Medical Tribune
28. Feb. 2019Medizin-Apps

Elektronische Tools als Entscheidungshilfe

Schweizer Gastroenterologen haben Medizin-Apps entwickelt.Claudia Benetti

Die meisten Gesundheits-Apps zielen darauf ab, die Nutzer zu motivieren, mehr Sport zu machen oder sich gesünder zu ernähren. Zwei neue Anwendungen für die Gastroenterologie gehen weiter. Professor Dr. Stephan Vavricka, Leiter des Zentrums für Gastroenterologie und Hepatologie in Zürich, stellte die beiden Schweizer Medizin-Apps an den Medidays näher vor.

Für den Gesundheitsbereich gibt es mittlerweile schon mehrere tausend Apps. Sie lassen sich einteilen in Gesundheits-Apps, die in erster Linie gesunde Menschen ansprechen, in Medizin-Apps, die sich an Patienten oder Ärzte richten, sowie in Apps, die als Medizinalprodukte auch einer Regulierung unterstellt sind. «Die Nachfrage nach elektronischen Gesundheits-Tools ist gross. Auch Patientenorganisationen entdecken diese vermehrt als eine gute neue Möglichkeit, Patienten besser über ihre Krankheit zu informieren», sagte Prof. Vavricka.

App ermittelt beste HCV-Therapie

Zwei Medizin-Apps, die kostenlos auf jedem Smartphone heruntergeladen werden können, hat der Experte zusammen mit anderen Schweizer Gastroenterologen selbst programmiert. Eine dieser Apps ist der «HCV Advisor». Er richtet sich an Ärzte und unterstützt sie bei der Therapie-Evaluation für Hepatitis-C-Patienten. Noch vor wenigen Jahren konnte eine chronische Hepatitis C lediglich mit Interferon allein oder in Kombination mit Ribavirin behandelt werden. Die neuen Therapien greifen direkt am Virus an und hemmen seine Vermehrung. Sie sind deutlich verträglicher, ermöglichen eine kürzere und rein orale Behandlung und führen zu Heilungsraten von bis zu 99 %. «Mit den neuen Medikamenten ist die Therapie jedoch auch komplexer und komplizierter geworden. Was heute gilt, ist oft schon zwei Monate später wieder überholt», erklärte Prof. Vavricka. Die Entwicklungen im Bereich der Hepatitis-C-Therapien und deren Kombinationen sei so rasant, dass selbst die Fachgesellschaft SASL (Swiss Association for the Study of the Liver) oft nicht mehr nachkomme, ihre Richtlinien immer auf den neuesten Stand zu halten.

Koloskopie oder Stuhltest? Eine App gibt Antwort

Genau hier setzt denn auch die App an, die der Gastroenterologe mit seinem Praxiskollegen PD Dr. Heiko Frühauf entwickelt hat. Nach Eingabe von Patientendaten wie Genotyp, Viruslast und Polymorphismen schlägt das Tool die aktuellste und beste Therapie vor. Das Resultat zeigt auch an, ob die vorgeschlagene Behandlung von den Krankenkassen bezahlt wird, welche Limitatio besteht und wie der Patient mit den Medikamenten am besten behandelt wird.

«Darm-Check» heisst die zweite Schweizer App, die der Experte näher präsentierte. Sie richtet sich an die Patienten und soll ihnen bei der oft schwierigen Entscheidung helfen, ob man eine Screening-Koloskopie oder einen Stuhltest zur Darmkrebsvorsorge machen lassen soll. In der Schweiz ist alle zehn Jahre eine Screening-Koloskopie ab dem 50. Altersjahr empfohlen. Ab diesem Alter steigt das Risiko für ein Kolonkarzinom bei Frauen und Männern massiv an. «Dies gilt sowohl für die Inzidenz wie für die Mortalität», betonte Prof. Vavricka.

Die Darm-Check-App basiert auf einer Arbeit, die die Einflussstärke der Risikofaktoren für die Entstehung von Polypen und/oder Karzinomen berechnet hat. Das Tool berücksichtigt Alter, Geschlecht, Gewicht, die Familienanamnese für ein Kolonkarzinom und ob der Patient raucht oder nicht. Je nach Eingaben liefert die App eine bestimmte Punktzahl, die eine Aussage über die Wahrscheinlichkeit erlaubt, mit der eine Neoplasie bei einer Screening-Koloskopie entdeckt wird. Je nach ermitteltem Risiko wird eine Koloskopie zur Darmkrebsvorsorge oder auch nur ein Stuhltest, wie etwa der OC-Sensortest, empfohlen. Am Tool mitgearbeitet haben neben Prof. Vavricka und PD Dr. Frühauf weitere Schweizer Experten wie Professor Dr. Urs Marbert und Professor Dr. Christoph Meier sowie Erika Ziltener, Präsidentin Dachverband Schweizerischer Patientenstellen.

Prof. Vavricka empfahl schliesslich noch die von Google für Patienten entwickelte «Ada App». Das Tool erfasst die genauen gastroenterologischen Beschwerden, erstellt aufgrund der Eingaben eine Hitliste möglicher Diagnosen und liefert Informationen zu den entsprechenden gastroenterologischen Erkrankungen und Therapien. «Die Resultate, die das liefert, sind erstaunlich zuverlässig», sagte der Experte. In unklaren Fällen könne es mitunter sogar Ärzte bei der Diagnosefindung unterstützen.