Medical Tribune
29. Jan. 2024Fluide Erkrankung

Asthma-Phänotyp gelegentlich hinterfragen!

Asthma ist eine komplexe Atemwegserkrankung, die verschiedene Ausprägungen umfasst. Der ursprünglich diagnostizierte Asthma-Phänotyp kann sich ausserdem im Laufe der Zeit durch Infektionen, Begleiterkrankungen und Umwelteinflüsse verändern.

Asthma tritt in unterschiedlichen Phänotypen auf,d ie Einfluss auf die Behandlung haben. Diese können sich über die Jahre aber auch ändern.
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Ein allergisches Early-onset-Asthma kann sich bei einigen Patienten von einer T2-high- in eine T2-low-Form wandeln.

Die Einteilung des Asthmas in extrinsisch und intrinsisch ist heutzutage weitgehend veraltet. Aktuellen Erkenntnissen zufolge gibt es mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede zwischen diesen beiden Kategorien, wie Autoren in einer aktuellen Übersichtsarbeit berichten (1).

Phänotypen überlappen sich teils

Heutzutage unterscheidet man stattdessen zwischen T2-high- und T2-low-Asthma, basierend auf dem Ausmass der Typ-2-Entzündung. Jeder dieser Kategorien sind mehrere Phänotypen zugeordnet.

Kriterien für die Unterteilung sind beispielsweise

  • Alter bei Erstmanifestation,
  • Symptomkontrolle,
  • Exazerbationen,
  • Lungenfunktion,
  • Biomarker, und das
  • Ansprechen auf die Therapie.

Hinter jedem Phänotyp der Erkrankung liegen in der Regel bestimmte pathophysiologische Mechanismen, die miteinander interagieren und zu Überlappungen zwischen den verschiedenen Ausprägungen führen können.

T2-high-Asthma: «Eosinophiles» Asthma

Etwa 50 Prozent der Patienten mit schwerem Asthma gehören zur Kategorie T2-high. Bei dieser Unterklasse spielen Typ-2-Helferzellen und verschiedene mit T2 assoziierte Zytokine wie IL-4 und IL-13 eine zentrale Rolle.

Charakteristisch sind auch erhöhte Eosinophilen-Werte im Sputum und peripherem Blut. Der Begriff «eosinophiles Asthma» wird oft synonym für T2-high-Asthma verwendet. Es werden drei Phänotypen des T2-high-Asthmas unterschieden:

  1. Allergisches Early-onset-Asthma
    Dieser Phänotyp wird vermutlich durch genetische Veranlagung beeinflusst. Ausgelöst durch Allergene und andere Reize wie virale Infektionen, Luftverschmutzung und Zigarettenrauch, tritt das Asthma bereits in jungen Jahren auf, oft als Teil des atopischen Marschs. Diagnostisch wegweisend sind erhöhte Eosinophile im Sputum oder Blut, erhöhtes FeNO in der Atemluft und spezifische IgE-Immunglobuline im Serum.
  2. Nicht-allergisches Late-onset-Asthma
    Dieser Phänotyp tritt erst im Erwachsenenalter auf. Es kommt zwar auch hier zu einer T2-Immunantwort, aber ohne die atopische Komponente. Spezifische IgE-Antikörper können nicht nachgewiesen werden. Je nach Schweregrad der Erkrankung kann eine ausgeprägte Eosinophilie vorliegen, die oft nicht oder nur schlecht auf hohe Kortikosteroid-Dosen anspricht.
  3. Analgetika-Asthma
    Wenn Atemwegsbeschwerden unmittelbar nach der Einnahme von COX-1-Inhibitoren wie Acetylsalicylsäure auftreten, spricht man von einem Analgetika-Asthma. Eine sogenannte Samter-Trias liegt vor, wenn eine Reaktion auf nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR), Asthma und Nasenpolypen zusammenkommen. Sowohl allergisches Asthma als auch allergische Rhinitis können bereits vor der ersten Reaktion auf das Analgetikum bestehen. Es handelt sich jedoch nicht um eine allergische Reaktion, da spezifische IgE-Antikörper nicht gebildet werden.

T2-low-Asthma: Nicht-T2-high-Formen

Unter den Begriff T2-low-Asthma fallen alle Formen, die nicht die typischen Merkmale eines T2-high-Asthmas aufweisen. Anhand der Granulozyten im Sputum werden drei Formen unterschieden: neutrophiles Asthma (starke Neutrophilie, schwache Eosinophilie), gemischtes Asthma (starke Neutro- und Eosinophilie) und paucigranulozytäres Asthma (schwache Neutro- und Eosinophilie).

