt werden. Die intravenöse Gabe von 1,5 g/kgKG Albumin zu Beginn der Behandlung gefolgt von 1 g/kgKG am Tag drei verhindert die prognostisch ungünstigen Nierenfunktionsstörungen und bessert die Überlebenschancen der Patienten.

Bei klinischem Verdacht auf eine Infektion und dem Nachweis einer erhöhten Granulozytenzahl im Aszites startet die Antibiose sofort und ohne die Ergebnisse aus der Kultur abzuwarten. Zum Einsatz kommen:

  • Cephalosporine der dritten Generation i.v. (Cefotaxim, Ceftriaxon), Ciprofloxacin i.v. oder Ofloxacin p.o. bei ambulant erworbener Infektion
  • Piperacillin plus Tazobactam bei ambulant erworbenen Infekten und möglichen Resistenzen
  • Piperacillin plus Tazobactam bei nosokomialen Infektionen und geringer Wahrscheinlichkeit für resistente Keime
  • Meropenem, eventuell plus Glykopeptid-Antibiotikum, bei nosokomialen Infektionen und hoher Wahrscheinlichkeit für Resistenzen

Um Infektionen möglichst von vornherein zu verhindern, sollten Leberzirrhotiker mit besonders hohem Risiko eine antibiotische Primärprohylaxe erhalten. In erster Linie sind das Patienten mit akuten gastrointestinalen Blutungen und solche im fortgeschrittenen Krankheitsstadium. Bei stattgehabter spontan bakterieller Peritonitis ist eine antibiotische Dauertherapie indiziert (s. Tabelle).

Zusätzlich sollte man den Immunstatus der Patienten in den Blick nehmen und beizeiten für den erforderlichen Impfschutz sorgen, erinnern Dr. Bajaj und Kollegen. Hinsichtlich der Immunisierung gegen Hepatitis A und Hepatitis B ist zu beachten, dass der Impferfolg mit zunehmender Dekompensation der Leber abnimmt. Die Vakzinen sollten also bereits im frühen Krankheitsstadium verabreicht werden.

Bajaj JS et al. N Engl J Med 2021; 384: 2317–2330.