Medical Tribune
25. Okt. 2022HR+ Brustkrebs

Vaginales Östrogen erhöht Rezidivrisiko in Kombination mit Aromatasehemmern

Eine vaginale Östrogentherapie soll lokale Nebenwirkungen der Östrogensuppression verbessern. Nun zeigt eine aktuelle Studie, dass diese – in Kombination mit Aromatasehemmern – das Rezidivrisiko beim hormonrezeptorpositiven Brustkrebs um ganze 39 Prozent steigern kann. Mit Tamoxifen gab es diesen Effekt nicht.

Vaginale Östrogene erhöhen potenziell das Rezidivrisiko beim HR+ Brustkrebs wenn sie mit Aromatasehemmern kombiniert werden.
Ilya Lukichev/gettyimages

Zu den häufigsten Nebenwirkungen bei einer antihormonalen Brustkrebstherapie mit Aromatasehemmern (AI) oder Tamoxifen gehören typische Wechseljahresbeschwerden wie Hitzewallungen, vaginale Trockenheit sowie Veränderungen der Libido. Sie kommen von den niedrigen Östrogenspiegeln infolge der therapeutischen Blockade der Östrogenwirkung, und beeinträchtigen die Lebensqualität von Brustkrebspatientinnen oft so stark, dass diese ihre Therapie abbrechen.

Häufig werden den Patientinnen daher vaginale Östrogenpräparate verschrieben, um zumindest die vaginalen Nebenwirkungen der antihormonellen Therapie etwas abzumildern. In den vergangenen Jahren wurde allerdings immer häufiger vor möglichen Risiken der lokalen Hormonersatztherapie gewarnt. Eine neue Studie zeigt nun, dass diese bei Aromatasehemmer-Einsatz mit einem erheblichen Rezidivrisiko verbunden ist.

In der Gruppe mit AI und vaginalen Östrogenen war das Rezidivrisiko deutlich erhöht

Die prospektive Kohortenstudie untersuchte Daten von 8.461 Brustkrebspatientinnen in einem landesweiten dänischen Register, die zwischen 1997 und 2004 die Neudiagnose eines invasiven, Östrogenrezeptor (HR)-positiven Brustkrebs im Frühstadium erhalten hatten. Im Anschluss an eine Erstbehandlung der Krebserkrankung erhielten 2.410 Frauen eine adjuvante endokrine Therapie, darunter 2007 mit Tamoxifen, und 403 mit einem AI.

In der Studienpopulation wendeten 2.000 Frauen eine vaginale Östrogentherapie an, 133 weitere Frauen nahmen orale Östrogenersatzpräparate ein. Innerhalb der mittleren Nachbeobachtungszeit von 9,8 Jahren erlitten 1.333 Frauen (16%) ein Rezidiv. In der Primäranalyse gab es zunächst keinerlei Hinweise auf eine Erhöhung des Rezidivrisikos durch Östrogene.

In der Subgruppenanalyse sahen die Ergebnisse beim Rezidivrisiko jedoch schon deutlich anders aus. Es zeigte sich, dass die 822 Frauen, die eine vaginale Östrogentherapie und gleichzeitig einen Aromatasehemmer erhielten, ein um 39 Prozent erhöhtes Rezidivrisiko hatten als die 2.520 Frauen, die nur AIs einnahmen (HR = 1,39, 95%-KI: 1,04 – 1,85). Das Ergebnis blieb auch nach Beseitigung zahlreicher Störfaktoren wie dem Alter, der Tumorbiologie und Begleiterkrankungen erhalten. Bei Frauen, die eine vaginale Östrogentherapie anwendeten und gleichzeitig Tamoxifen oder keine adjuvante endokrine Therapie erhielten, war das Risiko für ein Wiederauftreten hingegen nicht höher als bei Frauen ohne Östrogentherapie.

Patientinnen mit vaginalen Östrogenen auf Tamoxifen umstellen

In einem begleitenden Editorial warnen Dr. Elizabeth J. Cathcart-Rake, und Dr. Kathryn J. Ruddy, Onkologen an der Mayo Clinic in Rochester, Minnesota, vor einer gleichzeitigen Anwendung der vaginalen Östrogentherapie und AIs. «Patientinnen, die Aromatasehemmer einnehmen, sollten alternative Strategien zur Behandlung ihrer genitalen Symptome ausprobieren, da die vaginal angewendeten Östrogene wahrscheinlich ihr Risiko für ein Rezidiv erhöhen.»

Obwohl in der Studie kein erhöhtes Rezidivrisiko bei gleichzeitiger Anwendung einer oralen Östrogentherapie und AIs festgestellt wurde, empfehlen die Kommentatorinnen auch diese Kombination eindeutig nicht.  «Das Fehlen einer offensichtlichen nachteiligen Auswirkung der oralen Hormonersatztherapie auf das Rezidivrisiko beim Brustkrebs ist alles andere als beruhigend», schreiben sie. «Vor allem angesichts der höheren systemischen Östrogenspiegel, wie sie bei oralen Präparaten beobachtet wurden.» Das Ergebnis in dieser Untergruppe stammte ausserdem von nur 37 Frauen.

Die Kommentatorinnen empfehlen, Patientinnen, die vaginale Östrogene und AIs anwenden, nach zwei bis drei Jahren auf Tamoxifen umzustellen.

Unterschied liegt in der Wirkweise

«Unsere Studie ist unseres Wissens die erste, die ein potenziell erhöhtes Rezidivrisiko bei Patientinnen berichtet, die mit vaginaler Östrogentherapie und AIs behandelt werden», schreiben die dänischen Autoren der Veröffentlichung, die Ende Oktober im Journal of the National Cancer Institute erschienen ist.

In ihrer Arbeit vermuten die Studienautoren, dass die offensichtlichen Sicherheitsunterschiede zwischen den beiden endokrinen Therapien aus den unterschiedlichen Ziel-Östrogenspiegeln hervorgehen. Aromatasehemmer verringern den Serum-Östrogenspiegel fast zur Gänze. Auch ein moderater Anstieg der zirkulierenden Östrogene könne daher die AI-Therapie konterkarieren.

Tamoxifen dagegen sei lediglich ein Kompetitor für die Östrogenbindung am Rezeptor. «Daher ist eine moderate Erhöhung der sehr niedrigen Östrogenspiegel im Serum wahrscheinlich nicht genug, um die Rezeptorblockade aufzuheben», vermuten sie.

Referenz
  1. Cold S et al. Systemic or Vaginal Hormone Therapy After Early Breast Cancer: A Danish Observational Cohort Study. J Natl Cancer Inst. 2022 Oct 6;114(10):1347-1354. doi: 10.1093/jnci/djac112.