Medical Tribune
4. Aug. 2016Diagnostik vieler Erkrankungen

Die Tücken der Labormedizin

Das Labor ist ein unverzichtbares Hilfsmittel in der Diagnostik vieler Erkrankungen. Im Rahmen des Lunchsymposiums von Synlab an der 18. Fortbildungstagung des Kollegiums für Hausarztmedizin (KHM) demonstrierten Fachleute, wie es von Ärzten optimal genutzt werden kann und welche Stolpersteine lauern.

Anhand diverser Fallbeispiele aus verschiedenen Fachgebieten zeigten die Referenten auf, welche relevanten Aspekte bei den jeweiligen labormedizinischen Abklärungen zu beachten sind. Dabei hatten die Teilnehmer die Möglichkeit, intermittierend Fragen mit mehreren Auswahlmöglichkeiten zum diagnostischen Vorgehen zu beantworten. Wir präsentieren zwei ausgewählte Fälle.

Fall 1: Bei einer 16-jährigen Patientin mit unklaren Durchfallepisoden und einer Anämie untersuchte der behandelnde Arzt den Eisenstoffwechsel. Bei einem deutlich erniedrigten Ferritin-Wert von 2 µg/l empfahlen die Fachleute vom Labor eine Zöliakie-Abklärung. Auf Nachverordnung des Arztes wurden an­schlies­send diverse serologische Parameter nachbestimmt. Die Autoantikörper gegen die Zöliakie-Marker Endomysium, t-Transglutaminase und Gliadin waren alle eindeutig positiv. Ein IgA-Mangel, der bei Zöliakie-Patienten häufig ist, lag nicht vor. «Wie würden Sie diagnostisch nun weiter vorgehen?», fragte Dr. sc. nat. Erich Koller von Synlab die Anwesenden.

Eine Mehrheit der Teilnehmer tendierte dazu, nun eine Biopsie durchzuführen. Der Referent stufte diese Massnahme im vorliegenden Fall als «nicht falsch, jedoch auch nicht optimal» ein. Er empfahl, als nächsten Schritt eine genetische Abklärung durchzuführen, und berief sich dabei auf die 2012 veröffentlichten Richtlinien der ESPGHAN (European Society for Pediatric Gastroenterology, Hepatology and Nutrition). Diese sehen vor, bei symptomatischen Patienten mit einem t-Transglutaminase-IgA-Wert von > 10 × Cut-off zunächst die Genetik (EMA-IgA und HLA-DQ2/8) zu bestimmen.

Die vorgestellte Patientin hatte einen t-Transglutaminase-IgA-Titer von 1 : 320 (Normwert < 1 : 10) und erfüllte damit dieses Kriterium. Die durchgeführte genetische Abklärung zeigte eine Veranlagung für Glutenintoleranz. Laut des Referenten verzichtete der behandelnde Arzt aufgrund der eindeutigen Serologie und Genetik bei der Patientin auf eine Biopsie und stellte die Zöliakie-Dia­gnose somit rein labormedizinisch.

Penicillin ist nicht gleich Penicillin

Fall 2: Ein 35-jähriger Patient stellte sich etwa vier bis sechs Wochen nach einem sexuellen Risikokontakt mit einem derben, schmerzlosen Ulkus am Penis sowie einer regionalen Lymphadenopathie beim Arzt vor. Die Laboruntersuchungen ergaben einen Lues-Screening-Index von 11,94 (< 1 bedeutet negativ) und einen VDRL-Titer von 1 : 4 ( 1: 0 bedeutet negativ). Somit bestätigte sich eine Lues-Infektion (Erreger: Treponema pallidum) und der Arzt leitete eine antibiotische Therapie mit Benzylpenicillin (Penicillin G) 1 Mio. IE i. m. ein. Zwei Monate später ging es dem Patienten klinisch zwar gut, es zeigten sich aber ein Anstieg des Lues-Screening-Index auf 35,02 und des VDRL-Titers auf 1 : 16. «Was ist hier passiert?», fragte Referentin Dr. Eva Gruner von Synlab das Publikum.

Bei Treponemen sind bisher keine Resistenzen gegenüber Penicillin bekannt. War also ein Laborfehler ursächlich für die Befunde? Nein! Das Problem lag in der Verabreichungsform des Penicillins. «Benzylpenicillin hat eine Halbwertszeit von wenigen Stunden», erklärte die Referentin. «Treponemen haben jedoch eine lange Generationszeit von etwa 30 Stunden.» Die bessere Wahl wäre in diesem Fall eine Therapie mit Benzathin-Penicillin gewesen (s. Kasten). Dieses Medikament ist aber in der Schweiz nicht erhältlich und kann lediglich importiert oder über die Kantonsapotheke bezogen werden. Die Therapie wird jedoch von der Krankenkasse nicht übernommen, betonte Dr. Gruner. Im Fall des vorgestellten Patienten schlug die Behandlung mit Benzathin-Penicillin an. Bei der nächsten Kontrolle der labormedizinischen Parameter nach weiteren vier Monaten zeigten sich diese deutlich regredient.

TH Lunchsymposium von Synlab; 18. Fortbildungstagung KHM, Basel

Empfehlungen zur Therapie der Lues

  • Frühes Stadium (bis ein Jahr nach Infektion): 2,4 Mio. IE Benzathin-Penicillin i. m. einmalig.
  • Spätes Stadium (> ein Jahr nach Infektion): 2,4 Mio. IE Benzathin-Penicillin i. m. dreimal an den Tagen 0, 8 und 15.
  • Neuro-Lues: 18–24 Mio. IE kurz wirksames Penicillin G (Benzylpenicillin) täglich i. v. (d. h. 3–4 Mio. IE alle vier Stunden) über die Dauer von 14 Tagen.

Itin P et al. Schweiz Med Forum 2015; 15(19): 459–465