Schwere Erkrankungen treten besonders bei neutrophilen und gemischten Formen auf. T2-low-Asthma wird durch aktivierte T1- und T3-Signalwege beeinflusst, die mit IL-12 bzw. IL-17 assoziiert sind. Im ersten Fall spielen virale Infektionen als Auslöser eine wichtige Rolle, im zweiten Fall kommt es häufig zu Steroidresistenz. Beim paucigranulozytären Asthma steht laut den Autoren weniger die Entzündung im Vordergrund, sondern der Umbau der Atemwege.

T2-low-Asthma: Drei Phänotypen

Es gibt (noch) keine spezifischen Biomarker für das T2-low-Asthma, so die Autoren. Es wird jedoch daran geforscht. Folgende Phänotypen werden unterschieden:

  • Raucherasthma
    Etwa 50 Prozent aller Asthmatiker sind aktuelle oder ehemalige Raucher. Inhalierter Tabakrauch provoziert einen Asthmatyp, der sich unter anderem durch eine schnelle Verschlechterung der Lungenfunktion, schlechte Krankheitskontrolle und häufige Exazerbationen auszeichnet. Oxidativer Stress und Neutrophilie aktivieren proinflammatorische Mediatoren. Aufgrund des stark geschädigten Lungengewebes sind Patienten mit Raucherasthma besonders anfällig für mikrobielle Infektionen.
  • Altersasthma
    Wenn die Erkrankung erstmals nach dem 65. Lebensjahr auftritt, spricht man von Altersasthma. Es sollte nicht mit einem Early-onset-Asthma verwechselt werden, das bis ins hohe Alter bestehen bleiben kann, betonen die Autoren. Typisch für Altersasthma sind eine Neutrophilie im Sputum und häufig auch eine Kortikosteroidresistenz. Die Zusammenhänge sind noch unklar.
  • Adipositas-assoziiertes Asthma
    Übergewicht geht häufig mit der Entwicklung eines neutrophilen Asthmas einher, meist vom Late-onset-Typus. Frauen sind häufiger betroffen. Aktuelle Studiendaten deuten auf einen genetischen Zusammenhang zwischen Übergewicht und nichtallergischem Asthma hin. Eine Rolle spielt offenbar auch IL-6. Die Erkrankung verläuft meist schwer und ist oft mit Steroidresistenz verbunden.

Asthma-Phänotyp kann sich auch ändern

Für ein gutes Management der Erkrankung, ist das Erkennen des richtigen Asthma-Phänotyps unerlässlich, so die Autoren. Sie weisen allerdings darauf hin, dass sich die verschiedenen Ausprägungen entwickeln und überlappen können. So können etwa Umwelteinflüsse beim Early-onset-Asthma im Laufe der Zeit die anfängliche T2-Dominanz zugunsten eines nicht-T2-assoziierten Asthmas verändern.

In einer aktuellen Real-Life-Studie wurde die Verteilung der Phänotypen bei Patienten mit unterschiedlichem Schweregrad des Asthmas untersucht. Mehr als 70 Prozent der Teilnehmer zeigten eine Überlappung zwischen T2- und nicht-T2-assoziierten Phänotypen. Bei komplexen Mischformen, die meist im mittleren und höheren Lebensalter auftraten, war das klinische Ergebnis besonders schlecht. Auch verschiedene T2-Phänotypen können gemeinsam auftreten, oft mit einer allergischen Komponente. Bei der Orientierung helfen die Cut-off-Werte von spezifischem IgE, Eosinophilen und FeNO.

Östrogen und Progesteron beeinflussen den Asthma-Phänotyp

Das Asthma wird auch durch geschlechts- und altersabhängige hormonelle Veränderungen beeinflusst. Während in der Kindheit Jungen häufiger an Asthma leiden als Mädchen, ist im Erwachsenenalter der Anteil der Frauen höher. Östrogen und Progesteron könnten beim Phänotyp eine Rolle spielen. Vor allem in der perimenstruellen Phase und während der Schwangerschaft führen diese Hormone über T2-high-Mechanismen zu verstärkten Asthma-Symptomen. In der Postmenopause treten hingegen T2-low- bzw. T1-Mechanismen in den Vordergrund, wenn die Hormonspiegel sinken.

Angesichts der möglichen Veränderungen und Überlappungen raten die Autoren dazu, den Phänotyp regelmässig zu überprüfen. Dies gilt insbesondere bei Patienten mit schlechter Krankheitskontrolle, unzureichendem Ansprechen auf Kortikosteroide und Verschlechterung der Symptome.