Medical Tribune
4. Okt. 2023Nur ein Bruchteil der Schweizer Erwachsenen geimpft

Pneumokokken-Impfung: Es gibt noch Luft nach oben

Seit einigen Monaten ist in der Schweiz ein 15-valenter Konjugat-Impfstoff gegen Pneumokokken für Personen ab 65 Jahren zugelassen. An einem Satellitensymposium* am KHM-Kongress referierte ein Experte über die tiefe Impfrate bei Erwachsenen in der Schweiz und den Mechanismus des Serotypen-Replacements.

3D-Visualisierung von Pneumokokken Bakterien
Dr_Microbe/stock.adobe.com

Der Anteil der Pneumokokken am Erreger-Spektrum von ambulant erworbenen Pneumonien hat im Verlauf der letzten 100 Jahre kontinuierlich abgenommen, erinnert Professor Dr. Werner Albrich, Leitender Arzt an der Klinik für Infektiologie und Spitalhygiene am Kantonsspital St. Gallen.

«Daten aus verschiedenen europäischen Ländern zeigen aber, dass Pneumokokken in unseren Breitengraden immer noch der häufigste Erreger dieser Erkrankung sind», sagt der Experte.

Die Epidemiologie der Pneumokokken-Infektionen ist charakterisiert durch zwei Häufigkeitsgipfel – einen im Kleinkindalter und einen bei älteren Erwachsenen. Als präventive Massnahme steht eine Impfung zur Verfügung. Generell sollte diese mit einem Konjugat-Impfstoff (PCV) erfolgen. Der Polysaccharid-Impfstoff PPV23 wird nicht mehr empfohlen, so der Referent.

Alter und Komorbiditäten erhöhen das Risiko

Im Jahr 2005 erfolgte in der Schweiz eine offizielle Empfehlung der Pneumokokken-Impfung als ergänzende Impfung für Kinder unter zwei Jahren. Danach kam es zu einer deutlichen Abnahme der Fälle von invasiven Pneumokokken-Erkrankungen bei Kleinkindern (1). Nach Einführung des 13-valenten Impfstoffes im Jahr 2011 und Erweiterung der Indikation auf Kinder unter fünf Jahren liess sich eine weitere Reduktion nachweisen (1). Seit dem Jahr 2019 besteht in der Schweiz eine Empfehlung für die Pneumokokken-Impfung als Basisimpfung für Kinder unter fünf Jahren.

Ältere Erwachsene stecken sich meist bei Kleinkindern mit Pneumokokken an, erklärt Prof. Albrich. Die Daten aus der Schweiz zeigen, dass auch diese Altersgruppe, die nicht sehr gut durchgeimpft ist, von der Einführung der Impfung bei Kindern profitierte, weil damit das Reservoir an Erregern deutlich abgenommen hatte. Mit zunehmendem Alter und der Anzahl an Komorbiditäten nimmt das Risiko für eine invasive Pneumokokken-Erkrankung zu (2). Als Hochrisikofaktoren gelten eine Immunsuppression, eine chronische Niereninsuffizienz sowie ein Cochlea-Implantat.

Pneumokokken-Impfung für Personen mit erhöhtem Risiko empfohlen

Für Personen mit einem erhöhten Risiko für eine invasive Pneumokokken-Infektion wird in der Schweiz eine Impfung empfohlen. Allerdings sind lediglich 4,5 Prozent der erwachsenen Bevölkerung zwischen 18 und 85 Jahren gegen Pneumokokken geimpft (3). Selbst bei den immunsupprimierten Personen beträgt die Rate lediglich 27,1 Prozent.

Es gibt ungefähr 100 verschiedene Serotypen von Pneumokokken. Die Impfungen allerdings decken nur einen gewissen Teil davon ab. So nehmen Infektionen mit den entsprechenden Serotypen ab, aber es kommt zu einem sogenannten Serotypen-Replacement: Der Anteil von Serotypen, die nicht in der Pneumokokken-Impfung enthalten sind, steigt.

Das führte dazu, dass am Ende des Jahres 2019 in der Schweiz die gesamte Inzidenz von invasiven Pneumokokken-Erkrankungen nur noch gerade um 17 Prozent tiefer war als in der frühen Phase nach Einführung der veralteten Impfung (Jahre 2005 bis 2007, 4). Insbesondere bei der Gruppe der älteren Erwachsenen ist der Mechanismus des Serotypen-Replacements sehr ausgeprägt, so Prof. Albrich.

Anwendung gleichzeitig mit Influenza-Impfung möglich

«Es gibt neue Impfstoffe, die auch solche Replacement-Serotypen wie z.B. 22F oder 33F abdecken», erklärte Prof. Albrich. Dazu gehört der 15-valente Konjugat-Impfstoff (PCV15, Vaxneuvance®), der seit März 2023 für Personen über 65 Jahre zugelassen ist. Das Phase-III-Studienprogramm umfasste insgesamt 7250 gesunde Erwachsene ab 50 Jahren. In der Studie V114-019 erhielten 1200 Teilnehmer randomisiert entweder PCV15 oder den 13-valenten Konjugat-Impfstoff (PCV13, Prevenar 13®, 5). Die Auswertung zeigte, dass für PCV15 im Hinblick auf die gemeinsam abgedeckten Serotypen keine Unterlegenheit gegenüber PCV13 bestand.

«Gegen den besonders gefürchteten Serotypen 3 zeigte PCV15 sogar eine besonders gute Wirksamkeit», merkte Prof. Albrich an. Mit PCV15 kam es zudem zu einer guten Immunität gegen die beiden epidemiologisch wichtigen Serotypen 22F und 33F, die in PCV13 nicht enthalten sind.

PCV15 kann man auch sequenziell anwenden, wenn also ein Patient z.B. bereits PPV23 bekommen hat. «Zudem ist eine gleichzeitige Verabreichung zusammen mit der Influenza-Impfung möglich», sagte der Experte. PCV13 und PCV15 werden in der Schweiz bei entsprechender Indikation von der Krankenkasse vergütet.

* Satellitensymposium MSD