Medical Tribune
22. März 2017Belastung für Herz und Lunge

Herz und Lunge leiden im Wasser

Bewegungsprogramme im Wasser gelten als besonders schonend. Was die Muskeln und Gelenke angeht, stimmt das. An Herz und Kreislauf stellen Schwimmen und Tauchen aber hohe Ansprüche. Selbst Gesunde können dann ein Lungenödem entwickeln.

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«Die Herzfunktion hat für jede Form von Bewegung im Wasser grös­sere Bedeutung als man je geglaubt hat», betont Professor Dr. Andreas Koch vom Institut für Experimentelle Medizin der Universität Kiel. «Die Immersion, die das Körpergewicht so angenehm verringert, übt eine ganze Reihe von Effekten aus, die vielfach unterschätzt werden».

Nicht nur Tauchen belastet das Herz

Die Verringerung der Schwerkraft beim Eintauchen ins Wasser erhöht zunächst die Vorlast des rechten Herzens, weil ca. 600–700 ml Blut aus den unteren Extremitäten in den Körperkern verschoben werden – etwa genauso viel wie beim Wechsel vom Stehen zum Liegen. Dazu kommt der Tauchreflex, der ausgelöst wird durch Abkühlung der Mund-Gesichts-Region bei Kontakt mit kälterem Wasser, wie Prof. Koch erläutert. Der Parasympathikus wird aktiviert, als Folge sinken Herz- und Atemfrequenz, die peripheren Gefässe ziehen sich zusammen.

Zu der Volumenbelastung im kleinen Kreislauf kommt also die durch die Aktivierung des Parasympathikus verlängerte Diastole mit erhöhter Ruhedehnung des Herzens. «Dazu muss man gar nicht tauchen, Schwimmen reicht», so der Experte.

Bei Leistungsschwimmern ist bekannt, dass sie im Wasser ein akutes Lungenödem bekommen können, berichtete Prof. Koch. In letzter Zeit mehren sich nun auch Berichte, dass gesundheitlich unauffällige Tauchsportler ein Lungenödem entwickelt haben.

Luftnot kommt wie aus heiterem Himmel

Meist passierte das beim Tauchen in kaltem Wasser, und es handelte sich um Menschen, die noch nicht viele Tauchgänge absolviert hatten. Im Röntgenbild präsentiert sich bei diesen Patienten ein relativ diskretes Ödem bei normal grossem Herzen.

Die Symptome treten bereits unter Wasser auf. Die Taucher bekommen aus heiterem Himmel Luftnot, ohne etwas falsch gemacht oder sich besonders angestrengt zu haben. Die Symptome zwingen zum Auftauchen, und die Menschen kommen schwer krank aus dem Wasser, zum Teil mit Hämoptysen – eine Notfallsituation. Allerdings ist die Prognose gut, die meisten erholen sich spontan nach dem Auftauchen. Furosemid und Sauerstoff können die Genesung unterstützen.

Welche Rolle spielt die Unterdruck-Atmung?

Pathophysiologisch bedeutsam ist zum einen die erhöhte Vorlast durch verstärkte Perfusion der Lunge, durch die Flüssigkeit aus den Kapillaren ins Interstitium gepresst wird. Zum anderen erhöhen Stress und Kälte die kardiale Nachlast. Prof. Koch ist überzeugt, dass auch Unterdruck-Atmung einen Beitrag dazu leistet. Ein Athlet wie Michael Phelps aus den USA atmet mehrere Liter Luft in Zehntelsekunden ein, wenn er zwischen zwei Schwimmzügen aus dem Wasser kommt. Das geht nur, indem er einen massiven Unterdruck im Brustkorb erzeugt.

Je nach Körperlage im Wasser liegt die Lungenbasis bis zu 30 cm unter der Oberfläche. Beim Einatmen muss also ein hoher Druckgradient überwunden werden – und das bei unter Wasser vollgelaufenem Kapillarbett der Lunge. Für Menschen mit Vorschäden an Lunge oder Herz-Kreislauf-System wird das schwierig. Und auch Gesunde können Probleme bekommen, wenn die Situation starke, tiefe Atemzüge erfordert.

Druckgefälle verhindert das Einatmen

Das erklärt übrigens, weshalb Winnetou und Old Shatterhand das Abtauchen im Silbersee, bei dem sie mithilfe eines meterlangen Bambusrohrs Luft holten, in der Realität niemals überlebt hätten. «Unter einer Tiefe von einem Meter können Sie nicht mehr einatmen, weil Sie ein Druckgefälle von 0,1 bar nicht überwinden können», erklärte Prof. Koch.

Besonders gefährdet für ein Taucher-Lungenödem sind möglicherweise Hochdruckkranke. In einer Fallserie litten vier von acht Betroffenen an einer arteriellen Hypertonie und in einer Studie war das Rezidivrisiko bei Hypertonikern erhöht.

Hypertoniker vor kaltem Wasser warnen?

Wahrscheinlich führt die hochdruckbedingt verminderte Compliance des Herzmuskels dazu, dass Druck-Volumen-Schwankungen nicht mehr kompensiert werden können und es zu einer passageren linksventrikulären Dekompensation kommt, meint Prof. Koch.

Hypertonie zählt bei der Beurteilung der Tauchtauglichkeit zu den relativen Kontraindikationen. Ob man Hypertonikern generell raten sollte, kaltes Wasser zu meiden, lässt Prof. Koch offen. Patienten, deren Herzleistung grenzwertig erscheint, sollten aber lieber nicht im Kalten tauchen.

Wer einmal ein Taucher-Lungenödem hatte, muss auf weitere Tauchgänge nach aktueller Lehrmeinung nicht verzichten, sofern die körperliche Untersuchung keine gravierenden Probleme ergibt. Er sollte aber nicht ohne Partner tauchen und schwere körperliche Belastung vermeiden. 

Referenz
  1. Wissenschaftlicher Kongress der Deutschen Hochdruckliga