Medical Tribune
3. Juni 2019Komplikationen mit einer PPI-Therapie

Die PPI-Sau wird umsonst durchs Dorf getrieben

Die Protonenpumpenhemmer sind massiv in die Kritik geraten. Es gibt mittlerweile kein Organ, dem sie nicht schaden sollen. Waren die Ärzte in den letzten 30 Jahren wirklich so blind?

Alle Komplikationen einer PPI-Therapie, die derzeit beschrieben werden und für Wirbel sorgen, stammen aus Beobachtungs- oder Kohortenstudien und nicht aus randomisierten und kontrollierten Arbeiten – dem Goldstandard der medizinischen Beweisführung, beklagte Professor Dr. Joachim Labenz­ vom Diakonie-Klinikum Jung-Stilling in Siegen. Zieht man diese zurate, kommt man zu einer ganz anderen Beurteilung der Medikamente.

In der SOPRAN-Studie hat man bei knapp 300 Patienten die Omeprazol-Therapie mit der offenen Fundo­plicatio über zwölf Jahre verglichen. Die Autoren der LOTUS-Studie nahmen bei 554 Patienten über sieben Jahre Esomeprazol versus laparoskopische Fundoplicatio unter die Lupe. Was die Nebeneffekte in diesen beiden Langzeitstudien anging, war der Anstieg des Gastrins der einzige Unterschied zwischen PPI und Fundoplicatio. Und der ist durch die Wirkung des PPI erklärbar: Wird die Magensäureproduktion gehemmt, steigt der Gastrin-Spiegel an. Bei allen anderen vermeintlichen PPI-Risiken gab es keine Differenzen, weder hinsichtlich gastrointestinaler Infektionen und Pneumonien noch bei Frakturen, kardiovaskulären Ereignissen, Neoplasien, Eisen-, Kalzium-, Vit­amin-D- oder Vitamin-B12-Spiegeln.

Einziger Unterschied bei enteralen Infekten

Bisher nur als Abstract liegt eine sehr viel grössere Studie vor. Darin erhielten knapp 17 600 Patienten über drei Jahre randomisiert und kontrolliert zusätzlich zu ihrer Antikoagulation mit Rivaroxaban bzw. Thrombozytenaggregationshemmung mit ASS oder beidem 40 mg Pantoprazol vs. Placebo. Der einzige Nebenwirkungsunterschied in 53 152 Patientenjahren war, dass die Studienteilnehmer unter dem PPI etwas mehr enterale Infekte entwickelten als unter Placebo (1,4 % vs. 1,0 %). «Diese Daten geben uns doch eine gewisse Sicherheit, dass wir unsere Patienten mit diesen Medikamenten nicht umbringen», kommentierte Prof. Labenz. Die vorhandenen Observationsstudien hätten vermeintliche Nebenwirkungen der PPI identifiziert, aber keinen kausalen Zusammenhang belegt. Ganz ausschliessen könne man diese zwar nicht –sollte es sie tatsächlich geben, sei allerdings das Risiko für den einzelnen Patienten sehr gering.

Natürlich werden PPI oft inadäquat verordnet – ohne Indikation oder in zu hoher Dosis. «Da müssen wir uns an die eigene Nase fassen», räumte Prof. Labenz ein. So erhalten z.B. fast 40 % der Reizdarm-Patienten einen PPI – ganz klar Fehlverordnungen, die korrigiert werden müssten, so der Experte. Prinzipiell solle man eine laufende PPI-Behandlung regelmässig hinterfragen und prüfen, ob sie noch angemessen ist.

Postulierte Nebenwirkung von PPI und deren Evidenz
Potenzielle NebenwirkungStudientypQualität der Evidenz
NierenerkrankungObservationsehr gering
DemenzObservationsehr gering
FrakturenObservationgering oder sehr gering
HerzinfarktObservation und RCT*sehr gering
Bakterielle Fehlbesiedelung des
Dünndarms**
Observation und Cross-overgering
Spontan bakterielle PeritonitisObservationsehr gering
Clostridium-difficile-InfektionObservationgering
PneumonieObservation und RCTsehr gering
Mangel an MikronährstoffenObservationgering oder sehr gering
Gastrointestinale MalignomeObservation und RCTsehr gering

*randomisierte kontrollierte Studie, **Patienten mit Zirrhose und Aszites nach Prof. Labenz

125. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin