Digitalisierung optimiert Studien
Vor allem in der zweiten und dritten Phase klinischer Studien kostet die Zulassung eines neuen Medikaments viel Zeit und Geld. Mithilfe moderner Digitaltechnologien lassen sich die klinischen Tests erheblich beschleunigen und gleichzeitig valider machen. Last, but not least wirkt sich die Unterstützung durch Smartphones, Wearables und Web-basierende Tagebücher auch positiv auf die Motivation der Studienteilnehmer aus – so lässt sich die Studie bequem von zu Hause aus weiterführen.
Besonders aufwenidig ist die Phase-III. Vor allem drei Faktoren spielen hier eine Rolle: Geschwindigkeit, Prozesssicherheit und Datenqualität. Die sogenannte Patienten-Journey verlangt den Probanden Einiges ab und beginnt bereits bei Suche nach einer geeigneten Studie und der häufig komplizierten Bewerbung um eine Teilnahme.
Mit digitaler Unterstützung lässt sich diese Reise bequemer gestalten, angefangen von der Teilnehmerwerbung in sozialen Medien und der Online-Registrierung per Mausklick über eine durch das Internet of Things (IoT) unterstützte Datenerfassung mit Wearables bis hin zur Auswertung der Ergebnisse mit Big Data Analytics, künstlicher Intelligenz und Machine Learning.
Vom Patienten ermittelte Messdaten sind erheblich exakter, wenn dieser sie nicht selbst erfasst. Es gibt bereits zahlreiche Möglichkeiten zur passiven Aufzeichnung der Biomarker wie Herz- und Atemfrequenz oder körperliche Bewegung. Beispielsweise können Heftpflaster und auf die Haut geklebte Sensoren die Daten sogar ohne Zutun des Patienten an eine IoT-Plattform übermitteln.
Mit der Hilfe digitaler Analytik lässt sich zum Beispiel die Zusammensetzung einer klinischen Studiengruppe anhand genomischer Daten auf einen bestimmten Forschungszweck zuschneiden. Durch die Kombination von historischen Daten und aktuellen Informationen aus der realen Welt offenbaren sich Probleme – bis hin zu einem möglichen Scheitern der Studie –, bevor allzu viel Zeit und Geld verbrannt ist.
Fortgeschrittene Datenanalysen im Verein mit Hochleistungsrechenkapazitäten dürften langfristig auch einen grossen Teil der Studien mit realen Patienten überflüssig machen. So ist es schon heute möglich, die Entwicklung unterschiedlicher Krankheitsbilder und deren Begleiterkrankungen anhand digital erzeugter «Patienten» zu simulieren.
Für solche Simulationen müssen jedoch extrem viele Daten aus unterschiedlichen Quellen zusammengefügt werden. Das ist vor allem deshalb schwierig, weil es der Medizinwelt an verbindlichen Standards für Datenformate mangelt: Bezüglich der Echtwelt-Daten hat sich das FHIR-Format durchgesetzt (Fast Healthcare Interoperability Resources), für Beobachtungsdaten hingegen ist das OMOP-Format üblich (Observational Medical Outcomes Partnership). Hinzu kommen die Anforderungen an den Schutz personenbezogener Daten, die von Land zu Land variieren. Wer sich mit virtuellen klinischen Studien beschäftigt, sollte deshalb besonderes Augenmerk auf eine einheitliche und sichere Datenplattform richten.
Service-Plattformen steuern die Prozesse
Spätestens an dieser Stelle empfiehlt es sich, einen spezialisierten Dienstleister zu involvieren. Dieser kann beispielsweise eine App zur Unterstützung der Studie entwickeln, die Verwaltung der Geräte übernehmen, den Helpdesk betreiben sowie eine Cloud-basierende Analyse-Plattform für die App-Daten und andere Informationen bereitstellen.
So lassen sich etwa auch Studienteilnehmer aufnehmen, die gerade eine Covid-Quarantäne absolvieren. Sie erhalten ein Kit mit digitalem Thermometer, Pulsoximeter, Smartphone, App und Anleitung in ihrer Muttersprache. Die App erinnert den Patienten, wann er welche Werte messen oder das Medikament einnehmen soll. Alle Geräte sind mit einer IoT-Plattform verbunden, welche die Daten in Echtzeit analysiert und bei Bedarf den Arzt benachrichtigt.
In zehn Jahren werden klinische Studien völlig anders ablaufen als heute: Im Zentrum steht dann eine Service-Plattform, die zahlreiche patientennahe Geräte sowie Digitaltechnologien integriert und die Messdaten blitzschnell, exakt und datenschutzkonform analysiert. Computer-Simulationen werden viele Tests mit realen Personen ersetzen und die Zulassung von Impfstoffen und Medikamenten enorm beschleunigen.