Medical Tribune
26. Nov. 2024Oft lässt erst der Eisenmangel Betroffene mit starken Blutungen Hilfe suchen

Abnorme uterine Blutungen diagnostizieren und behandeln

Abnorme uterine Blutungen sind häufig, aber oft unzureichend diagnostiziert. Dr. Noëmi Allemann, Oberärztin am Inselspital Bern, beschreibt, welche Störungen dahinterstecken, und wie diese behandelt werden können.

Unter dem Überbegriff "abnorme uterine Blutung" werden mehrere Blutungsstörungen zusammengefasst.
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Umfragen zufolge erleben rund ein Drittel der Frauen im Alter von 18 bis 57 Jahren mindestens einmal im Leben eine abnorme uterine Blutung (AUB).

Doch nur knapp die Hälfte der Betroffenen sucht ärztliche Hilfe auf, betont Dr. Noemi Allemann, Oberärztin an der Universitätsklinik für Frauenheilkunde am Inselspital Bern an einem Vortrag (1). Zum Arzt gehen würden viele erst dann, wenn Folgeprobleme entstanden sind.

Dazu gehört etwa die Eisenmangelanämie, die bei rund 60 Prozent der Frauen nach einer AUB auftritt.  

Was ist eine abnorme uterine Blutung? 

Um eine abnorme uterine Blutung handelt es sich dann, wenn die Menstruationsblutung in Dauer, Frequenz, Stärke oder Regelmässigkeit vom normalen Zyklusmuster abweicht.

Eine häufige Form der AUB ist etwa das Heavy Menstrual Bleeding (HMB), eine übermässig starke Menstruationsblutung. Diese wurde vor der systematischen AUB-Klassifikation durch die Internationale Vereinigung für Gynäkologie und Geburtshilfe (FIGO) im Jahr 2011 auch noch als «Hypermenorrhoe», «Menorrhagie» oder «Polymenorrhoe» bezeichnet, erklärt Dr. Allemann.

Wann ist eine Blutung «normal? »

«Viele Frauen kennen ja nichts anderes und empfinden ihre Blutung als normal» sagt Dr. Allemann. Ob eine zu starke Blutung vorliegt, ist daher oft schwer festzustellen. Der Richtwert einer «normalen» Blutungsmenge einer Menstruationsblutung beläuft sich auf rund 60 bis 80 Milliliter. Diese Menge ist im Alltag schwer zu messen. Einfacher wird die Einschätzung für Frauen, die Menstruationstassen verwenden, da sie die genaue Blutmenge besser beurteilen können.

Ein praktikabler Ansatz ist es allerdings auch, die Stärke der Menstruationsblutung an der Häufigkeit des Wechsels von Menstruationsprodukten wie Binden und Tampons festzumachen. Ein häufiger Wechsel – beispielsweise öfter als alle zwei Stunden – kann ein Hinweis auf ein Heavy Menstrual Bleeding sein. Auch die Bildung von Blutkoageln in der Menstruationsblutung ist ein Warnzeichen.

Definition und Klassifikation abnormer Blutungen

Die FIGO-Klassifikation unterteilt AUB in zwei Hauptkategorien: Die chronische und die akute AUB.

Eine chronische AUB liegt dann vor, wenn die Blutungsanomalie regelmässig über mindestens sechs Monate besteht.

Eine akute AUB ist hingegen eine plötzlich auftretende starke Blutung, die einer sofortigen medizinische Intervention bedarf, um grösseren Blutverlust zu verhindern.

Ursachen für ungewöhnlich starke Blutungen

Die Ursachen abnormaler Blutungen sind vielfältig und werden gemäss FIGO in strukturelle und nicht-strukturelle Faktoren unterteilt (siehe Kasten «Ursachen von abnormen uterinen Blutungen»).

Neben strukturellen Ursachen für AUB wie Polypen und Myomen können dabei auch hormonelle Dysbalancen dahinterstecken, die häufig in Form von Ovulationsstörungen auftreten. Diese sind vor allem in der Pubertät und in der Prä- oder Perimenopause verbreitet, und können zu akuten intrauterinen Blutungen führen.

Dr. Allemann erklärt, dass in solchen Fällen häufig anovulatorische Zyklen (Zyklen ohne Eisprung) oder frühzeitige Ovulationen (Luteal-out-of-phase-Zyklen) vorliegen. Dabei kommt es zu einer Östrogendominanz und einer kontinuierlichen Stimulation des Endometriums. Letztlich kann dies zu einer instabilen Schleimhaut führen, die schliesslich in eine starke Durchbruchsblutung mündet.

Häufig durch Einnahmefehler hormoneller Präparate verursacht

Ein häufiger Auslöser für AUB sind hormonelle Verhütungsmittel, deren falsche Anwendung oft zu Blutungsstörungen führt. So können etwa Einnahmefehler oder zu niedrige oder zu hohe Dosierungen der Wirkstoffe bei kombinierten oralen Kontrazeptiva und Gestagen-Only-Präparaten Blutungsstörungen begünstigen.

Abhilfe schaffen kann der Wechsel auf ein Präparat mit einem anderen Gestagen oder einem anderen Ethinylestradiol-Anteil bei kombinierten oralen Kontrazeptiva.

