Medical Tribune
26. Sept. 2022Konzeptionsberatung

Verhütung ja, aber bitte hormonfrei

Immer mehr Frauen lehnen die hormonelle Kontrazeption ab. Hormonfreie Möglichkeiten zur Verhütung gibt es viele; darunter die Kupferspirale. Aber auch diverse Apps können bei den Bei der «natürlichen» Familienplanung unterstützen. Eine Expertin erklärt, wie Ängste und Wünsche hinsichtlich Kontrazeption individuell mit den Frauen besprochen werden können.

Immer mehr Frauen verlassen sich lieber auf eine App als auf die Pille
SeventyFour/gettyimages

Immer mehr Frauen verlassen sich lieber auf eine App als auf die Pille.

Bei der Kontrazeptionsberatung findet sich zunehmend eine Ablehnung hormoneller Varianten. «Dahinter stecken oft Ängste vor bekannten Risiken kombinierter oraler Kontra­zeptiva, aber auch ein neues Körperbewusstsein mit dem Wunsch, keine künstlichen Hormone einzunehmen», erklärt Dr. Christiane Kluckert-Tomm niedergelassene Gynäkologin mit einer Praxis in St. Gallen.*

«Viele Patientinnen setzen deshalb die Pille ohne Rücksprache mit ihrer Gynäkologin ab.»

«Pille danach» von Hormon-Ablehnung ausgenommen?

Dabei scheint es sich nicht um eine generelle Ablehnung, sondern eher um eine Unsicherheit zu handeln: In einer Umfrage mit 30.000 Frauen sagten 51 Prozent aus, die Pille verändere ihr Körpergefühl – Sorgen wegen objektivierbarer Probleme machten sich dagegen nur neun Prozent.

«Patientinnen informieren sich in den sozialen Medien und kommen bereits mit einer gefestigten Meinung in die Sprechstunde. Während aber paradoxerweise ein gewisse Vorsicht vor Hormonen besteht, steigt die Nachfrage zur ‹Pille danach› an», so Dr. Kluckert-Tomm.

Korrekte Anwendung ist ein Muss

Wie hoch die Sicherheit eines Präparates ist, hängt unter anderem davon ab, wie gut die vorgeschriebene Anwendung einer Verhütungsmethode eingehalten wird. Diese ist beispielsweise beim Kondom für viele Patientinnen nicht trivial: Das Kondom soll mit sauberen Händen angefasst werden und darf mit der Aussenseite nicht mit Sekreten des Penis in Berührung kommen. Aber auch bei anderen hormonfreien Methoden wie dem Femidom und dem Diaphragma ist die korrekte Anwendung ein Muss, um die Sicherheit zu gewährleisten. Kupferspiralen stellen eine sichere Möglichkeit dar. Sie sind jedoch in der Schweiz im internationalen Vergleich nicht weit verbreitet.

Auch bei der natürlichen Familienplanung müssen Frauen die Methode meist erst einmal erlernen. Viele wenden für ihre Verhütung Zyklus-Apps an, die momentan zu den erfolgreichsten Gesundheits-Apps überhaupt zählen. Kritik gibt es bei den Apps aber leider oft aufgrund des fehlenden Datenschutzes. Zudem ist die Methode, prospektiv Ovulationen mit retrospektiven Daten vorauszusagen, als eher unsicher zu bewerten.

Zyklus-Computer hingegen gibt es schon länger, diese funktionieren via Messung der Basalkörpertemperatur in Kombination mit zusätzlichen Parametern – auch eine Kopplung mit Apps ist hier möglich. Eine Erweiterung der Zyklus-Computer besteht in Armbändern, die nachts getragen werden, und zusätzlich zur Basaltemperatur auch noch andere Parameter wie den Puls und die Herzfrequenz erfassen – mit ihnen lassen sich Ovulationen noch präziser vorhersagen. Ein Nachteil all dieser Geräte ist, dass sie meist sehr teuer in der Anschaffung sind. Zudem gibt es oft nur wenig objektive Bewertungen, da im Internet zugängliche Reviews oft von bezahlten «Influencern» geschrieben werden. Leserinnen ist dies meist nicht bewusst.

Frauen gut über Optionen der Verhütung aufklären

Gynäkologen und Gynäkologinnen sollten Frauen die Wirkungen und Nebenwirkungen von hormonellen und nichthormonellen Verhütungsmethoden gut erklären. Durchaus darauf hinweisen darf man, dass Hormone, die in Verhütungsmitteln wie der Pille eingesetzt werden, oft auch therapeutisch genutzt werden, beispielsweise zur Behandlung einer Dysmenorrhoe oder Hypermenorrhoe. Darüber hinaus ist erwiesen, dass sie bei längerer Einnahme das Risiko für Ovarial- und Endome­triumkarzinom verringern können.

Für Frauen, die die Kombinationspräparate mit Östrogen und Gestagenen ablehnen, könnten auch Gestagen-Monopräparate eine Option sein. Diese weisen im Gegensatz zu den «Kombipillen» nach aktueller Datenlage kein erhöhtes Thromboserisiko auf (Ausnahme: Dreimonatsspritze). Auch darüber sind die Frauen in der Sprechstunde zu informieren.

*Jahreskongress der gynécologie suisse 2022