Medical Tribune
21. Nov. 2016Die Wundreinigung

Chronische Wunden – vier Auflagen reichen

In der hausärztlichen Praxis finden sich chronische Wunden besonders häufig in Form von Ulzera cruris (venös oder arteriell), Dekubitalgeschwüren und dem diabetischen Fuss. Von chronisch spricht man, wenn es innerhalb von acht Wochen nicht zur Abheilung kommt. Wundauflagen können diesen Prozess zwar fördern, ein dauerhafter Erfolg gelingt aber nur mit einer entsprechenden Kausaltherapie, also z.B. Kompression beim venösen Ulkus, erklärte Dr. Stephan Fuchs, Allgemeinmediziner am Universitätsklinikum Halle.

Reinigen und saubere, rot leuchtende Wunde anstreben

Lokaltherapeutisch steht die Wundreinigung mit einem ausgiebigen Débridement an erster Stelle. Welche Methode (chemisch oder chirurgisch) sich am besten eignet, ist bisher nicht geklärt. Man strebt eine saubere, rot leuchtende Wunde an, so Dr. Fuchs. Falls dies schmerzbedingt primär nicht gelingt, bittet der Kollege seine Patienten, zwei Stunden vor der nächsten Sitzung z.B. 30 Tropfen Metamizol einzunehmen.

Zur regelmässigen Wundreinigung kommen grosszügige Spülungen beispielsweise mit physiologischer Kochsalzlösung zum Einsatz. Diese mindern durch den Verdünnungseffekt nachhaltig die bakterielle Besiedlung. Die international übliche Spülung mit Leitungswasser ist hierzulande nicht erlaubt, da nur sterile Materialien in Wunden eingebracht werden dürfen. Auf Antiseptika sollte man angesichts der nicht nachgewiesenen Wirksamkeit verzichten. Sie können dem Patienten zudem Schmerzen zufügen und Zellschäden verursachen.

Hydrogel unterstützt den Abbau von Nekrosen

Auf der Suche nach geeigneten Wundauflagen durchforsteten Dr. Fuchs und seine Kollegen von der Sektion Allgemeinmedizin der Universität Halle-Wittenberg die aktuelle Studienlage. Sie kamen zu dem Schluss, dass der Hausarzt nur vier Auflagen braucht:

  • Schaumstoffverbände saugen das Exsudat auf, polstern und wirken thermoisolierend. Eine Silikonbeschichtung verhindert Verkleben am Wundgrund. Bei einem Mangel an Exsudat kann es zu Austrocknung kommen, bei einem Überschuss besteht Mazerationsgefahr. Damit Ober- und Unterseite nicht verwechselt werden, verordnet Dr. Fuchs Auflagen mit Haftrand.
  • Hydrogel kann aufgrund seines hohen Wasseranteils Feuchtigkeit an die Wunde abgeben und unterstützt den Abbau von Nekrosen. Es eignet sich vor allem zur Befeuchtung von Wunden mit wenig Exsudat.
  • Alginate wirken wundreinigend und können viel Exsudat aufnehmen. Das aus Braunalgen hergestellte Material wird als Füller für tiefe Wunden genutzt.
  • sterile Kompressen können zum Abdecken genutzt werden, bei zu viel Exsudat droht Mazeration, bei zu wenig Sekretion die Austrocknung, ausserdem können Kompressen mit der Wunde verkleben.

Zur Orientierung hat das Allgemeinmediziner-Team einen Wundauflagen-Leitfaden entwickelt, kurz WAL genannt. Die Wunden werden nach Farbe (schwarz, gelb, rot), Tiefe und Ausmass der Sekretion geordnet (s. Tabelle). Als Beispiel wählte Dr. Fuchs eine überwiegend gelbe Wunde. Bei geringer Sekretion genügt ein Hydrogel zum Befeuchten (mit Spatel auftragen), darüber kommt ein Schaumstoffverband. Bei mässiger Sekretion genügt "Schaumstoff", eine tiefe Wunde wird mit Alginat gefüllt (darf nicht über den Wundrand hinausragen) und mit Schaumstoff abgedeckt.

Bei starker Sekretion und flacher Wunde reicht ebenfalls Schaumstoff (häufig wechseln). Tiefe Wunden brauchen eine Alginatfüllung, die das Sekret zum Schaumstoff weiterreicht (Dochtwirkung), vollgesogen mit Sekret ähnelt Alginat mitunter einem gelblichen Gel (nicht mit Eiter verwechseln).

Vollgesogenes Alginat nicht mit Eiter verwechseln

Nach zwei bis drei Verbandwechseln sollte sich die gelbe Wunde in eine rote verwandelt haben. Bei den sog. schwarzen Wunden unterscheidet man solche ohne Sekret (z.B. Fersennekrose), die mit Kompressen trocken gehalten werden muss, von der feuchten Gangrän (chirurgische Sanierung).

Spezialfällen vorbehalten bleiben Aktivkohle-Verbände: Sie ermöglichen eine effektive Geruchsbindung bei stinkenden Wunden. Nicht mehr verwendet werden sollen silberhaltige Wundauflagen, erklärte Dr. Fuchs. Sie verbessern die Wundreinigung nicht. Auf Hydrokolloidverbände verzichtet der Kollege ebenfalls: Sie seien etwa so wirksam wie Schaumstoffauflagen, würden den Patienten aber häufiger Beschwerden bereiten.

Zum Schutz des Wundrandes sollte die Auflage möglichst gut passen. Eine Austrocknung lässt sich mit Vaseline verhindern, die Mazeration mit Zinksalbe. Was die Abheilung anbetrifft, empfiehlt Dr. Fuchs, chronischen Wunden Zeit zu lassen, Verbände atraumatisch zu wechseln und erst, wenn es nötig ist. Alginat z.B. kann durchaus eine Woche liegen. Hilfreich für die Einschätzung ist die fotografische Dokumentation (s. Kasten). Falls sich nach sechs bis acht Wochen nichts verändert hat, müssen Diagnostik und Therapie noch einmal überprüft werden.

Quelle: 41. practica