Medical Tribune
14. Okt. 2024Akuttherapie und Langzeitprävention nach neuesten Erkenntnissen

Schlaganfall: Die optimale Behandlung und Nachsorge

«Time is brain» – dieser Leitsatz bleibt bei Schlaganfällen entscheidend. Prof. Dr. Alexander Tarnutzer, Kantonsspital Baden, zeigt, wie wichtig schnelles Handeln ist, um bleibende Schäden zu verhindern und welche Schritte zur Vorbeugung eines erneuten Schlaganfalls ergriffen werden sollten.

Bei einem Schlaganfall zählt jede Minute.
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Schlaganfälle zählen zu den Hauptursachen für bleibende körperliche oder geistige Behinderungen bei Menschen über 50 und sind nach Herzinfarkten und Krebserkrankungen die dritthäufigste Todesursache in Europa.

Meistens betrifft der Schlaganfall Menschen über 60, wobei die Erkrankung in jüngeren Jahren eher selten ist.

Schlaganfall als häufige Ursache für Behinderungen

Laut Prof. Dr. Alexander Tarnutzer, Leitender Arzt der Neurologie und Ärztlicher Leiter der Stroke Unit am Kantonsspital Baden, erleiden rund 16.000 Menschen in der Schweiz jährlich einen Schlaganfall, von denen sich etwa 40 Prozent vollständig erholen (1).

Ein Drittel bleibt jedoch mit alltagsrelevanten Behinderungen zurück, und jeder vierte Patient stirbt an den Folgen.

Ursachen und Arten des Schlaganfalls

Ischämischer Schlaganfall

Etwa 80 Prozent der Fälle fallen auf den sogenannten ischämischen Schlaganfall. Er entsteht durch den Verschluss eines Blutgefässes, das ein Hirnareal versorgt. Dabei kann die Sauerstoffversorgung nicht aufrechterhalten werden, was zu einem Gewebsuntergang (Nekrose) führt.

«Zwar gibt es im Gehirn ein gewisses Mass an Redundanz in der Blutversorgung, doch reicht diese bei einem grösseren Gefässverschluss, wie er oft beim ischämischen Schlaganfall vorkommt, nicht aus», erklärt Prof. Dr. Tarnutzer.

Hämorrhagischer Schlaganfall

Hämorrhagische Schlaganfälle, die etwa zehn bis 15 Prozent der Fälle ausmachen, entstehen durch eine Blutung im Gehirn, häufig infolge einer Ruptur kleinerer Gefässe. Typischerweise handelt es sich hierbei um hypertensive Blutungen, die in den Basalganglien auftreten. Eine Sonderform ist die Subarachnoidalblutung, bei der ein grösseres Gefäss, oft aufgrund eines Aneurysmas, platzt und zwischen Gehirn und Schädeldecke einblutet.

«Time ist brain»

Prof. Tarnutzer betont, dass die Zeit ein kritischer Faktor bei der Behandlung eines ischämischen Schlaganfalls ist.

Der sogenannte Infarktkern, der unmittelbar nach dem Gefässverschluss entsteht, ist irreversibel geschädigt. Doch das umliegende Gewebe, die sogenannte Penumbra, kann durch rasche Behandlung noch gerettet werden. Wenn innerhalb von vier bis sechs Stunden nach dem Verschluss keine Behandlung erfolgt, dehnt sich der Infarktkern aus, und das rettbare Gewebe geht verloren.

Zur raschen Diagnose wird meist eine Computertomografie (CT) durchgeführt, ergänzt durch eine CT-Angiografie, um Gefässverschlüsse sichtbar zu machen. In einigen Fällen kann auch eine Magnetresonanztomografie (MRT) sinnvoll sein. Moderne Techniken wie die CT-Perfusion oder das MRT-basierte Diffusion Weighted Imaging (DWI) ermöglichen eine frühzeitige Identifikation des Infarktkerns und der Penumbra.

