Medical Tribune
8. Juni 2024Mit kombinierten Ansätzen kommt man am ehesten ans Ziel

Mit Physiotherapie gegen Migräne und Spannungskopfschmerzen

Migräne und Spannungskopfschmerzen können mit Verspannungen in Nacken und Schulter einhergehen. Das verstärkt den Kopfschmerz zusätzlich. Eine Möglichkeit, um den Teufelskreis zu durchbrechen und die Symptome nachhaltig zu lindern ist eine passende Physiotherapie.

Besonders gut wirksam ist die Physiotherapie bei Spannungskopfschmerzen und Migräne, wenn Gelenke oder Muskeln im Nackenbereich betroffen sind.
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Kopf- und Nackenschmerzen hängen neurophysiologisch durch Konvergenzen des Nervus trigeminus mit den afferenten Fasern der Spinalnerven C1–C3 zusammen.

Dadurch wird während einer Kopfschmerz- oder Migräneattacke das trigeminale System aktiviert. Und das wirkt sich wieder auf die Wurzeln der Nervi cervicales aus. Ihre Koaktivierung verstärkt Schmerzwahrnehmung und Muskelspannung im Nackenbereich, ist in einer neuen Übersichtsarbeit deutscher Autoren zu lesen (1).

Eine Tatsache, wodurch dieser Zusammenhang deutlich wird, ist etwa, dass bestimmte manualtherapeutische Massnahmen migräneartige Beschwerden auslösen können.

Physiotherapie nicht für jeden Patienten sinnvoll

Physiotherapie ist bei Kopfschmerzen dann sinnvoll, wenn Gelenk- und Muskelfunktion im Nackenbereich pathologisch verändert sind. Überprüfen lässt sich dies mit Tests, bei denen sechs bei Patienten mit Migräne häufiger pathologisch ausfallen als bei gesunden Kontrollpersonen:

  • passive Gelenkuntersuchung
  • Triggerpunktuntersuchung
  • kraniozervikaler Flexionstest
  • Flexions-Rotations-Test
  • Symptomreproduktion und Symptomrückgang bei gehaltener Zusatzbewegung
  • thorakales Screening

Bei Patienten mit Kopfschmerzen vom Spannungstyp treten ausserdem häufig myofasziale Triggerpunkte auf. Oft sind auch eine nach anterior verschobene Kopfposition und reduzierte Druckschmerzschwellen vorhanden.

Manuelle Therapie, Triggerpunkttherapie bei Spannungskopfschmerzen und Migräne wirksam

Nationale und internationale Empfehlungen zum Spannungskopfschmerz raten zu verschiedenen Formen von Physiotherapie, wie:

  • manualtherapeutische Gelenkmobilisation
  • Weichteiltechniken wie Detonisierung und Triggerpunkttherapie
  • Stabilisierungsübungen

Metaanalysen zeigen ausserdem, dass manuelle Therapien und Ausdauersport die Intensität von zervikogenen Kopfschmerzen, Migräne und Spannungskopfschmerzen reduzieren können. Die Manualtherapie scheint dabei ähnlich effektiv wie eine medikamentöse Prophylaxe zu sein.

In aktuellen Leitlinien zur Migräne werden physiotherapeutische Verfahren zwar nicht erwähnt. Ein systematischer Review ergab allerdings , dass ein klinisch relevanter Effekt auf Migräne durch eine Kombination verschiedener Verfahren erzielt werden kann, darunter:

  • spezielle Atemtechniken
  • Dehnübungen
  • manuelle Therapie
  • Triggerpunkttherapie
  • Heimübungsprogramme

Weichteiltechniken in der Physiotherapie reduzieren laut einer Übersichtsarbeit die Intensität und Häufigkeit von Kopfschmerzen zudem etwas effektiver als manuelle Verfahren.

Geregelte Lebensführung ist immer von Nutzen

Insbesondere Migränepatienten fürchten Sport als Attackenauslöser, schreiben die Autoren. Dabei wird aerobes Ausdauertraining für alle Kopfschmerzformen empfohlen. Noch wirksamer bei bei Migräne und Spannungskopfschmerzen scheint Krafttraining zu sein.

Vorteilhaft für alle Patienten mit Kopfschmerzen sind ausserdem

  • ein gleichmässiger Schlaf-Wach-Rhythmus,
  • geregelte Mahlzeiten,
  • ausreichende Erholungspausen,
  • Entspannungsübungen und
  • effektives Stressmanagement.

Ein multimodales Programm zur Psychoedukation der Patienten ist ebenfalls von Nutzen. Dieses sollte u.a. Heimübungen, Massnahmen zur Ergonomie in Beruf und Freizeit sowie neurophysiologische Erläuterungen des Krankheitsbildes umfassen.