Medical Tribune
13. Okt. 2017Medikamente bei Alkoholkrankheit

Hopfen und Malz sind noch nicht verloren

«Krücken laufen auch nicht von allein», meinte Professor Dr. Norbert­ Wodarz, Leiter der Abteilung für Suchtforschung der Universität Regensburg. Die zugelassenen Medikamente zur Rezidivprophylaxe und Trinkmengenreduktion sind für ihn mit solchen Krücken vergleichbar, als eine Ergänzung der übrigen Therapiemöglichkeiten.

Das älteste Medikament zur Rückfallprophylaxe ist Disulfiram, das die Aldehyddehydrogenase blockiert. Die dadurch nach Alkoholkonsum entstehenden Intoxikationen schienen unter kon­trollierten Bedingungen durchaus abschreckend zu wirken. In der Praxis funktionierte es jedoch nicht. «Das nahm keiner», stellte der Referent klar. In der Schweiz ist das Medikament derzeit zugelassen, in Deutschland wurde die Zulassung 2011 zurückgezogen.

Schlechte Compliance bei Acamprosat

Für Acamprosat liegt eine Zulassung für die Aufrechterhaltung der Abstinenz in Kombination mit psycho- und sozio­therapeutischen Massnahmen vor. Die Zahl der zu behandelnden Patienten (Number needed to treat, NNT), um einen Rückfall zu verhindern, bezifferte Prof. Wodarz auf 9.

Die Trinkmenge reduzierte das Medikament in Studien aber nicht. Zudem limitiert die geringe Bioverfügbarkeit der Substanz die Compliance: Die massive Ausscheidung über den Darm wirkt wie ein Laxanz, Diarrhö und Flatulenz treten häufig auf.

Belohnungshemmer zur Rückfallprophylaxe

Weil die Alkoholabhängigkeit die Dichte der Opiatrezeptoren erhöht und diese mit der Craving-Intensität in Krisensituationen korreliert, wurde der Opiatrezeptorantagonist Naltrexon für die Rückfallprophylaxe der Alkoholkrankheit entwickelt. Er soll die belohnende Alkoholwirkung blockieren. Auch hier nannte Prof. Wodarz eine NNT von 9. Zugelassen ist der Wirkstoff zur Aufrechterhaltung der Abstinenz im Rahmen eines umfassenden Suchtbehandlungskonzepts.

Vor allem schwere Rückfälle mit mehr als fünf Standarddrinks und die Trinkmenge reduzierten sich in Studien. Als limitierend nannte der Suchtforscher vor allem die dosisabhängige Hepatotoxizität.

Nalmefen beim Warten auf einen Therapieplatz geeignet

Nalmefen, ein dem Naltrexon verwandter Opiatantagonist, ist in der Schweiz seit 2014 zur Trinkmengenreduktion zugelassen. Betroffene sollen es einnehmen, wenn sie ein Craving verspüren. Als Vorteile gegenüber Naltrexon nannte Prof. Wodarz eine längere Halbwertszeit, eine höhere orale Bioverfügbarkeit und eine fehlende dosis­abhängige Lebertoxizität. In der Zulassungsstudie brachen allerdings 22,8 % der Patienten die Therapie wegen Nebenwirkungen ab. Der Einsatz sollte bei hohem Risiko-Trinkniveau – mehr als 60 g reiner Alkohol/Tag bei Männern bzw. mehr als 40 g bei Frauen – zur Hinführung zur Abstinenz erfolgen, z. B. wenn Betroffene auf einen Therapieplatz warten. Die Behandlung erfolgt drei Monate, kann in begründeten Ausnahmefällen aber um drei Monate verlängert werden.
Die absolute Trinkmengenreduktion in der Zulassungsstudie findet der Referent aber relativ gering, und Patienten mit Trinkmengen, wie sie in seinem klinischen Alltag vorkommen, wurden gar nicht untersucht. Die Tagestherapiekosten sind höher als die aller bisher genannten Medikamente.

Mit Baclofen vorsichtig an die Höchstdosis rantasten

Bei Baclofen zur Trinkmengenreduktion herrscht noch Uneinigkeit. «Es gibt sehr fanatische Anhänger», meinte Prof. Wodarz. Inzwischen liess sich für eine Dosis von 160–240 mg ein Effekt nachweisen. Nach Erfahrung des Kollegen gibt es Patienten, bei denen die Substanz wirkt. Der Suchtmediziner rät, sich im Vorfeld gut zu informieren und individuell vorsichtig an die Höchstdosis heranzutasten. Sein Fazit: «Unsere Erfahrungen mit Baclo­fen sind jedoch nicht besser als die mit den anderen Medikamenten.» In der Schweiz ist Baclofen nicht für die Alkoholrückfallprophylaxe zugelassen.

123. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin