Medical Tribune
8. Juli 2016Umfrage zu gesundheitspolitischen Fragen

Wie denken eigentlich unsere Parlamentarier?

Im Auftrag der Krebsliga Schweiz wurde zwischen dem 1. Februar und dem 15. März 2016 eine Umfrage zu gesundheitspolitischen Fragen bei sämtlichen kantonalen (n = 2609) und eidgenössischen ParlamentarierInnen (n = 246) durchgeführt. Insgesamt beteiligten sich 1057 kantonale sowie 88 eidgenössische Mandatsträger an der Befragung.

Grob zusammengefasst zeigen sich bei gesundheitspolitischen Grundsatzdebatten folgende Präferenzmuster: Die Ratslinke wünscht sich in der Gesundheitspolitik vermehrt staatliche Lösungen basierend auf dem Solidaritätsprinzip und fordert deshalb auch eine stärkere Zentralisierung der Gesundheitspolitik. Die Ratsrechte pocht auf Eigenverantwortung und will den Wettbewerb spielen lassen; eine «Staatsmedizin» lehnt sie vehement ab. Die Ratsmitte tendiert in ihrer Mehrheit stärker zu Wettbewerbslösungen und dem Eigenverantwortungsprinzip.

Welche Art von Präventions-förderung braucht es?

Bei der Frage nach der Art der Prävention ist Links sich im Prinzip einig, dass sowohl Verhaltens- als auch Verhältnisprävention stärker gefördert werden sollten. Dabei wird Letzteres dem Ersteren gegenüber eher bevorzugt. Rechts hingegen ist eine erhebliche Zahl der Ansicht, dass es überhaupt keine weitergehende Förderung brauche. Und diejenigen ParlamentarierInnen aus dem rechten Lager, die Präventionsförderung generell gutheissen, tendieren in ihrer grossen Mehrheit zur Verhaltens- und nicht etwa zur Verhältnisprävention. Mit dem Letzteren assoziieren sie offenbar in erster Linie Verbote.
Die Haltungen zu den (abgefragten) konkreten Massnahmen der Nationalen Strategie gegen Krebs (NSK) sind «ideologiefreier». Aber oftmals folgen auch sie den durch die gesundheitspolitischen Maximen vorgegebenen Grundlinien. Das Modifikationspotenzial solcher Haltungen soll deshalb nicht überschätzt werden. Die Ratsmitte spielt für die Erfolgschancen solcher Massnahmen eine mutmasslich entscheidende Rolle: Sie ist prinzipiell offen für Reformen – dies betrifft vor allem Massnahmen der Verhaltensprävention –, aber nur soweit sie den Status quo, den sie in ihren jeweiligen Kantonen wahrscheinlich auch massgeblich mitgestaltet hat, nicht allzu stark verändern. Weiter scheint das Prinzip der ärztlichen Handlungsfreiheit eines zu sein, das vielen «heilig» ist und das kaum jemand umzustossen bereit ist. Steht eine Reformmassnahme im Widerspruch dazu, sinken ihre Erfolgschancen beträchtlich.

Expertise über Parteigrenzehinaus anerkannt

Das Vertrauen in staatliche (oder halbstaatliche) Akteure im Gesundheitswesen ist generell hoch, selbst bei der Ratsrechten. Der Bundesrat und das BAG im Speziellen genies­sen ein generell hohes Vertrauen in Gesundheitsfragen. Regelrechtes Misstrauen schlägt hingegen der Pharmaindustrie und den Krankenkassen entgegen. Vor allem die Ratslinke misstraut diesen Akteuren. Aber auch Ratsmitte und Ratsrechte besitzen vergleichsweise wenig Vertrauen in diese Akteure. Etwas überraschend ist die Bedeutung, welche die ParlamentarierInnen der Expertise parteifremder PolitikerInnen beimessen. Die ausgewiesenen «Gesundheitsspezialisten» im Parlament besitzen also eine Strahlkraft, die über die Parteigrenzen 
hinausgeht.

Krebsprävention als Hausarztsache

Von den einzelnen abgefragten Massnahmen stösst die Forderung nach systematischer, abgegoltener Krebsprävention durch Hausärzte aktuell auf den grössten Anklang. Auch die Forderung nach verbindlichen Krebsscreening-Programmen findet eine (knappe) Mehrheit unter den kantonalen Parlamentarier­Innen.

Indes, die Zustimmung dazu unterscheidet sich zum Teil erheblich zwischen den Kantonen. In (rechts-)bürgerlich dominierten Kantonen wie etwa dem Kanton Zürich verfehlt diese Forderung derzeit eine Mehrheit klar, während sie in den meisten Westschweizer Kantonen wenig umstritten ist.
Generell tendieren National- und Ständerat stärker zum «rechten» Pol bei gesundheitspolitischen Fragen, was im Wesentlichen damit zusammenhängt, dass der rechtsbürgerliche Block im Nationalrat stärker vertreten ist als in den kantonalen Parlamenten.

Pressemitteilung der Forschungsstelle sotomo; www.sotomo.ch