Medical Tribune
11. Aug. 2013Die Kommunikation mit dem Patienten

Erfolgreiche Gespräche mit den Patienten

"Sie haben Angst vor der Chemotherapie? Das brauchen Sie nicht, es gibt heute gute Mittel gegen das Brechen!" Ärzte neigen dazu, fachlich zu argumentieren, so die Erfahrung des Kommunikationsprofis Professor Dr. Matthias Volkenandt. Das kommt nicht gut bei Patienten an, sie bevorzugen es, wenn Ärzte empathisch mit ihnen "tanzen".

Die Kommunikation mit dem Patienten steht im Zentrum der ärztlichen Tätigkeit, sagt Prof. Volkenandt, Klinikum Innenstadt Klinik/Poliklinik für Dermatologie/Allergologie, München. Dennoch nimmt die Vermittlung von Gesprächstechniken in der medizinischen Ausbildung einen geringen Stellenwert ein.

Dabei vergisst ein Patient nie, wie ihm die Botschaft einer ernsthaften Erkrankung übermittelt wurde, erklärt Prof. Volkenandt in seinem Online-Vortrag "Kommunikation mit Patienten in besonderen Situationen" auf www.univadis.de. Befragt man Patienten im Nachhinein, erhält man Aussagen wie: "Der Arzt hat mich nicht mal angeschaut." Andererseits erreichen Ärzte oft mit wenigen Worten eine grosse Zufriedenheit beim Patienten – "Der Arzt ist so nett und hat mir sehr geholfen!"

Die Ernsthaftigkeit der Erkrankung spielt für diese Einschätzung keine grosse Rolle. Vielmehr bestimmt die Kommunikationsfähigkeit des Arztes massgeblich das Befinden des Patienten – und auch das der Angehörigen und Begleiter.

Aber was machen die "netten" Ärzte anders als diejenigen, die von Patienten kritisch gesehen werden? Es ist nicht ein Mehr an Zeit, meint Prof. Volkenandt, und es sind auch nicht hoch qualifizierte, fachliche Informationen, die bei Patienten positiv wahrgenommen werden.

Ein gelunge­nes Gespräch beruht auf zwei Säulen: dem fachliche Inhalt ("Ich habe die Information erhalten, die ich brauche") - also z.B.: Der Patient weiss, wie viele Tabletten er wann und wie einnehmen soll - und der emotionalen Ebene ("Ich bin gehört und verstanden worden"), also: Der Arzt ist auf die Sorgen und Nöte des Patienten eingegangen.

Die emotionale Säule ist für Patienten, die heutzutage eher gut informiert sind, weitaus wichtiger als die fachliche, so Prof. Volkenandt. Die meisten Ärzte kommunizieren jedoch auf der fachlichen Ebene - z.B. wenn der Patient sagt: "Ich habe Angst davor, dass mir die Haare wegen der Chemotherapie ausfallen" und der Arzt antwortet: "Das müssen Sie nicht. Die Krankenkassen bezahlen sehr gute Perücken."

Wovor der Patient tatsächlich Angst hat, weiss der Arzt nicht. Vielleicht ist es der drohende Haarausfall, vielleicht sind es die Ängste der Kinder oder der Ehefrau. Auch bei "einfachen" Ängsten, z.B. vor einer Spritze, lautet die Antwort des Teams, des Pflegers, ja selbst der Angehörigen oft: "Ach, das tut doch nicht weh."

Bei erfolgreichen Arzt-Patienten-Gesprächen gibt es eine einfache Lösung, so Prof. Volkenandt. Und die betrifft die empathische Seite und lautet "aktives Zuhören". Aktives Zuhören bedeutet: Im ersten Schritt auf die Sorge des Patienten mit Schweigen reagieren (etwas mehr als die üblichen zehn Sekunden). Der zweite Schritt ist eine Frage: "Was meinen Sie damit? Was macht Ihnen genau Angst? Wie kommt es, dass sie das glauben?"