Bei Patientinnen, die ein Gestagen-Only-Depot-Präparaten verwenden, treten Blutungsstörungen häufig aufgrund einer mangelhaften Endometriumstabilität auf. Ein transdermales Östrogen für drei Monate oder die Gabe eines NSAR können die Situation verbessern.

Neben Verhütungsmitteln können auch trizyklische Antidepressiva und möglicherweise auch die neuen Antidiabetika (GLP-1-Agonisten) Einfluss auf den Zyklus nehmen.

Koagulopathie-bedingte Blutungsstörungen

Die Häufigkeit von Koagulopathien (Gerinnungsstörungen) ist bei Patientinnen mit AUB hoch. Studien zeigen, dass bei rund 13 Prozent der betroffenen Frauen eine Gerinnungsstörung vorliegt. Diese sollte in der Diagnostik berücksichtigt werden, besonders, wenn bereits in der Familienanamnese Hinweise auf Blutungsstörungen vorliegen.

Eine vollständige hämatologische Abklärung ist jedoch nur dann erforderlich, wenn die Blutungsneigung die Patientin erheblich beeinträchtigt oder ein Kinderwunsch besteht.

Ursachen von abnormen uterinen Blutungen

Hinter einer abnormen Blutung können unterschiedliche Ursachen stecken; die FIGO unterscheidet dabei in ihrer Klassifikation zwischen strukturellen und nicht strukturellen Ursachen. 

Strukturelle Ursachen (PALM)
Strukturelle Ursachen
können in der Regel durch bildgebende Verfahren dargestellt werden. Dazu gehören

  • Polypen (AUB-P): Gutartige Neoplasien des Endometriums
  • Adenomyose (AUB-A): Einwachsen des Endometriums in das Myometrium
  • Leiomyome (AUB-L) (Myome, Uterusfibrome): Benigne Tumoren in der Gebärmutterwand
  • Malignome und Hyperplasie (AUB-M): Maligne Tumoren oder eine übermässige Verdickung der Gebärmutterschleimhaut

Nicht-strukturelle Ursachen (COEIN)

Nicht-strukturelle Ursachen sind oft funktionell oder systemisch bedingt und schwerer diagnostizierbar:

  • (C)Koagulopathie (AUB-C): Blutgerinnungsstörungen
  • Ovulationsstörungen (AUB-O): Hormonelle Störungen des Menstruationszyklus
  • Endometriumstörungen (AUB-E): Dysfunktionen der Gebärmutterschleimhaut
  • Iatrogene Ursachen (AUB-I): Blutungen, die durch Medikamente oder medizinische Eingriffe verursacht werden, wie etwa hormonelle Verhütungsmittel oder Gerinnungshemmer.
  • Nicht anders klassifizierte Ursachen (AUB-N): Ursachen, die keiner der anderen Kategorien zugeordnet werden können (z.B. AV- Malformationen, Isthmozelen).

Wie wird diagnostiziert?

Die Diagnostik der AUB beginnt mit einer ausführlichen Anamnese. Diese sollte neben der Zyklus- und Medikamentenanamnese auch die familiäre Krankengeschichte umfassen. Liegen beispielsweise Gerinnungsstörungen oder andere genetisch bedingte Risiken vor, könnte dies ein Hinweis auf die Ursache der AUB sein. Eine zusätzliche Dysmenorrhoe kann zudem auf eine Adenomyose hinweisen.

Eine gründliche körperliche Untersuchung und ein transvaginaler Ultraschall ergänzen die diagnostische Abklärung, insbesondere bei Verdacht auf strukturelle Blutungsursachen wie Myome. Weiterführende bildgebende Verfahren wie die Magnetresonanztomografie (MRT) oder eine Biopsie können dann hilfreich sein, wenn der Befund weiterhin unklar bleibt.

Ein Blutbild sollte dann gemacht werden, wenn etwa eine sekundäre Eisenmangelanämie vermutet wird.

Therapie

 Je nach Ursache gibt es unterschiedliche Therapiemöglichkeiten. So stehen bei Ovulationsstörungs-bedingten AUB kombinierte orale Kontrazeptiva, Gestagen-Only-Präparate oder Gestagen in der zweiten Zyklushälfte zur Verfügung.

Besonders bei Endometriumsstörungen finden nicht-steroidale Antirheumatika wie Ibuprofen Anwendung, um die Prostaglandinproduktion zu senken, und die Stabilität des Endometriums zu verbessern. «Das wirkt in erster Linie etwas kontraintuitiv, weil NSAR ja auch die Thrombozytenaggregation hemmen» sagt Dr. Allemann. «In diesem Fall zielen wir aber auf die Hemmung der Prostaglandine ab.»

In akuten Fällen ist unter Umständen eine chemische oder chirurgische Kürettage erforderlich, um die Blutung zu kontrollieren.

Ein ergänzender Therapieansatz für manche Blutungsstörungen ist die Verwendung von Mönchspfeffer (Vitex agnus-castus). Die Wirkstoffe aus dem Phytotherapeutikum wirken auf das Dopaminsystem und fördern die Ausschüttung von Progesteron, was die Stabilität der zweiten Zyklushälfte verbessern kann. Dr. Allemann betont jedoch, dass Mönchspfeffer zwar oft als erstes eingesetzt wird, aber nicht bei allen Ursachen der AUB gleich wirksam ist. Die Expertin empfiehlt daher immer eine individuell abgestimmte Therapie.