Medical Tribune
26. Mai 2014Hypertensiven Entgleisung

Hochdruckkrise: Was Sie jetzt tun sollten

Eine hypertensive Krise entwickelt sich im Allgemeinen innerhalb von Stunden bis wenigen Tagen, meist bei bereits bekanntem Hochdruck. Per definitionem muss dabei kein definierter Grenzwert überschritten werden. Symptome wie Kopfschmerzen, Schwindel und Übelkeit können bei jüngeren, gefässgesunden Menschen im Rahmen einer hypertensiven Entgleisung bereits bei systolischen Blutdruckspitzen von deutlich < 180 mmHg auftreten, schreiben Professor Dr. Tomas Lenz vom KfH Nierenzentrum Ludwigshafen und Mitarbeiter. Die meisten Betroffenen weisen jedoch deutlich höhere Blutdruckwerte auf.

Angst und Noncompliance als typische Auslöser

Eine Hochdruckkrise ist bei jedem Patienten mit essenzieller oder sekundärer Hypertonie möglich, aber auch bei Menschen mit sonst normalem Blutdruck (Krise z.B. beim Phäochromozytom/Paragangliom). Nicht selten kommt es zur hypertensiven Entgleisung, weil der Patient seine Blutdruckmittel nicht mehr genommen hat oder wenn ein Angstzustand vorliegt. Bei salzsensitiven Menschen kann auch eine aussergewöhnlich salzige Mahlzeit eine Hochdruckkrise auslösen, bei Niereninsuffizienten genügt eine Überwässerung.

Auf Pupillendifferenz, Kraft und Lungenstauung achten!

Symptome wie Kopfschmerzen, Schwindel und Erbrechen sollten Sie an einen kritischen Blutdruckanstieg denken lassen. Fakt ist, dass sich die hypertensive Entgleisung zu einem bedrohlichen Notfall auswachsen kann, bei dem lebensbedrohliche hochdruckbedingte Organschäden hinzukommen (s. Tabelle). Für die Sofort-Diagnostik empfehlen die Autoren folgendes Vorgehen:

  • Blutdruck mehrmals und an beiden Armen messen, Puls tasten.
  • Bei der körperlichen Untersuchung auf Zyanose, Halsvenenstauung und Beinödeme achten.
  • Besteht eine Lungenstauung?
  • Wie ist die Bewusstseinslage? Eventuelle Paresen oder Pupillendifferenz? Grobe Kraft prüfen.
  • Wenn möglich, Fundoskopie durchführen.

Zwar ist bei der hypertensiven Krise bzw. im hypertensiven Notfall eine Blutdrucksenkung notwendig, um die Entstehung oder Verschlimmerung von Organschäden zu verhindern. Doch sollte der Blutdruck in der Regel weder zu rasch noch zu energisch gedrosselt werden, denn dies würde die Hirndurchblutung beeinträchtigen und ischämiebedingte Schäden weiter verschlimmern. Anders ist die Situation, wenn eine Aortendissektion oder ein Lungen­ödem aufgrund eines Linksherzversagens vorliegen In diesen Fällen muss der Blutdruck schnell und deutlich runter.

Für die meisten anderen Patienten gilt, dass der Blutdruck in den ersten Stunden nur um < 25 % gesenkt werden sollte, um eine Minderdurchblutung des Gehirns zu vermeiden. Die Autoren gehen folgendermassen vor:

• Den Patienten mit erhöhtem Oberkörper lagern und beruhigen.
• Nifedipin 5 mg als Zerbeisskapsel oder Nitrendipin 5 mg sublingual verabreichen (cave: beide Substanzen sind kontraindiziert bei akutem Koronarsyndrom!) oder
• Nitrospray 1 bis 3 Hübe applizieren, bei Bedarf wiederholen (besonders geeignet für Patienten mit akutem Koronarsyndrom oder Lungenödem).

Bei einer Blutdruckentgleisung ohne Organschäden kann es ausreichen, eine zuvor abgesetzte Medikation wieder aufzunehmen (beispielsweise bei der "Rebound-Hypertonie" nach Absetzen von Clonidin) oder eine bestehende antihypertensive Behandlung zu intensivieren.

Intravenöse Therapie möglichst in der Klinik

In vielen Fällen lässt sich bei der Hochdruckkrise bzw. beim hypertensiven Notfall aber eine intravenöse Therapie nicht vermeiden – sie sollte möglichst in einer Klinik oder unter intensiver Überwachung erfolgen. Bewährt hat sich beispielsweise die intravenöse Behandlung mit Clonidin, Urapidil oder Dihydralazin, wobei Letzteres auch Schwangeren gegeben werden darf.

Liegt ein Lungenödem oder ein anderer Überwässerungszustand vor, kann bei anhaltend hohen Blutdruckwerten Furosemid in einer Dosis von 20 bis 40 mg intravenös gespritzt werden. Allzu standardisierte Therapieschemata haben sich nicht immer bewährt, warnen die Kollegen und raten, die Therapie vor allem bei schwer kranken Patienten individuell anzupassen.

Patienten mit akuter Linksherzinsuffizienz, akutem Koronarsyndrom oder Verdacht auf Aortendissek­tion sollten Sie stationär einweisen. Ebenso Schwangere sowie Patienten mit Vigilanzstörungen, Paresen oder anderen neurologischen Auffälligkeiten. Wenn Ihre blutdrucksenkenden Massnahmen nicht greifen oder der Blutdruck nach der Therapie rasch wieder ansteigt, ist ebenfalls eine stationäre Behandlung angezeigt.

Tomas Lenz et al., Klinikarzt 2014; 43: 136-139