Medical Tribune
24. Aug. 2016Dekompressionserkrankung

Gewappnet für die Tauchurlauber-Beratung

In Vorbereitungskursen lernen künftige Unterwassersportler zwar einiges über die Interaktionen von Fliegen und Tauchen. Dabei geht es aber meist um Luftdruckänderungen auf dem Rückflug. Doch auch vom Hinflug und von Autoreisen über hohe Pässe können Gefahren ausgehen, warnen Dr. Stefan Braunecker, Universitätsklinikum Köln, und sein Kollege.

Taucherin lächelt unter Wasser
iStock/Profundo no Mundo

Symptome zehn Minuten nach Ende des Tauchgangs

Grundsätzlich drohen Tauchern zwei schwere Komplikationen: die Dekompressionserkrankung (decompression sickness, DCS) und die arterielle Gasembolie (AGE). Bei der Dekompressionserkrankung führt die Abnahme des Umgebungsdruckes dazu, dass im Gewebe gelöste Gase freigesetzt werden. Sie können im Gewebe und den Blutgefässen kumulieren und mechanische Schäden oder Embolien verursachen.

Neurologische Symptome treten oft schon zehn Minuten nach dem Ende des Tauchgangs auf, manifestieren sich manchmal aber auch mit einer Verzögerung von bis zu drei Stunden. Als Risikofaktoren nennen die Autoren Übergewicht, Dehydratation, erhöhte Umgebungstemperatur, körperliche Anstrengung, persistierendes Foramen ovale, falsches Verhalten beim Tauchen – und den Rückflug.

Die arterielle Gasembolie entsteht nach einer Lungenverletzung (z.B. durch Überdehnung) mit Übertritt von Atemgas in die kleinen pulmonalen Arterien. Sind zerebrale Gefässe betroffen, besteht Lebensgefahr. Die Symptome ähneln vielfach denen der DCS, zur Differentialdiagnose muss man dann zeitliche Dynamik, Tauchprofil und Begleitsymptome heranziehen.

Gelöster Stickstoff bleibt bis zu 72 Stunden im Gewebe

Auch einige akute Erkrankungen, etwa oberer Atemwegsinfekt, sowie Alkohol- und Nikotingenuss steigern das Risiko für Tauchunfälle. Bei den chronischen Gesundheitsveränderungen ist ein persistierendes Foramen ovale nicht nur im Hinblick auf die DCS von Bedeutung. Durch die Druckerhöhung kann es zum Rechts-Links-Shunt kommen. Dadurch gelangen venöse Gasblasen ins arterielle System und lösen dort eine paradoxe Gasembolie aus.

Die Gefahr beim Rückflug beruht auf der Bildung von Mikroblasen. Während des Auftauchens perlt durch den sinkenden Umgebungsdruck gelöster Stickstoff aus. Nimmt der Druck zu schnell ab, können sich bei dieser Entsättigung Blasen bilden. Vor allem bei ausgedehnten Tauchurlauben reichert sich im Körper kontinuierlich Stickstoff an, ohne dass zwischendurch eine vollständige Entsättigung stattfindet. In "langsamen" Geweben wie Knorpel, Bändern und Sehnen dauert dieser Vorgang bis zu 72 Stunden. Sinkt der Umgebungsdruck dann z.B. im Flugzeug oder auf Passstrassen noch weiter ab, perlt verstärkt Reststickstoff aus. Es entstehen mehr Blasen und das Risiko für eine DCS steigt.

Allerdings gibt es inzwischen auch einige Ansätze, die der Blasenbildung entgegenwirken. Dazu zählen z.B. zusätzliche Dekompressionsstopps, aber auch spezielle Gasgemische für den Tauchgang. Eine weitere Option stellt die normobare Sauerstofftherapie vor dem Rückflug dar, zu der aber bisher nur wenige Studien vorliegen.

Derzeit wird eine 24-stündige Pause zwischen dekompressionspflichtigen Tauchgängen und dem Rückflug empfohlen. Eine Studie mit 56 Probanden zeigte aber, dass dieser Zeitraum vermutlich nicht ausreicht.

Mittels transthorakaler Echokardiographie fanden sich während der einwöchigen Unterwasseraktivitäten bei 30 % der Teilnehmer gelegentlich Gasbläschen im rechten Ventrikel, bei 29 % sogar nach jedem Durchgang. Bei 14 % der Probanden liessen sich auch auf dem Rückflug noch Bläschen nachweisen. Um eine grösstmögliche Sicherheit zu erreichen empfehlen die Autoren daher, nach dem Tauchen 36 Stunden bis zur Heimreise vergehen zu lassen.

Gasbläschen im rechten Ventrikel bei jedem Dritten

Was den Hinflug betrifft, sollte eine Dehydratation unbedingt vermieden werden, um das Risiko einer DCS zu mindern. Das heisst: viel Nicht-Alkoholisches trinken. Ein Jetlag macht anfälliger für die narkotische Wirkung des sich lösenden Stickstoffs, also kann ein "Tiefenrausch" schon in geringerer Tiefe als sonst auftreten. Müdigkeit senkt das Konzentrationsvermögen, die Fehlerwahrscheinlichkeit steigt. Die Kollegen raten daher, mindestens 12 Stunden Pause zwischen Ankunft und erstem Tauchgang einzuhalten.

Quelle: Braunecker S, Hinkelbein J. Flug u Reisemed 2016; 23: 116-120