Medical Tribune
28. Sept. 2013Burning-Mouth-Syndrom

Brennen im Mund – was steckt dahinter?

Vorrangig Frauen um die 60 Jahre klagen über Mundbrennen. Doch für diese Beschwerden lassen sich oft keine objektiven Anzeichen feststellen, schreiben Dr. Carlos Madrid von der Policlinique Médicale Universitaire in Lausanne und Kollegen. Das als "Burning-Mouth-Syndrom" (BMS) bezeichnete Einzelsymptom manifestiert sich am häufigsten an der Zunge.

Bei Brennschmerz im Mund die Hirnnerven untersuchen

Oft finden sich auch veränderte Geschmacksempfindungen und sensorische Störungen (s. Kasten), was den Verdacht fälschlicherweise auf ein neurologisches Leiden lenkt. Das Burning-Mouth-Syndrom gehört jedoch zu den primären oder idiopathischen Stomatodynien. Die Diagnose wird gestellt, wenn trotz subjektiver Beschwerden klinisch objektivierbare Läsionen in der Mundhöhle fehlen und die neurologische Untersuchung der motorischen und sensiblen Hirnnerven im Kopf- sowie Halsbereich unauffällige Befunde zeigt. Bei rascher Diagnose bleiben den Patienten viele unnötige Untersuchungen erspart, so die Empfehlung der Autoren.

Echte Stomatodynie oder projizierter Schmerz?

Zur Wirksamkeit von therapeutischen Massnahmen ist die Datenlage beim BMS spärlich. Offenbar sprechen Betroffene gut auf eine langfristige Behandlung mit Antikonvulsiva an. Auch geringe Dosen von Amitriptylin haben sich als wirksam erwiesen, obwohl die Substanz das Gefühl von Mundtrockenheit verstärken kann, schreiben die Experten.

Von den primären sind sekundäre Stomatodynien abzugrenzen. Letztere unterteilt man anhand der Ursache in lokale oder systemische Formen. Schmerzhafte Zahnerkrankungen – ggf. mit Ausstrahlung – zählen zu den lokalen Stomatodynien. Doch Vorsicht: Neuropathien, Myalgien und vaskulär bedingte Schmerzen können auch in den Zahnbereich projiziert werden und so den Diagnostiker "verwirren", warnen die Spezialisten. Sehr schmerzhaft sind auch Gingivitiden, Stomatitiden, Herpes- sowie Candida-Infektionen oder der Lichen planus – und kommen somit differenzialdiagnostisch als Schmerzauslöser in Betracht.

Besonders tückisch ist, dass sich hinter orofazialen Beschwerden  auch Übertragungsschmerzen verbergen können. Der Grund: Die Hirnnervenpaare V, VII, IX und X verlaufen im Nucleus spinalis des Trigeminus, dem anatomischen Korrelat dieser Schmerzen, zusammen. So kann z.B. ein vom Herzmuskel ausgehender pektanginöser Schmerz im Kieferwinkel oder an den mandibulären Molaren wahrgenommen werden. Zahnschmerzen dieses Typs verschlimmern sich bei Anstrengung und lassen in Ruhe nach: Bessert sich der Schmerz nach Nitrogabe, muss weitere kardiale Diagnostik erfolgen.

Streifenmuster spricht für oralen Lichen planus

Als systemische Ursachen von sekundären Stomatodynien kommen hingegen rheumatoide Arthritis, Psoriasisarthritis und Lupus erythematodes in Betracht. Bei diesen Erkrankungen sind oft auch die Kiefergelenke befallen – was zu muskuloskelettalen Schmerzen im Mundbereich und im Gesicht führt. Weitere Differenzialdiagnosen sind Fibromyalgie, Lyme-Erkrankung (schmerzhafte Kaumuskulatur), Multiple Sklerose (Trigeminusneur­algie) und ein Vitamin-B12-Mangel mit atrophischer Glossitis.

Falls der Blick in die Mundhöhle eines Patienten streifen- bzw. netzartige Muster auf der Wangenschleimhaut, dem Zungenrücken oder Zahnfleisch offenbart, besteht Verdacht auf einen oralen Lichen planus (OLP). Der OLP in der Mundhöhle erscheint oft als hyperkeratotische Stomatitis mit nahezu pathognomonischen Wickham-Streifen, schreiben die Kollegen. Die Läsio­nen finden sich meist beidseitig, aber nicht zwingend symmetrisch. Der Verlauf des oralen Lichen planus gilt als chronisch mit geringem Malignitätsrisiko.

Therapeutisch geht es zunächst darum, mögliche Risikofaktoren für lichenoide Reaktionen auszuschalten. Von den in der Zahnheilkunde eingesetzten Materialien sind den Experten zufolge diesbezüglich z.B. Amalgam, Kompositfüllungen und Kobalt relevant. Behandelt werden Lichen-planus-Patienten mit topischen Dermokortikoiden oder Immunsuppressiva. Bei 47–75 % der Patienten erzielt man damit eine komplette Remission.

Carlos Madrid et el., Schweiz Med Forum 2013; 25: 499-504