Bislang keine Gründe zur Änderung der empfohlenen Vitamin-D-Tagesdosen
Die Vitamin-D-Supplementation schützt in jedem Fall die Knochen, wirkt kardioprotektiv und beugt Infekten vor: Stimmt das? Eine Geriaterin klärt über die derzeitige Faktenlage auf.
Lange Zeit wurde Vitamin D als Allheilmittel gepriesen. Dieser Hype hat sich wieder gelegt, aber einige Erkenntnisse bleiben. Will man Aussagen über den Sinn oder Unsinn einer Vitamin-D-Substitution treffen, gilt es zunächst, verschiedene Bevölkerungsgruppen und verschiedene Ziele zu unterscheiden, so Professor Dr. Heike Bischoff-Ferrari von der Klinik für Geriatrie, Universitätsspital Zürich.
Nun denkt man bei dem Sonnenvitamin in erster Linie an die Knochen – es soll aber auch Herz und Kreislauf schützen. Aus rein biologischer Sicht scheint das nachvollziehbar, denn die Substanz beeinflusst das Renin-Angiotensin-Aldosteron-System, indem sie die Reninfreisetzung unterdrückt.
Keine signifikanten Unterschiede zum Placebo
In der VITAL-Studie wurden mehr als 25 500 Teilnehmer über gut fünf Jahre beobachtet. Die Probanden erhielten randomisiert Vitamin D (2000 IE/d) oder ein Placebo. Allerdings wies nur etwa jeder Achte einen manifesten Mangel auf und zudem war ein täglicher Vitamin-D-Konsum von bis zu 800 IE erlaubt.
Die vorläufigen Ergebnisse waren ernüchternd. Die Rate schwerer kardiovaskulärer Ereignisse (Myokardinfarkt, Schlaganfall, Herz-Kreislauf-bedingte Todesursache) zeigte sich unabhängig von der Studienmedikation. In beiden Armen starben insgesamt ähnlich viele Probanden. Möglicherweise aber verringerte die Substanz das Auftreten von Krebserkrankungen und die Krebsmortalität, v.a. in einigen Subgruppen – allerdings nicht signifikant. Weitere Ergebnisse von VITAL stehen noch aus, insbesondere über die Rolle, die ein tatsächlicher Vitamin-D-Mangel spielt.
Die Datenlage zur Knochengesundheit lässt sich dagegen etwa so zusammenfassen: Zahlreiche Studien mit genauso zahlreichen Designs ergaben, wenig überraschend, zahlreiche verschiedene Ergebnisse. Was man nach Meinung von Prof. Bischoff-Ferrari mit Sicherheit aber sagen kann, ist, dass es bei gesunden Erwachsenen ab 50 ohne Osteoporose und ohne Defizit bisher keine Beweise dafür gibt, dass die zusätzliche Vitamin-D-Gabe sinnvoll ist. Anders sieht es dagegen bei Risikogruppen aus – sowohl bezüglich eines Mangels als auch einer Osteoporose. Diese Personen sollten wie von der International Osteoporosis Foundation empfohlen, 800–1000 IE/d erhalten. Vorsichtig ist allerdings bei erhöhtem Sturzrisiko geboten: Der übliche jährliche Bolus von mehreren Hunderttausend Einheiten kann für mehr Frakturen sorgen.
Zwischen 400 und 800 Einheiten pro Tag
Um einen Vitamin-D-Mangel zu vermeiden, gelten weiterhin die Empfehlungen der internationalen Fachgesellschaften
- im ersten Lebensjahr 400 IE/d
- vom 2. bis zum 64. Lebensjahr 600 IE/d
- ab dem 65. Lebensjahr 800 IE/d (in der Schweiz schon ab dem 60. Geburtstag)
Ob der Wunderstoff Infektionen vorbeugt, wie gelegentlich beschrieben, kann nur mit einem «Es kommt drauf an» beantwortet werden, so die Expertin. Patienten mit Vitamin-D-Mangel scheinen bei einer Supplementation z.B. seltener an Infekten der oberen Atemwege zu erkranken. Bei normalen Serumspiegeln sei der Effekt aber abgeschwächt.
Bischoff-Ferrari H. Internist 2020; 61: 1196–1203.