Patientenfüsse ins heiss-kalte Bad gesteckt
Wer bei dem Namen Sebastian Kneipp nur an Wassertreten im eisigen Becken denkt, ist auf dem falschen Dampfer. Die Hydrotherapie beinhaltet viel mehr – von warmen und ansteigenden Teil- bzw. Vollbädern über Wechselduschen bis zu Güssen an umschriebenen Körperregionen, informierte Dr. Robert Bachmann von der Fachklinik für Naturheilverfahren, Malteser Klinik von Weckbecker in Bad Brückenau.
Klassische Naturheilverfahren nach Kneipp:
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Beispielhaft erläuterte der Kollege für verschiedene Indikationen, was das pure Wasser therapeutisch zu leisten vermag. Mit Wasser setzt der Hydrotherapeut Reize, die der Körper auszugleichen versucht, z.B. mittels Vasomotorik. Auf Kälte folgt vermehrte Durchblutung und aktive Wiedererwärmung, was bei wiederholtem Training besser funktioniert.
Ein Effekt tritt auch segmental und ferngeleitet ein, erklärte Dr. Bachmann. So könne ein Fussbad – via Tractus spinothalamicus – eine Fernwirkung auf die Durchblutung der Nasenschleimhäute entfalten, was man sich z.B. bei der Behandlung einer Bronchitis oder Sinusitis mit Wechselbädern zunutze macht. Desgleichen hat der Kollege mit Güssen – an Gesicht, Beinen oder dem Körperstamm – gute Erfahrungen bei chronischen Erkrankungen wie Wirbelsäulenbeschwerden, Migräne, Neurodermitis oder Restless-Legs-Syndrom gemacht.
Das Wechselfussbad hilft, u.a. Infekte zu verhindern, erklärte Dr. Bachmann. Es nützt auch bei chronisch kalten Füssen, Hypotonie, Kopfschmerzen oder Schlafstörungen.
Man braucht dazu zwei Wannen (oder zu Hause: Eimer, die der Patient in die Dusch- oder Ba-dewanne stellt). Eine wird mit 36 bis 38 °C warmem Wasser gefüllt, die andere mit kühlerem Wasser (12 bis 22 °C). Im warmen Bad bleiben beide Füsse zunächst 5 bis 15 Minuten, im kalten nur 10 bis 15 Sekunden. Das Ganze wird einmal wiederholt, danach streift der Patient das Wasser ab, zieht Strümpfe an und bewegt sich bis zur Wiedererwärmung.
Bei Atemwegsinfekten empfiehlt Dr. Bachmann auch gern das Wechselarmbad, das analog mit zwei Becken erfolgt (warm: 36 bis 38 °C, kalt: je nach Verträglichkeit 18 bis 22 °C oder weniger, Arme bis knapp über Ellenbogen eingetaucht). Die Arme bleiben erst 5 Minuten im warmen und dann 10 Sekunden im kalten Bad, und nach einer Wiederholung heisst es: Wasser abstreifen und Arme warm halten. Ins warme Becken kann man auch Zusätze geben, z.B. Rosmarin bei Kreislaufstörungen, Thymian bei Bronchitis oder Molke bei Hauterkrankungen.
Knieguss wirkt auch gegen gefässbedingten Kopfschmerz
Der Abwehrsteigerung bei Infektanfälligkeit und der vegetativen Stabilisierung dienen Wechselduschen. Erst kurz schön heiss duschen, dann auf kühl oder kalt drehen und "herzfern" beginnend in folgender Reihenfolge abduschen: rechtes Bein, linkes Bein, rechter Arm, linker Arm – und zwar immer erst die Aussen-, dann die Innenseite. Es folgen Brust, Bauch, kurz der Nacken und das Gesicht. Wenn das dem Patienten als zu heftig erscheint, tut es zunächst der kühle Knieguss.
Zu beachten bei der Hydrotherapie:
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Den Knieguss betrachtete Kneipp als Verstärkung des Fussbades. Der Wasserstrahl soll dabei das Bein nicht bespritzen, sondern wie eine Hülle umspülen. Der Guss dient der Steigerung der Abwehrkraft, wirkt aber laut Dr. Bachmann auch gut bei gefässbedingten Kopfschmerzen.
Rechts beginnend wird mit einem dicken Gummischlauch (3/4 Zoll) der kühle Strahl (18 bis 22 °C) vom Fuss aussen zum Knie (dort kurz verweilen) und an der Beininnenseite wieder zurückgeführt. Es folgt das Gleiche links – und dann an beiden Fusssohlen. Dr. Bachmann empfiehlt tägliche, aber mindestens dreimal wöchentliche Anwendung.
Gegen Hexenschuss oder andere LWS-Beschwerden setzt der Kollege gern den Lumbalguss ein. Der Patient sitzt auf einem Brett über der Wanne, der Wasserstrahl (ca. 34 °C) wird auf den Lendenwirbel- bzw. Sakralbereich gerichtet. Dann steigert man die Temperatur langsam – je nach Verträglichkeit – bis auf 43 °C und fährt fort, bis eine kräftige Mehrdurchblutung (Rötung) erreicht ist. Danach heisst es gründlich abtrocknen und – eventuell mit erhöht gelagerten Unterschenkeln – entspannt ruhen.
Quelle: practica 2015