Medical Tribune
17. März 2014Parkinsonpatienten

Transplantierte Fetalzellen bei Parkinsonpatienten

Alle Zelltherapien des M. Parkinson zielen darauf ab, die zugrunde gegangenen körpereigenen Zellen zu ersetzen. Die "neuen" Zellen sollen schliesslich die Dopaminproduktion übernehmen. Ende der 1980er-Jahre unternahmen schwedische Neurochirurgen derartige Versuche mit fetalem Gewebe aus dem ventralen Mesenzephalon; es ist besonders reich mit dopaminergen Neuroblasten ausgestattet. Daraus stellten die Wissenschaftler eine Zellsuspension her und applizierten diese MRT-gesteuert ins Putamen (und ggf. in den Nucleus caudatus).

Bis Mitte der 1990er Jahre erhielten in Lund 15 Parkinsonpatienten ein solches Fetalzell-Transplantat. Exemplarisch berichten die Forscher über zwei Fälle: Zum Zeitpunkt des Eingriffs waren die Männer 49 bzw. 54 Jahre alt und litten schon seit zehn bzw. zwölf Jahren an der neurodegenerativen Erkrankung.

Beide Parkinsonpatienten sprachen zwar sehr gut auf die L-Dopa-Therapie an, hatten im Verlauf ihrer Erkrankung aber ausgeprägte "On-off"-Fluktuationen und L-Dopa-induzierte Dyskinesien entwickelt, schreibt die Arbeitsgruppe um Dr. Zinovia Kefalopoulou, Institute of Neurology, National Hospital of Neurology and Neurosurgery, London.

Leichte Sprechstörung nach 18 Jahren

Wie aus den klinischen Verlaufsbeobachtungen nach dem Eingriff hervorging, profitierten die zwei Parkinsonpatienten nachhaltig von dem Zellersatz. Bei dem 49-Jährigen besserten sich die motorischen Fähigkeiten so stark, dass er 26 Monate nach der Transplantation Eingriff die L-Dopa-Medikation absetzen konnte. Zu diesem Zeitpunkt waren die "On-off"-Phänomene praktisch verschwunden.

Fünf Jahre nach der Fetalzell-Transplantation konnte der Patient auf sämtliche dopaminergen Wirkstoffe verzichten, ohne dass sich die Motorik wieder verschlechterte. 18 Jahre nach der Fetalzell-Transplantation erreichte der Mann im motorischen Teil der Unified Parkinson’s Disease Rating Scale (UPDRS) 22 Punkte – ohne dop­aminerge Medikation, schreiben die britischen Neurologen. Allerdings fiel seine leise und dysarthrische Sprache auf, Schluckschwierigkeiten bestanden nicht.

Normales Gangbild und erhaltene posturale Reflexe

Ausserdem traten bei dem 49-jährigen Patienten post­operativ Dyskinesien auf, die als sogenannte graft-induced dyskinesias (GID) eingeordnet wurden, berichten die Experten. Diese transplantationsbedingten Dyskinesien waren jedoch wesentlich geringer ausgeprägt als die L-Dopa-induzierten Bewegungsstörungen vor der Operation und sie lassen sich mit Amantadin und Buspiron behandeln.

Auch bei dem zweiten Parkinsonkranken schlug die Fetalzell-Transplantation deutlich an: Er zeigte in den ersten beiden Jahren zwar keine Verringerung der "Off"-Phasen, aber die "On"-Perioden verlängerten sich und die Fluktuationen liessen nach. Mit dem Ergebnis, dass die L-Do­­pa- Medikation zunächst um zwei Drittel reduziert und aufgrund anhaltender Verbesserungen am Ende des vierten Jahres sogar dauerhaft abgesetzt werden konnte.

15 Jahre nach der Fetalzelltransplantion kam der Mann immer noch ohne dop­aminerge Medikation aus, berichten die britischen Experten. Er wies zwar eine geringfügige Rigidität und Bradykinesie auf, aber das Gangbild und die posturalen Reflexe waren normal.

Die zuvor häufig aufgetretenen "Freezing-Phänomene" fanden sich nur noch selten und zu Stürzen kam es überhaupt nicht mehr. Auch die vom Patienten beklagten transplantatinduzierten Dyskinesien waren im Vergleich zu den vorher erlebten massiven L-Dopa-Dyskinesien harmlos, so die Einschätzung der Autoren.

Erfolg durch Transplantation in "jungen" Jahren

Bei kognitiven Leistungstests zeigten beide Männer leichte Einschränkun­gen von Gedächtnis- und Exekutivfunktionen, aber es ergaben sich keine Hinweise auf eine Demenz – die beiden Patienten erreichten im Mini-Mental-Status-Test 30 Punkte.

Auch mittels PET-Dia­gnostik konnte eine Normalisierung der 18F-Dopa-Aufnahme im Striatum nachgewiesen werden – was zu den klinischen Erscheinungsbildern passte. Die britischen Neurologen führen das günstige Ergebnis in diesen zwei Fällen vor allem auf das junge Alter der Patienten zum Zeitpunkt der Fetalzell-Transplantation sowie auf die erhalten gebliebene Dopamin-Aufnahme bzw. -Antwort im Striatum zurück.

Als kritischen "Knackpunkt" der Zelltherapie beim M. Parkinson bewerten sie die durch das Transplantat induzierten Dyskinesien. Diese Bewegungsstörungen waren zwar in den beiden vorgestellten Fällen nur leicht ausgeprägt, können aber betroffene Patienten ausserordentlich stark beeinträchtigen – und gegebenenfalls sogar den Einsatz der tiefen Hirnstimulation erfordern, betonen die Autoren.

Auch die Fetalzellen können erkranken

Ein weiteres Problem der Therapie besteht darin, dass die Parkinsonkrankheit auch auf die transplantierten Zellen übergreifen kann. So liessen sich in Post-mortem-Studien bei 2 bis 8 % der transplantierten Neurone Lewy-Körperchen nachweisen. Ausserdem enthielten 80 % der transplantierten Zellen Alpha-Synuclein, was auf eine vorzeitige Alterung hinweist. Anderen Studiendaten zufolge verringerte sich zudem die Konzentration des Dopamin-Transporters.

Die Londoner Neurologen gehen davon aus, dass derartige, in Studien nachgewiesene Veränderungen auch bei ihren Patienten vorliegen – aber die Fetalzelltransplantate trotzdem funktionieren. Dieses Ergebnis spreche dafür, dass die Zelltherapie die negativen Folgen des Morbus Parkinson kompensieren könne.

Quelle: Zinovia Kefalopoulou et al., JAMA Neurology 2013; online first