Phytotherapie in der gynäkologischen endokrinologischen Sprechstunde
Viele Frauenleiden können mit Heilpflanzen behandelt werden. Professor Dr. Petra Stute, Leitende Ärztin und stellvertretende Chefärztin der Abteilung Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin am Inselspital in Bern, präsentierte am Kongress für praktische Gynäkologie und Geburtshilfe (KPGG) anhand von Fallbeispielen einige evidenzbasierte Optionen.
Der erste Fall handelte von einer 31jährige gesunden Patientin mit Zyklusunregelmässigkeiten und Periodenschmerzen. Gegen diese Beschwerden kommt häufig Vitex agnus-castus zum Einsatz. Die Wirksamkeit wurde unter anderem in einer prospektiven Studie1 mit 60 gesunden Nulliparae mit schwerer Dysmenorrhö untersucht. Die eine Hälfte bekam ein Mönchspfeffer-Präparat, die andere eine Drospirenon-haltige kombinierte Pille. Nach drei Monaten hatten sich die Doppler-Indizes sowohl bei den Frauen mit der kombinierten oralen Kontrazeption (KOK) als auch bei denen mit dem Mönchspfeffer so weit verbessert, dass sie vergleichbar waren mit denen der Kontrollgruppe aus 30 gesunden Frauen ohne Dysmenorrhö. «Auch auf der subjektiven Ebene sank die Schmerzintensität auf der visuellen Analogskala (VAS) in beiden Behandlungsgruppen signifikant», erklärte Prof. Stute.
In einer Schweizer Post-Marketing-Studie2 mit 200 Frauen mit unterschiedlichsten Zyklusstörungen (Poly-, Oligo-, Hyper- und Amenorrhö) liess sich ausserdem zeigen, dass das Mönchspfeffer-Präparat (Premens®) bei einer bedeutenden Anzahl dieser Patientinnen nach drei Monaten die Symptomatik verbesserte.
Primär Komplementär- und Alternativmedizin bei PMS
Als zweiten Fall präsentierte Prof. Stute eine 33-jährige gesunde Frau, die ohne Hormone verhütet und an einem klassischen Prämenstruellen Syndrom (PMS) leidet. Ein Schweizer Konsenspapier3 schlägt zur Behandlung des PMS in erster Linie Komplementär- und Alternativmedizin vor. «Darin aufgelistet sind nur Substanzen, die in Studien auch einen günstigen Einfluss gezeigt haben», sagte die Referentin. Empfohlen werden Mikronährstoffe (Kalzium, Vitamin E, Vitamin B6, Magnesium, Myo-Inositol) sowie Phytotherapeutika wie Mönchspfeffer, Johanniskraut und Nachtkerzenöl. Für Frauen mit PMS hat Prof. Stute ein persönliches Standardrezept für die tägliche Einnahme während drei bis sechs Monaten zusammengestellt. Es besteht aus Vitus agnus-castus (1 × 20 mg), Magnesium (2 × 100 mg) Kalzium (2 × 500 mg) und Vitamin B6 (2 × 40 mg).
Den Effekt von Mönchspfeffer auf das PMS hat eine Metaanalyse4 von 14 Studien untersucht. Sie ergab, dass Vitex agnus-castus PMS-Beschwerden allgemein besser reduzierte als Placebo und ähnlich gut wie KOK und das SSRI Fluoxetin. Deutlich stärker verbesserte Mönchspfeffer im Vergleich zu Placebo zudem depressive Symptome und Angst.
Soja-Isoflavone mit inkonsistenter Datenlage
Im dritten Fall ging es um eine 43-jährige gesunde Patienten, die seit einem Jahr unter Hitzewallungen und anderen Wechseljahresbeschwerden leidet. Als pflanzliche Behandlungs-Optionen stehen hier Phytoöstrogene und Phytotherapeutika zur Verfügung. «Anders als die Phytotherapeutika entfalten Phytoöstrogene ihre Wirkung über den östrogenen Signalweg», erklärte Prof. Stute. Zu ihnen gehören auch Soja-Isoflavone, die über das Genistein und das Daidzein wirken. Letztes muss aber im Körper zu aktivem (S)-Equol verstoffwechselt werden. «Nur 30–50 % der Menschen haben dafür die notwendige Darmbakterienflora», so die Expertin. Entsprechend inkonsistent ist die Datenlage. In einem Expertenbrief kommt die SGGG 2017 deshalb zum Schluss: Isoflavone können Hitzewallungen reduzieren und können ausprobiert werden. «Sicherheit und Wirksamkeit bei Hitzewallungen beim Brustkrebs sind nicht bewiesen, weshalb Isoflavone nicht bei Frauen mit einem Mammakarzinom eingesetzt werden sollte», betonte Prof. Stute.
