Medical Tribune
16. Sept. 2015Placebo-Effekte

Mehr Beschwerden nach misslungenem Arztgespräch

Placebo-Effekte sind sehr gut erforscht, aber Nocebo-Reaktionen im medizinischen Setting wurde bisher nicht viel Aufmerksamkeit geschenkt, schreiben Dr. Maddy Greville-Harris, Psychologin an der Universität Southampton, und Kollege.

Nocebo-Effekte können durch einen negativen Kommunikationsstil des Arztes hervorgerufen werden, betonen die Autoren und erläutern dies mithilfe des Konstrukts der Validation und Invalidation: Validation bedeutet, dem Kommunikationspartner Akzeptanz und Verständnis zu signalisieren, Invalidation ist das Gegenteil davon. Welche Folgen Validation beziehungsweise Invalidation hat, erklären die Wissenschaftler an einem Experiment. 90 Probanden mussten schwierige Rechenaufgaben lösen, gleichzeitig wurden ihre physiologischen Reaktionen auf diesen Stressor dokumentiert.

Nur negative Effekte der Invalidation signifikant

Während des Experiments bekamen die Teilnehmer vom Versuchsleiter entweder validierende ("Es ist verständlich, dass Sie die Aufgaben schwierig fanden, viele Teilnehmer sagten das Gleiche.") oder invalidierende ("Ich verstehe gar nicht, warum Sie das stressig fanden – es waren doch nur ein paar Additionen und Subtraktionen.") Rückmeldungen oder gar kein Feedback.

Teilnehmer, die eine Invalidation erlebt hatten, fühlten sich signifikant unsicherer, zeigten einen signifikant höheren psychischen Erregungslevel sowie mehr negative Emotionen und waren im Vergleich zu den Probanden aus den beiden anderen Gruppen seltener bereit, ein zweites Mal an der Studie teilzunehmen. Interessanterweise fielen die negativen Effekte der Invalidation in dieser Studie signifikant aus – nicht jedoch die positiven Effekte der Validation.

"Bad is more powerful than good"

Beobachtungen aus dem klinischen Setting bestätigen dieses Konzept, wie die Autoren anhand von beob­achteten und aufgezeichneten Arzt-Patienten-Gesprächen von Frauen mit chronischen, ausgedehnten Schmerzen darlegen.

Die Auswertung der Interviews ergab, dass sowohl die Patientinnen als auch die Ärzte während des Gesprächs über chronische Schmerzen wiederholt Momente der Invalidation erlebt hatten. Die Patientinnen fühlten sich unverstanden und abgewiesen und hatten den Eindruck, dass die Ärzte sich nicht angemessen mit ihnen befassen wollten.

Die Mediziner nahmen dagegen wahr, dass die Patientinnen ihnen Kritik und Konflikte entgegenbrachten, an festgefahrenen Ansichten festhielten oder der Diagnose des Arztes nicht trauten. Die Effekte der Invalidation waren äusserst negativ. Invalidation während medizinischer Konsultationen kann demnach zu starken Nocebo-Reaktionen führen.

Die Autoren raten dazu, sich im Gespräch nicht nur auf die Vermittlung von Mitgefühl, Empathie und Validation zu konzentrieren, sondern in erster Linie darauf zu achten, Invalidation zu vermeiden. Denn die Effekte einer negativen Kommunikation sind nach ihren Forschungsergebnissen deutlich stärker als diejenigen einer positiven Kommunikation: "Bad is more powerful than good."

Quelle: Maddy Greville-Harris et al., Am J Med 2015; 128: 126-129