Medical Tribune
7. Jan. 2016Atemwegs­erkrankung

Asthma-Schicksale liegen in Ihrer Hand

Dies ist keine Leitlinie, sondern ein Strategievorschlag laut Expertenkonsens, erklären die GINA* 2015-Autoren ihren Lesern gleich zu Beginn. Denn die für Guidelines üblicherweise geforderte harte Evidenz zum Asthma-Management bilde die Rea­lität ungenügend ab.

Ärztin hört mit Stethoskop die Lunge einer Frau ab
iStock/Inside Creative House

Allzuoft bleiben die Alltagspatienten – übergewichtig, multimorbide, zigarettenrauchend – von randomisierten, kontrollierten Studien ausgeschlossen. Aber genau diese Asthmakranken, mit denen der Hausarzt in der Regel zu tun hat, stehen bei GINA 2015 im Fokus. Für sie will man praxisgerechte Strategien anbieten, um die Atemwegs­erkrankung optimal zu behandeln.

Experten empfehlen Kontrolle und Reevaluation vor Therapieeskalation

Neben den Themen Klassifikation und Diagnostik nehmen daher die Kapitel "Symptomkontrolle und Risikominimierung" besonderen Raum ein. Gegensteuern wollen die GINA-Autoren der gängigen Gewohnheit voreiliger Therapieeskalation, die viele Ressourcen verschwendet und individuelle Faktoren viel zu wenig berücksichtigt.

Stattdessen propagieren die Autoren: Status quo feststellen, Behandlung individuell anpassen, Erfolg kontrollieren. Hierzu sollten bei jedem einzelnen Patienten neben rein medizinischen Faktoren die menschlichen, kulturellen und sozialen Aspekte stärker ins Kalkül gezogen werden. Fruchtet eine bestehende Asthmatherapie nicht zufriedenstellend, dürfen keinesfalls reflex­artig Dosierungen gesteigert oder zusätzlich Medikamente verordnet werden, unterstreichen die Kollegen.

Zuvor heisst es:

  • Inhalationstechnik kontrollieren und ggf. korrigieren,
  • Compliance prüfen, eventuelle Hinderungsgründe für die Therapieadhärenz herausfinden und mit dem Patienten besprechen,
  • Risikofaktoren, wie Rauchen, Übergewicht, Betablocker, NSAR-Medikation, Allergenexposition, aufdecken und angehen.

Ein solches Vorgehen vor einem Step-up sei in den klinischen Medikamentenstudien in der Regel nicht erfolgt, kritisieren die Experten.

Breitere Indikation für Steroide

Was die Verordnung von Steroiden betrifft, so hat man in GINA 2015 die Indikation für inhalierte Präparate in niedriger Dosierung ausgeweitet. Nur wer weniger als zweimal im Monat unter Asthmasymptomen leidet und während der vergangenen vier Wochen kein einziges Mal von der Erkrankung aus dem Schlaf gerissen wurde, darf allein mit der Bedarfsmedikation SABA (short acting beta agonists) "weiterverfahren".

Bei hoher Krankheitslast soll eine Behandlung mit inhalierbaren Kortikosteroiden (ICS) erfolgen (Stufe 2), vor allem um das Risiko schwerer Exazerbationen zu senken. Die meis­ten Patienten kommen mit einer niedrig dosierten ICS-Therapie hin, so die Erfahrung. Auf Stufe 3 und 4 der Therapieeskalation folgen dann Kombitherapien aus ICS und langwirksamen Betaagonisten (LABA).

"Stepping down" bei stabilem Zustand empfohlen

Dabei dient Budesonid/Formoterol niedrig dosiert als Dauermedikation und Relievermittel bei Bedarf – Gleiches gilt für Beclomethason/Formoterol. Diese Variante mit ein und demselben Präparat ist die Alternative zu ICS/LABA auf Dauer plus SABA bei Bedarf.

Ab der Stufe 4 kann dann u.a. Tio­tropium inhalativ als weiterer Controller hinzukommen. Die Basistherapie bilden weiterhin ICS/LABA in mittlerer oder hoher Dosierung. Bei schwerem, unkontrolliertem, allergischem Asthma kommen auf Stufe 5 andere Optionen ins Spiel. Genannt werden z.B. Anti-IgE-Antikörper wie Omalizumab.

Biologika bei unkontrolliebarem Asthma

Aber auch das "Stepping down" darf man nicht vergessen, erinnern die Kollegen. Nach guter Kontrolle über zwei bis drei Monate und stabilem Zustand (kein Infekt, keine Reisen, keine Schwangerschaft) darf man mit der Therapieintensität auch zurückgehen.

Ein ganzes Kapitel widmen die GINA-Autoren schliesslich dem "Asthma-COPD-Überlappungs-Syndrom". Dass die Grenze zwischen den Erkrankungen zunehmend verschwimmt, kommt der massgeschneiderten Therapie zupass: Nicht mehr die jeweilige Kategorie, sondern die Symptomkonstellation des einzelnen Patienten steht im Vordergrund. 

Quelle: H.K. Reddel et al., Eur Resp J 2015; 46: 622-639; DOI: 10.1183/13993003.00853-2015

*Global Initiative for Asthma