Von den Phytotherapeutika für Wechseljahrbeschwerden ist die Traubensilberkerze am besten untersucht. Die Studien haben eine signifikante Überlegenheit gegenüber Placebo sowohl bei gesunden als auch bei an Brustkrebs erkrankten Frauen gezeigt. Alle anderen pflanzlichen Mittel haben sich gegenüber Placebo nicht als überlegen erwiesen. «Das heisst aber nicht, dass sie nicht auch einmal ausprobiert werden können, da mitunter auch der Placebo-Effekt hoch sein kann», erklärte Prof. Stute. Da Cimicifuga-Studien keinen negativen Einfluss auf die Leber und das Brustkrebs-Risiko gezeigt haben, ist die Traubensilberkerze auch bei Mammakarzinom-Patientinnen zulässig. «Es bestehen sogar Hinweise, dass Cimicifuga racemosa einen möglichen präventiven Effekt auf die Rezidiventwicklung haben könnte», so die Expertin.
Maca reduziert den Libidomangel
Im letzten Fall ging es um eine 52jährige gesunde postmenopausale Frau ohne vaginale Atrophie mit Libidomangel. Die Wirkung auf die Lust ist bei Frauen am besten für Maca untersucht. So zeigte eine kleine Studie5 mit 14 gesunden postmenopausalen Frauen mit klimakterischen Symptomen ohne Hormonersatztherapie, dass die tägliche Einnahme von 3,5 g Maca über sechs Wochen Depression, Angst und sexuelle Funktionsstörung im Vergleich zu Placebo signifikant reduziert, erklärte Prof. Stute.
Johanniskraut-Präparate gegen Depression
Zur Behandlung einer leichten oder mittelgradigen depressiven Störung ist Johanniskraut empfohlen. Wegen ihrer Wechselwirkungen ist die Pflanze jedoch in Kritik geraten. «Grund für Interaktionen auf hepatischer Ebene ist das Hyperforin, dessen Menge aber je nach Präparat stark variieren kann», erläuterte Prof. Stute. Die Schweizer «Cocktail-Interaktionsstudie»1 hat das Problem näher unter die Lupe genommen. In dieser nahmen 20 Freiwillige zusätzlich zum Johanniskraut-Extrakt Ze117 eine Mischung aus Medikamenten ein, die alle über verschiedene CYP-Enzyme abgebaut werden. «Die Studie hat keine negativen Effekte gezeigt», fasste die Referentin die Resultate zusammen. Die Ergebnisse haben dazu geführt, dass seit Kurzem in der Fachinformation des Extrakts Ze 117 bei den kontraindizierten Substanzen im Rahmen einer gleichzeitigen Therapie nur noch Antidepressiva und andere serotonerge Substanzen aufgeführt sind. «Der Extrakt ist somit der Einzige, der mit Arzneistoffen kombinierbar ist, die über CYP3A4 und/oder P-gp verstoffwechselt werden», betonte Prof. Stute.
- Zahner C et al. Cin Pharmacol Ther 2019; 106(2): 432–440.
Referenzen:
- Aksoy AN et al. J Obstet Gynaecol Res 2014; 40(3): 779–784.
- Eltbogen R et al. Journal für Gynäkologische Endokrinologie 2015; 25(2): 10–15.
- Stute P et al. Gynecol Endocrinol 2017; 33(5): 342–348.
- Verkaik S et al. Am J Obstet Gynecol 2017; 217(2): 150–166.
- Brooks NA et al. Menopause 2008; 15(6): 1157–1162.