Medical Tribune
18. Okt. 2017

Welchen Sport mit Hüftprothese?

Sport fördert die allgemeine Gesundheit, die kardiovaskuläre Fitness, vermindert das Diabetes- und das Osteoporoserisiko. Durch die kräftigere Muskulatur und die bessere Koordination sinkt das Risiko für Rückenschmerzen und auch für Stürze. Andererseits können bei einer Hüftprothese eine frühzeitige Lockerung, eine Dislokation oder eine periprothetische Fraktur auftreten. Die meisten orthopädischen Chirurgen sind sich dieser Gefahren bewusst. Schon aus rechtlichen Gründen werden sie sich genau überlegen, welche Sportarten sie aktiv empfehlen. Doch viele Sportbegeisterte treiben auch ohne Rücksprache ihre bevorzugten Sport­arten.

Bereits beim Stolpern wirken starke Kräfte

Wie viel Kraft wirkt aber überhaupt auf die Prothese ein? Die ersten Informationen dazu konnten vor rund 20 Jahren mit Prothesen gewonnen werden, die mit Drucksensoren ausgestattet waren. Neuere Daten stammen aus Ganglabors. Beim Stolpern wird die maximal mögliche Muskelraft aktiviert, um einen Sturz zu vermeiden. Dabei kann es zu einer Belastung von beinahe des zehnfachen Körpergewichts kommen. Stolpern ist quasi eine Referenzgrösse, mit der die Krafteinwirkung bei verschiedenen Sportarten verglichen wird.
Die stärksten Kräfte treten beim Gewichtheben auf und auch beim Rennen. Hier ist besonders die repetitive Krafteinwirkung ein Problem. Beim Alpin-Skifahren wirkt etwa eine Kraft des fünffachen Körpergewichts, beim Langlauf ist die Belastung etwas geringer. Nicht vergessen sollte man, dass auch alltägliche Bewegungen zu erhöhten Krafteinwirkungen führen, Treppensteigen beispielsweise bis zum 2,5-fachen Körpergewicht, erinnerte der Referent.

Dislokationen bei Sportlern nicht häufiger

Studien konnten zeigen, dass beim Skifahren ein höherer Abrieb des Polyäthylens der Endoprothesen auftritt, Wechseloperationen werden früher nötig. Andererseits waren Patienten, die weiterhin Ski fuhren, deutlich zufriedener. Ob der Abrieb auch bei anderen Gleitpaarungen eine Rolle spielt, wurde nicht untersucht.
Prof. Krismer stellte ausserdem zwei Studien vor, in denen die Dislokation bei Sportlern nicht häufiger auftrat als bei Nichtsportlern. Eine mögliche Erklärung ist, dass Sportler einen besseren Muskelmantel besitzen, der einen Schutzfaktor darstellt. Sogar bei einer Studie an 20 Judokas konnte keine erhöhte Luxationstendenz festgestellt werden.
Periprothetische Frakturen sind allgemein relativ selten. Frauen sind häufiger betroffen, obwohl Männer im Durchschnitt aktiver sind. Eine mögliche Erklärung ist die häufigere Osteoporose bei Frauen.

Patienten auch nicht verängstigen

Wenn es konkret wird, variieren die Empfehlungen verschiedener Autoren stark. Allgemein begrüsst werden Low-Impact-Sportarten wie Velofahren, Wandern, Langlauf (nicht Skating), Schwimmen sowie Doppeltennis eher als Einzeltennis. Die Patienten sollten im Hinblick auf das Verletzungsrisiko lieber Sportarten ausüben, die sie schon beherrschen – das gilt insbesondere für das Skifahren. Auch die Intensität des Sports spielt eine Rolle: Gemütliches Velofahren ist Low Impact, Mountainbike eher High Impact.
Es gibt auch Untersuchungen, wieso Patienten nach dem Hüftprotheseneinbau keinen Sport treiben. Neben einem höheren Alter spielten vor allem diffuse Befürchtungen wegen des künstlichen Gelenks oder restriktive Empfehlungen von Ärzten oder Ratschläge aus dem persönlichen Umfeld eine Rolle.

* European Federation of National Associations of Orthopaedics and Traumatology