Medical Tribune
18. Sept. 2022Nach dem Spital

Wie werden Herzinsuffizienz-Patienten am besten auf den Alltag vorbereitet?

Nach der Entlassung aus dem Spital ist das Risiko von Herzinsuffizienzpatienten für eine erneute Hospitalisierung gross. Dagegen hilft ist ein gut organisierter Übergang in eine ambulante Nachsorge. Dr. Matthias Paul, Leitender Arzt Kardiologie, Luzerner Kantonsspital, stellt einige Anhaltspunkte vor, wie dieser auszusehen hat.

Alte Frau verlässt mit Hilfe einer Pflegerin ihr Spitalzimmer während der Sohn im Hintergrund dem Arzt die Hand gibt.
sturti/gettyimages

In Zeiten knapper personeller und finanzieller Ressourcen stellt ein umfassendes Entlassungs-Management eine besondere Herausforderung dar. Versäumnisse können teuer zu stehen kommen. Auch das Risiko für eine Rehospitalisierung steigt, wodurch sich die Prognose verschlechtert.

Am Jahreskongress 2022 der Swiss Society of Cardiology/Swiss Society of Cardiac Surgery (SSC/SSCS) widmeten sich Experten der Frage, wie man bei hospitalisierten Herzinsuffizienz-Patienten potenzielle Pannen nach der Entlassung vermeiden kann.

Dr. Matthias Paul, Leitender Arzt Kardiologie am Luzerner Kantonsspital, erinnert, dass bereits bei der Entlassung einige Kriterien bedacht respektive erfüllt sein müssen (s. Kasten).

Voraussetzungen für die Entlassung

  • Das Zielgewicht ist unter oraler Diuretika-Therapie seit 24–48 h stabil.
  • Die individuelle Ätiologie der Herzinsuffizienz ist bekannt.
  • Triggerfaktoren für eine akute Dekompensation konnten identifiziert und therapiert werden.
  • Start der Vier-Säulen-Therapie mit ACE-I/ARNI, BB, MRA, SGLT2-I
  • Komorbiditäten wurden erfasst/abgeklärt und Komedikationen optimiert.
  • Die Patienten haben eine Schulung erhalten
  • Das Follow-up wurde organisiert und ein Termin mit dem Hausarzt, niedergelassenen Kardiologen oder allenfalls im Spital vereinbart.
  • Eine Reha wurde diskutiert.

Erste Zeit nach der Entlassung ist kritisch

Der Experte betont, dass die erste Zeit nach der Entlassung als vulnerable Phase anerkannt ist. «Es besteht das Risiko, dass die im Spital erzielte Dekongestion und Stabilisierung der Herzinsuffizienz sehr schnell wieder in Frage gestellt sein kann, wenn im ambulanten Setting Defizite bestehen.»

Für einen nahtlosen, gut organisierten Übergang in die ambulante Betreuung geben die ESC-Guidelines folgende Empfehlungen:

  • Vor der Entlassung Patienten sorgfältig und umfassend bezüglich Zeichen einer persistierenden Kongestion beurteilen.
  • Die evidenzbasierte orale 4-Säulen-Therapie aus ACE-Hemmer/ARNI, Betablocker, Mineralkortikoidantagonist und SGLT2-Hemmer muss möglichst vollständig etabliert sein.
  • Eine Follow-up-Visite nach einer bis zwei Wochen vereinbaren, um Hinweise auf eine Kongestion und Verträglichkeitsprobleme unter der Therapie zu erfassen, und um die diuretische Therapie anzupassen.
  • Wenn die 4-Säulen-Therapie noch nicht komplett implementiert /auftitriert wurde, dies nachholen.

Dr. Paul ergänzt, dass die Therapie mit den «fantastischen Vier» idealerweise bereits vor der Entlassung gestartet wird. Dann muss der weiterbetreuende Arzt sich nur noch um die Aufdosierung kümmern.

Nach Entlassung sind auch die Patienten in der Pflicht

Herzinsuffizienz-Patienten müssen umfassend informiert und geschult werden, damit sie wichtige Aufgaben im Management selbst übernehmen können. Dazu zählen die langfristig konsequente Einnahme der Erhaltungstherapie, regelmässige Gewichtskontrollen, Flüssigkeitsrestriktion und körperliche Aktivität. Auch müssen sie mit den Symptomen vertraut sein, die mit einer erneuten Dekompensation im Zusammenhang stehen und darauf adäquat reagieren. Vor allem müssen sie wissen, wen sie in einer solchen Situation kontaktieren müssen (Hausarzt, Notfallstation, Kardiologie).

Dr. Paul verweist in diesem Zusammenhang auf das umfassende Informationsmaterial der Schweizerischen Herzstiftung, das sich im Selbst-Management gut bewährt hat.

Referenz