Behandlung von ischämischen und hämorrhagischen Schlaganfällen

Während bei ischämischen Schlaganfällen vor allem eine Thrombolyse oder Thrombektomie eingesetzt wird, geht es bei hämorrhagischen Schlaganfällen darum, die Blutung zu stoppen und den Hirndruck zu senken.

Ischämischer Schlaganfall

Zur Standardbehandlung des ischämischen Schlaganfalls gehört die intravenöse Thrombolyse mit Alteplase (rt-PA). Um für eine Alteplase-Behandlung in Frage zu kommen, muss ein klinisch relevantes Defizit beim Betroffenen vorliegen. Die Gabe sollte dabei laut Zulassung innerhalb eines Zeitfensters von 4,5 Stunden nach Symptombeginn erfolgen.

Studien zeigen, dass die In-Label-Anwendung von Alteplase bei rund bei jedem siebten Patienten eine Langzeitbehinderung vermeiden kann (Number needed to treat NNT 7).

Die Beurteilung des Therapieerfolges erfolgt standardmässig nach 90 Tagen mittels modified Rankin Skala (mRS), auf der klinische Beeinträchtigungen von 0 (keine Symptome) bis 6 (Tod) aufgeführt sind.

Tenecteplase: Alternative zur Alteplase

Eine zukünftige Alternative zur Alteplase könnte die Tenecteplase bieten, eine genetisch modifizierte Variante von Alteplase. Diese bietet aufgrund ihrer längeren Halbwertszeit und der Möglichkeit der Bolusgabe eine logistische Erleichterung. Zugelassen ist sie in der Schweiz allerdings noch nicht.

Komplikationen und Risiken

Trotz der Erfolge der Thrombolyse besteht ein gewisses Risiko für Komplikationen, insbesondere Blutungen. Etwa fünf Prozent der Patienten entwickeln nach der Behandlung eine symptomatische Blutung, in 1-2 Prozent der Fälle kann diese schwer oder lebensbedrohlich sein. Eine erneute Bildgebung bei klinischer Verschlechterung ist daher essenziell.

Endovaskuläre Therapie (Thrombektomie)

Für einige Patienten ist eine endovaskuläre Therapie (Thrombektomie) möglich, bei der das Gerinnsel mechanisch entfernt wird. Diese Methode ist besonders bei grossen proximalen Gefässverschlüssen wie der Arteria carotis interna effektiv und kann das Risiko für bleibende Behinderungen erheblich senken. Ausserdem erhöht die Methode das Blutungsrisiko nicht.

Es braucht vier bis fünf Patienten, um mit der Behandlung eine alltagsrelevante Langzeitbehinderung zu verhindern (NNT 4,5). Liegen keine Kontraindikationen vor, wird die Thrombektomie mit einer vorher durchgeführten intravenösen Thrombolyse kombiniert, was die Wahrscheinlichkeit eines guten Ergebnisses erhöht.

Erweiterung des Behandlungsfensters

Aktuelle Studien untersuchen, ob das Zeitfenster für Thrombolyse und Thrombektomie erweitert werden kann. Es wurde gezeigt, dass Patienten mit einer noch intakten Penumbra bis zu neun Stunden nach Symptombeginn von einer Thrombolyse profitieren können.

Ebenso ist eine Thrombektomie bis zu 24 Stunden nach Symptombeginn möglich, wenn sorgfältig selektiert wird.

Sekundärprävention

Nach einem Schlaganfall ist die Sekundärprävention entscheidend, um je nach Ursache des Schlaganfalls ein erneutes Ereignis zu verhindern. Dazu gehören Massnahmen wie

  • Thrombozytenaggregationshemmung bzw. ggf. Antikoagulation
  • Blutdruckregulation
  • Cholesterinsenkung
  • Ggf. Behandlung eines Diabetes
  • Ggf. Rauchstopp

Operative Eingriffe können bei Gefässstenosen bzw. -verschlüssen oder Herzfehlern notwendig sein.