Medical Tribune
6. Mai 2020Koitaler Herztod

Sexuelle Aktivität bei Herzproblemen

Der koitale Tod kommt vor, ist aber sehr selten. Wann Herzpatienten sexuell aktiv sein dürfen – und wann eher nicht – und wie sich Medikamente auf die Erektionsfähigkeit auswirken können, erläuterte PD Dr. Christophe Wyss, Leiter Akutkardiologie Herzklinik Hirslanden Zürich, anlässlich eines Vortrages am Männersymposium.

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«Der Penis ist eine mögliche Antenne zum Herzen», sagte PD Dr. Wyss. Denn Erektionsstörungen sind mitunter ein sehr frühes Zeichen für eine noch asymptomatisch verlaufende KHK. Vom Zeitpunkt, in dem der Patient über Probleme mit der Erektion berichtet, bis zur Diagnose KHK oder einem Herzinfarkt vergehen im Schnitt zwei Jahre. «Praktisch alle Patienten im Alter von 60 Jahren mit einer Mehrgefässerkrankung, also einer ausgeprägten Atherosklerose, haben auch eine ED», so der Kardiologe.

Koitaler Herztod kommt meist ausserhalb der Ehe vor

«Sexuelle Aktivität entspricht in der Regel einer mittleren körperlichen Belastung», sagte PD Dr. Wyss. Aus­ser bei stark hypertensiven Patienten erreichen beim Sex Blutdruck und Herzfrequenz nicht einmal jene Werte wie zum Beispiel beim Velofahren oder Staubsagen. «Sex ist denn auch für Herzpatienten in der Regel okay», betonte er. Ein koitaler Tod kommt vor, ist aber selten. Wenn es denn beim Sex tatsächlich einmal zu einem Herzinfarkt oder gar einen Herztod kommt, dann passiert dies meistens während eines ausserehelichen Geschlechtsverkehres, wenn der Sex möglicherweise auch etwas sportlicher ausgelebt wird als üblich.

Wann Herzpatienten ohne gesundheitliche Bedenken Sex haben können und wann eher nicht, ist gemäss den Aussagen des Herzspezialisten primär vom kardiovaskulären Risiko abhängig. Ist es tief, spricht aus Sicht der Herzgesundheit nichts gegen sexuelle Aktivität. Ein tiefes Risiko haben asymptomatische sowie beschwerdefreie Patienten nach einer Revaskularisation (Koronararterienbypass oder PCI), mit einem kontrollierten Bluthochdruck, einer leichten Herzschwäche (NYHA-Klasse I) oder auch nach einem Herzinfarkt, der mindestens schon sechs bis acht Wochen zurückliegt.

Aufpassen müssen hingegen Männer mit einem hohen kardiovaskulären Risiko, mit einer instabilen Angina pectoris, mit einer unkontrollierten arteriellen Hypertonie, mit einer fortgeschrittenen Herzinsuffizienz (NYHA Klasse III-IV), mit malignen Rhythmusstörungen, hypertrophen obstruktiven Kardiomyopathien, mittelschweren bis schweren Aorten-/Mitralstenosen oder nach einem frischen, bis zu zwei Wochen zurückliegenden Myokardinfarkt.

Bei einem intermediären Risiko wird individuell beurteilt, ob das Herz sexuelle Aktivität aushält. Um die Situation besser einzuschätzen, hilft in der Praxis oft ein körperlicher Leistungsfähigkeitstest auf dem Fahrrad-Ergometer.

Auf sexuelle Aktivität nicht verzichten müssen in der Regel ICD-Träger. «Selbst wenn das Gerät einmal während des Geschlechtsverkehrs einen Schock auslösen sollte, wird die Partnerin dabei nicht gleich mitfibrilliert», erklärte der Kardiologe. Sofern diese vom ICD-Schock überhaupt etwas wahrnimmt, dann ist es meist ein «Zwick», ähnlich wie beim Berühren eines unter Strom stehenden Kuhdrahtes.

Wie Medikamente auf die sexuelle Funktion wirken

Eine häufige Ursache für Erektionsstörungen sind Medikamente. So können beispielsweise mit Betablockern und Thiazid-Diuretika auch Präparate die sexuelle Funktion beeinträchtigen, die Herz-Patienten gerade wegen einer vaskulären Dysfunktion verschrieben werden. PD Dr. Wyss empfahl, möglichst schon im Vorfeld der Therapie mit den Patienten über diese mögliche Nebenwirkung ausführlich zu sprechen. Denn so kann möglicherweise verhindert werden, dass die Patienten diese Präparate von sich aus absetzen, wenn sie in der Packungsbeilage über die mögliche unerwünschte Arzneimittelwirkung auf die sexuelle Funktion lesen.

«Stimmt die Indikation, kann ‹Mann› durchaus auch mit diesen Medikamenten guten Sex haben», betonte der Kardiologe. Bei Bedarf können Herzpatienten auch PDE-5-Hemmer verschrieben werden. Nicht eingenommen werden dürfen diese potenzsteigernden Präparate allerdings in Kombination mit Nitraten, da der Blutdruck mit der Kombination der beiden Substanzen zu stark absinken könnte. «Nicht alle Herzmedikamente beeinträchtigen die sexuelle Funktion, einige sind sogar die Lösung für Erektionsstörungen», führte PD Dr. Wyss weiter aus. So ist beispielsweise für den Angiotensin-Rezeptor-Neprilysin-Inhibitor (ARNI) Sacubitril/Valsartan belegt, dass das Präparat bei Herzinsuffizienz nicht nur das Mortalitäts- und Morbiditätsrisiko reduziert, sondern auch den Blutdruck senkt und gleichzeitig eine ED verbessern kann.