Medical Tribune
10. Dez. 2015Neuropathischen Husten

Dem chronischen Husten auf der Spur

Definitionsgemäss ist ein Husten chronisch, sobald er länger als acht Wochen anhält. Er kann Ausdruck einer schweren Krankheit sein und die Lebensqualität empfindlich trüben. Deshalb muss ein chronischer Husten immer genau abgeklärt werden, fordern die Pneumologen Dr. Damien Keller und Professor Dr. Laurent P. Nicod von der Universitätsklinik Lausanne.

An erster Stelle steht eine detaillierte Anamnese, um auslösende Faktoren, zeitliches Auftreten und etwaige Begleitsymptome zu erfassen. Sofern ein Patient ein normales Thorax-Röntgenbild aufweist und weder raucht noch ACE-Hemmer einnimmt, kommen als Auslöser (in über 90 % der Fälle) vor allem drei Erkrankungen infrage.

Rhinitis, Sinusitis und Nasenpolypen sind die häufigsten Hustenursachen

Am häufigsten handelt es sich mit einem Anteil von rund 34 % um das Hustensyndrom der oberen Atemwege (UACS*), das durch verschiedene Arten der Rhinitis sowie Sinusitis und Nasenpolypose ausgelöst wird. Der Hustenreiz entsteht wahrscheinlich durch eine Kombination von vermehrter Schleimproduktion und chronischer Entzündung der Atemwege, die sich jedoch oft nur schwer nachweisen lässt. Mangels spezieller Testverfahren empfehlen die Kollegen eine probatorische Therapie (z.B. mit Antihistaminika, Kortikosteroiden, intermittierend abschwellenden Nasentropfen) über zwei bis drei Monate, ggf. ergänzt durch nasale Endoskopie und Nebenhöhlen-CT.

Asthma als zweithäufigste Ursache

Zweithäufigste Ursache des chronischen Hustens (v.a. nachts und morgens) ist mit rund 25 % das Asthma. Entscheidende Hinweise auf die Diagnose liefert die Spirometrie (reversible Obstruktion, Peak-flow-Variabilität > 10 %). Sie kann jedoch trotz Asthma negativ ausfallen. In solchen Fällen hilft ein bronchialer Provokationstest bzw. eine Diagnose ex iuvantibus (z.B. durch Gabe eines inhalativen Steroids über ein bis drei Monate) weiter.

Dritthäufigste Ursache ist die die gastroösophageale Refluxkrankheit

An dritter Stelle unter den Ursachen für chronischen Husten (20 %) rangiert die gastroösophageale Refluxkrankheit (GERD). Zum Nachweis wird heute eine dreimonatige Therapie mit einem PPI in doppelter Dosierung empfohlen. Allerdings schliesst unzureichendes Ansprechen den refluxbedingten Husten nicht aus. Im Zweifel ist eine pH-Impendanzanalyse bzw. Manometrie indiziert.

Um den Husten "zum Schweigen zu bringen", steht neben dem Verzicht auf mögliche Auslöser (z.B. Rauchen, ACE-Hemmer) der Einsatz kausal wirksamer Pharmaka an erster Stelle. Antitussiva sollten nur als letzte Option nach Versagen einer spezifischen Therapie verordnet werden, raten die Pneumologen. Schliesslich ist ihre Wirksamkeit bei chronischem Husten kaum belegt und die unerwünschten Effekte sind teils beträchtlich. Für sedierende Antihistaminika konnte ausserhalb der allergischen Rhinitis bisher keine Hustenreizlinderung gezeigt werden. Und was Mukolytika angeht, so gibt es keine Belege dafür, dass ein produktiver Husten auch die Frequenz reduziert, so die Autoren.

Falls die Symptome trotz umfassender Diagnostik und adäquater empirischer Therapie fortbestehen, wird es Zeit, ein Husten-Hypersensitivitäts-Syndrom (CHS) in Betracht zu ziehen, das sowohl isoliert als auch neben anderen Ursachen bestehen kann. Der Husten wird dabei als sensorische Neuropathie eingestuft, die die gesamte Bronchial- und Ösophagus-Schleimhaut erfassen kann. Ursächlich könnte z.B. eine erhöhte Sensibilität peripherer Neurone sein.

Husten-Hypersensitivitäts-Syndrom

Merkmale:

  • Reizgefühl in Larynx, Pharynx
  • Allotussie (Auslösung durch nicht tussigene Reize)
  • Überempfindlichkeit gegenüber thermischen oder chemischen Stimuli
  • Schwer kontrollierbare Hustenanfälle Als nicht tussigene Stimuli nennen die Autoren z.B. Singen, Sprechen, Lachen, als thermische Auslöser z.B. kalte Luft. Auch Gerüche oder Sprays können als chemische "Provokateure" Hustenanfälle triggern.

Möglicherweise sorgt auch eine Fehlfunktion des Hirnstamms dafür, dass afferente Signale verstärkt werden.

Nicht pharmakologische Therapie bei CHS erfolgreich

Therapeutisch setzt man bei CHS auf Wirkstoffe wie Amitriptylin und Gabapentin, die sich bei neuropathischen Schmerzen bewährt haben. Ausserdem wurde inzwischen eine nicht pharmakologische Therapie entwickelt.

Betroffene erhalten Informationen zum Hustenmechanismus, sie werden zu Kehlkopf- und Stimmhygiene angeleitet und erlernen Atemübungen und Techniken zur Hustenunterdrückung. Diese Strategie führte in einer randomisierten kontrollierten Studie zu einer Besserung des Hustens und der damit verbundenen Einschränkungen des täglichen Lebens. 88 % der so behandelten Studienpatienten stuften das Ergebnis als Erfolg ein vs. 14 % in der Kontrollgruppe.

*upper airway cough syndrome

Quelle: Damien Keller et al., Schweizerisches Medizin-Forum 2015, 15: 702-708