Medical Tribune
19. Okt. 2016Spektrum der konservativen Therapieoptionen

Was lindert den Kreuzschmerz am besten?

Für die Behandlung unspezifischer chronischer Kreuzschmerzen sind zahlreiche Therapien im Angebot – Wirksamkeitsnachweise fehlen jedoch oft. Allein für Bewegung und Bewegungstherapie ist langfristige Linderung wirklich nachgewiesen.

Das Spektrum der konservativen Therapieoptionen bei chronischen unspezifischen Rückenschmerzen ist gross: Mit Akupunktur, Bettruhe, Bewegung und Bewegungstherapie, elektronischer Nervenstimulation (TENS), Lasertherapie, Massagen, Orthesen, Injektionen, Rückenschule, Thermotherapie und Medikamenten wie NSAR, Opioiden und Antidepressiva wird versucht, die Rückenpein zu mindern. All diese Massnahmen stellten Dr. Jan ­Bredow und Kollegen von der Klinik und Poliklinik für Orthopädie und Unfallchirurgie am Universitätsklinikum Köln jetzt in einer systematischen Literaturrecherche mit 4657 Studien auf den Prüfstand. 85 Arbeiten gingen in die Analyse ein.

Benefit abhängig vonder Kontrollgruppe

Acht Studien zur Akupunktur zeigten unterschiedliche Ergebnisse z. T. mit einer kurzfristigen und mittelfristigen Wirksamkeit. Dabei war der Benefit von der Zusammensetzung der Kontrollgruppe abhängig. Insgesamt muss die Wirksamkeit der Nadelung aber als nicht sicher belegt angesehen werden, so die Autoren.

Auch für TENS oder Lasertherapie reicht die bisherige Evidenz für einen Wirksamkeitsnachweis nicht aus – hier sind vielleicht noch weitere Studien notwendig.
Ganz eindeutig ist die Evidenz dagegen bei Bettruhe: Hiervon ist keine Linderung zu erwarten. Nach längerer Inaktivität können Muskelatrophie und morphologische Veränderungen der Wirbelsäule die Situation sogar noch verschlimmern.

Rückenschule ohne Effektbei chronischen Schmerzen

Massagen werden seit Jahrhunderten bei Rückenschmerzen angewandt. Zwar zeigten mehrere Studien eine gewisse Schmerzreduktion – aber meist nur zusammen mit anderen konservativen Massnahmen. Die Evidenz ist aufgrund der methodischen Schwäche der Studien nicht eindeutig. Ähnliches gilt für das grosse Angebot an lumbalen Orthesen – das Studiendesign schwächelt durchweg.

Bei akuten und subakuten Rückenschmerzen kann Rückenschule einen gewissen Effekt haben. Beim chronischen Rückenschmerz liess sich das allerdings nicht nachweisen. Keine Wirksamkeit sahen die Autoren für Antidepressiva. Einige Massnahmen scheinen zumindest kurzfristig etwas zu bringen. Dazu gehören epidurale Injektionen mit Lokalanästhetika und Kortison und die Thermotherapie. Orale NSAR mindern akute wie auch chronische Beschwerden ebenfalls nur kurzzeitig. Ähnliche Effekte lassen sich auch durch Opioide erzielen, so die Studienergebnisse. Allerdings sollte man hier verstärkt auf mögliche Nebenwirkungen achten.

Durch diese unterschiedlichen Therapien lässt sich bei akuten Beschwerden der Schmerz lindern und die Alltagsfunktionalität wiederherstellen und so die Zeit bis zur Spontan­remission überbrücken, schreiben die Autoren. Langfristig haben sich aber lediglich die Bewegungstherapie sowie die Ermunterung zu normalen Alltagsbewegungen als effektiv erwiesen. Nur so lässt sich der Rückenschmerz dauerhaft bannen und die Funktion verbessern. Ungeklärt bleibt allerdings, von welchen Übungen die Patienten am meisten profitieren – eine Kräftigung der Rumpfmuskulatur sollte aber auf jeden Fall dabei sein.
Ist der Schmerz nach zwölf Wochen nicht abgeklungen oder weisen Yellow Flags (s. Kasten) auf ein hohes Chronifizierungsrisiko hin, sollte ein multimodales Therapiekonzept angeboten werden.

Yellow Flags – hier droht Chronifizierung

Psychosoziale Faktoren spielen eine wichtige Rolle bei der Chronifizierung.
Wichtige Warnzeichen («Yellow Flags») sind:

  • Depression, negativer Stress, vor allem im Beruf
  • schmerzbezogene Kognitionen wie Katastrophisieren oder Angst-Vermeidungsverhalten
  • Passivität
  • Neigung zur Somatisierung

Zusätzlich können berufliche Faktoren eine Rolle spielen:

  • körperliche Schwerarbeit
  • monotone Körperhaltungen
  • Vibrationsexposition
  • geringe Qualifikation, Unzufriedenheit, Jobverlust, Kränkungen, Mobbing

Aber auch Ärzte tragen zur Chronifizierung bei durch:

  • zu geringes Beachten der multikausalen Genese von Schmerzsyndromen
  • zu starkes Stützen auf somatische und Apparatebefunde
  • grundloses langes Krankschreiben der Patienten
  • alleiniges Setzen auf passive Therapiekonzepte

Bredow J et al. Orthopäde 2016; 45: 573–578.

Quelle: nach «Nationale Versorgungsleitlinie Kreuzschmerz» (Deutschland)