Medical Tribune
17. Mai 2014Neue Erkenntnisse zum Verlauf der Divertikulitis

Forsche Therapie ist bei Divertikulitis out!

Die klassische Therapie der Divertikulitis bestand in der Gabe von Antibiotika. Kam es zu mehreren Schüben, wurde der divertikeltragende Darmabschnitt entfernt, um eine Perforation zu verhindern. Aber ist dieses Vorgehen heute noch gerechtfertigt? Das Team um Professor Dr. Arden M. Morris von der Universität von Michigan in Ann Arbor hat die Fachliteratur der Jahre 2000 bis 2013 gesichtet und insgesamt 80 Publikationen ausgewertet.

Ärztin hält Anatomisches Modell vom Darm in den Händen
iStock/ericsphotography

Wiederholte Rezidive erhöhen Peritonitis-Risiko nicht

Überraschende Ergebnisse fanden die Autoren zum natürlichen Verlauf der (nicht operativ behandelten) Divertikulitis. Zwei grosse Multicenterstudien ermittelten, dass Rezidive eher selten auftreten und die Mehrheit der Patienten einen benignen Krankheitsverlauf aufweist.

So wurden in einer Kohortenstudie 2366 von 3165 Patienten, die wegen einer akuten Divertikulitis stationär behandelt werden mussten, über 8,9 Jahre nachverfolgt. Lediglich 13,3 % von ihnen erlitten ein Rezidiv und nur 3,9 % ein zweites. Von Letzteren musste kein einziger operiert werden. Im Gegensatz zur bisherigen Auffassung beobachteten die Autoren, dass das Risiko einer septischen Peritonitis bei wiederholten Rezidiven nicht zu-, sondern abnahm.  

Die Operation sichert keine Schmerzfreiheit

Ein weiteres interessantes Ergebnis des aktuellen Reviews ist die Tatsache, dass von Divertikulitis-Rezidiven andere Darmabschnitte befallen sein können als bei der ers­ten Episode.

Die operative Entfernung eines betroffenen Bezirks garantiert also nicht, dass der Patient in Zukunft von Schüben verschont bleibt. Zudem sichert der Eingriff keine Schmerzfreiheit: 5 bis 25 % der operativ behandelten Patienten mit Divertikulitis entwickelten chronische Bauchschmerzen, von den konservativ behandelten Patienten berichteten 20 bis 35 % darüber.

Auch zur konservativen Therapie gibt es Neuigkeiten: Ballaststoffe und Antibiotika sind bei Divertikulitis weniger erfolgreich als bisher angenommen. Und die intravenöse Antibiotikagabe ist der oralen nicht überlegen, sodass eine ambulante Behandlung wohl ausreicht. Auch scheint die viertägige Gabe eines Breitspektrum-Antibiotikums (Ertapenem oder Rifaximin) genauso wirksam zu sein wie eine siebentägige.

Ein Cochrane Review beschäftigte sich mit der antibiotischen Therapie bei akuter unkomplizierter Divertikulitis: Entgegen der bisherigen Auffassung stützen die aktuellen Daten den Einsatz von Antibiotika nicht. Auch andere Untersuchungen kommen zu dem Schluss, dass die Keimkiller keinen Einfluss auf Komplikationen, Op.-Notwendigkeit oder auf Rezidivraten haben.

In einer kleineren Studie erhielten Patienten nach einem ersten Divertikulitis-Schub entweder ein Probiotikum oder Placebo. Zwar berichteten die Probanden aus der Verumgruppe über signifikant weniger Bauchschmerzen, Meteorismus und Fieber, doch die Rezidivrate unterschied sich nicht signifikant.

Zweiter Schub als Indikation für Eingriff ist passé

Da eine chronische Entzündung der Darmschleimhaut von Bedeutung zu sein scheint, wurden auch antiinflammatorische Medikamente untersucht. In einem Head-to-Head-Vergleich erhielten Divertikelkranke entweder eine antientzündliche Therapie mit Mesalazin oder das Antibiotikum Rifaximin.

Nach sechs bis zwölf Monaten wiesen die Patienten aus der Mesalazingruppe signifikant weniger Symptome auf als die antibiotisch behandelten. In einer anderen Untersuchung sank die Rezidivrate von 13 % auf 3 %, wenn die Patienten zusätzlich zu Rifaximin auch Mesalazin bekamen.

Wann muss operiert werden? Bei akuter Divertikulitis mit Sepsis und diffuser Peritonitis oder wenn sich trotz medikamentöser Therapie oder/und perkutaner Drainage keine Besserung zeigt, ist nach wie vor eine Operation indiziert. Ob und wann ein Elektiveingriff bei chronischen oder rezidivierenden Episoden einer unkomplizierten Divertikulitis erfolgen soll, bleibt hingegen umstritten.

Traditionell wurde Patienten nach der zweiten entzündlichen Episode eine Resektion empfohlen, weil man annahm, dass der Erfolg einer konservativen Therapie mit jedem Rezidiv sinkt. Diese Auffassung ist heute überholt und die Autoren empfehlen, die Operationsindika­tion zurückhaltend zu stellen.

Wie entstehen Divertikel?

Veränderungen der Darmmotilität, erhöhter intraluminaler Druck und eine gestörte Mikroumgebung im Kolon scheinen für die Divertikelbildung von Bedeutung zu sein. Bei rezidivierender oder chronischer Divertikulitis konnten ähnliche histologische Veränderungen (z.B. infiltrierende Lymphozyten, Granulome) wie bei entzündlichen Darmerkrankungen und Reizdarmsyndrom nachgewiesen werden. Eine weitere Gemeinsamkeit dieser drei Erkrankungen sind erhöhte Werte an Histamin, TNF-alpha und Matrix-Metalloproteinasen.

Quelle: Arden M. Morris et al., JAMA 2014; 311: 287-297