Schritt für Schritt die Sorgen des Patienten herauskitzeln

Dann hat der Patient die Möglichkeit, sein Innerstes nach aussen zu kehren bzw. seine echten Sorgen zu formulieren. Antwortet er z.B.: "Ich habe Angst, dass meine Kinder von meiner Erkrankung erfahren", kommt der nächste Schritt des Arztes, der sich zunächst im Widerspiegeln bzw. wiederholen der Aussage des Patienten zeigt: "Sie haben also Angst, dass Ihre Kinder von der Erkrankung erfahren."

Anschliessend kann der Arzt mit einer weiteren Rückfrage vorgehen: "Wie viele Kinder haben sie denn? Wie alt sind sie? Wie glauben Sie, werden sie reagieren?" Es beginnt – wie Prof. Volkenandt es nennt – ein "empathischer Tanz" mit dem Patienten, in dem Schritt für Schritt die wahren Sorgen vom Arzt herausgekitzelt werden. Am Ende des Tanzes kann der Arzt einen Rat- oder Vorschlag in Frageform einbringen: "Würde es Ihnen helfen, wenn ich mit Ihren Kindern rede?"

Für diesen Kommunikations-"Tanz" muss ein Arzt auch nicht viel Zeit verwenden, schmettert Prof. Volkenandt Einwände von Kollegen ab. Denn wenn der Arzt viel Fachliches erklärt, braucht er oft länger, ist damit aber überhaupt nicht beim Patienten angekommen.

Diese Form der Kommunikation funktioniert überall, egal ob im Umgang mit Mitarbeitern, Kollegen oder der Familie, meint Prof. Volkenandt. In der Kommunikation mit Kindern machen es die meisten Menschen übrigens oft automatisch richtig. Fällt z.B. ein kleines Kind hin und verletzt sich am Knie, sagen Erwachsene nicht: "Da sieht man ja gar nichts." Sie fragen: "Zeig' mal, wo es genau weh tut." Und: "Das tut Dir sicher schrecklich weh – soll ich mal pus­ten?" Sie bewerten nicht, sondern reagieren mit Verständnis, auch wenn sie wissen: Ausser dem Schreck und der Schramme am Knie ist eigentlich nichts passiert.

Einem empathischen Gesprächs­einstieg kann dann auch der fachliche Inhalt folgen. Wenn aber die Empathie fehlt, ist das Fachliche vergebliche Liebesmüh, davon ist Prof. Volkenandt überzeugt.

Erst einmal empathisch antworten

Ob ängstlich, aggressiv oder unbeteiligt – wenn Ärzte es schaffen, das Fachliche erst einmal wegzulassen und empathisch zu antworten, ist viel gewonnen, meint Prof. Volkenandt. Wie das geht, zeigt er an folgenden Beispielen:

Patient: Ich will diese Tabletten nicht mehr einnehmen. Ich habe doch gar keine Beschwerden.
Arzt fachlich: Aber die sind doch gut verträglich.
Arzt empathisch: Sie haben Bedenken. Welche sind es genau?

Patient (aggressiv): Mein Termin war um 14 Uhr, jetzt ist es schon 14.30 Uhr.
Arzt oder Helferin fachlich: Sie sehen doch, was hier los ist. Wir hatten so viele Notfälle.
Arzt oder Helferin empathisch: Das ist jetzt sehr ärgerlich für Sie,
dass sie so lange warten müssen.

Patient: Was machen wir, wenn auch diese Behandlung nicht wirkt?
Arzt fachlich: Dann probieren wir es mit Therapie XY.
Arzt empathisch: Warum denken Sie das?

Wenn Patienten Ängste äussern, sind empathische Antworten oft einfacher, sagt Prof. Volkenandt. Oft äussern Patienten aber keine Gefühle. Die hohe Kunst ist es, diese Gefühle zu erspüren und Verständnis zu zeigen.