Medical Tribune
21. Juni 2022Spuren verwischen

Neue Daten zur oralen Immuntherapie bei Kindern mit Erdnussallergie

Viele junge Patienten mit Erdnussallergie meiden Veranstaltungen, bei denen sie mit kontaminierten Lebensmitteln in Kontakt kommen könnten. Zu gross ist die Furcht vor einer allergischen Reaktion. Eine frühzeitig begonnene Immuntherapie kann Abhilfe schaffen.

Little boy opening up peanuts to eat in a restaurant
iStock/michellegibson

Seit Jahren weiss man, dass sich trotz anderslautender Deklaration in vielen Backwaren Kuhmilch versteckt. Einer aktuellen Studie zufolge ist dies mit Erdnüssen genauso. US-amerikanische Forscher analysierten 154 Proben aus 18 Bäckereien: 2,6 Prozent der Cupcakes, Kekse und Muffins enthielten 0,1–650 mg Erdnuss­protein pro 100 g. «Das entsprach im schlimmsten Fall drei Erdnüssen pro Portion», übersetzte Professor Dr. Kirsten Beyer vom Kinderallergologischen Studienzentrum der Charité – Universitätsmedizin Berlin (1).

Die Hälfte der Betroffenen macht einen Bogen um soziale Events mit Verpflegung

Erdnussallergiker sind aber offenbar von Haus aus vorsichtig: Wie eine aktuelle Studie belegt, halten sich 49 Prozent der Betroffenen bzw. deren Betreuer fern von sozialen Events, bei denen Speisen gereicht werden. Umgekehrt fühlt sich ein Viertel von Freizeitaktivitäten in Kindergarten, Schule oder Universität ausgeschlossen.

Eine erste orale Immuntherapie (OIT) für Kinder und Jugendliche zwischen vier und 17 Jahren mit bestätigter Erdnussallergie (Palforzia®) kam in der Schweiz im Mai 2021 auf den Markt. In der Zulassungsstudie tolerierten 67,2 Prozent der Teilnehmer nach einem Jahr Therapie 600 mg bzw. zwei Erdnüsse – ein hochsignifikanter Unterschied zu Placebo (4,0%).

Wirksamkeit nahm zu, Nebenwirkungen ab

Aktuelle Langzeitdaten belegen eine weitere Zunahme der Wirksamkeit mit weiteren Anwendungsjahren: Nach einem, anderthalb und zwei Jahren OIT stieg nach oraler Provokation der Anteil der Patienten, die 1000 mg (3,5 Erdnüsse) vertrugen, von 64,5 auf 79,8 bzw. 96,2 Prozent. Zudem tolerierte knapp die Hälfte der Patienten nach 18 Monaten Behandlungsdauer bis zu sieben Erdnüsse, nach zwei Jahren waren dies 80,8 Prozent. «Parallel dazu nahmen die Nebenwirkungen der Immuntherapie kontinuierlich ab, sodass es im Jahr zwei und danach deutlich weniger und v.a. keine schweren Reaktionen gab», so Prof. Beyer.

Nach Möglichkeiten zur weiteren Therapieoptimierung werde gesucht. Eine wirkungsvolle Option schien vor ein paar Jahren die Unterstützung der OIT durch Probio­tika (Lactobacillus rhamnosus) zu sein. Die Kombination habe hinsichtlich Hyposensibilisierung und Remission bei ein- bis zehnjährigen Kindern zu Ergebnissen geführt, die laut der Expertin «zu schön waren, um wahr zu sein». Mit der Erweiterung des Studiende­signs um die bislang fehlende Placebo­-Kontrolle kam die Ernüchterung. «Bei gleichzeitig stark vergrös­serter Studienpopulation von jetzt 201 Kindern gab es zwischen OIT plus Probio­tika und OIT plus Placebo keine Unterschiede mehr.»

Je jünger die Kinder, umso besser wirkt die Hyposensibilisierung

Einen Aspekt der aktualisierten Daten hob die Expertin dennoch hervor: Je jünger die Kinder sind, desto besser ist offenbar sowohl die Hyposensibilisierungs- als auch die Remissionsrate nach acht Wochen OIT-Pause. Dies wertete Prof. Beyer als ersten Hinweis darauf, dass man mit der Immuntherapie möglichst früh beginnen sollte.

Eine US-amerikanische Studie untersuchte 146 Kinder im Alter von 13 bis 48 Monaten, die bei Studien­einschluss bereits auf sehr geringe Ernussmengen reagiert hatten. Sie erhielten über zweieinhalb Jahre eine OIT mit 2000 mg Erdnuss­protein pro Tag, gefolgt von einer sechsmonatigen Eliminationsdiät. 84 Prozent der Per-Protokoll-Patienten hatten nach Ende der OIT eine ­Hyposensibilisierung erreicht, nach der Eliminationsdiät waren es noch 29 Prozent. Provoziert wurde jeweils mit 5000 mg Erdnussprotein. «Bei diesen Ergebnissen würde ich mein Kind nicht pausieren lassen, sondern weitermachen. Wir empfehlen ja selbst bei der natürlichen Toleranzentwicklung, das Allergen regelmässig zu geben», erklärte Prof. Beyer.

Referenz
  1. Allergo Update - 12. Allergologie-Update-Seminar, 18. - 19.März.2022, Berlin, Deutschland