Medical Tribune
2. Nov. 2023Sind Biomarker der Schlüssel der Zukunftsdiagnostik?

Demenz früh erkennen und bremsen

Frühe Stadien von Hirnleistungsstörungen können in eine Demenz übergehen. Eine effiziente Diagnostik und Prävention ermöglichen rechtzeitige Gegenmassnahmen, wie Professor Dr. Andreas Urs Monsch, ehemaliger Abteilungsleiter Memory Clinic, Universitäre Altersmedizin FELIX PLATTER, Basel, in einem Interview erläuterte.

Wie lassen sich frühe Stadien von Hirnleistungsstörungen zielführend diagnostizieren? Welche Rolle spielen dabei Biomarker?

Portrait Dr. Andreas Urs Monsch
zVg

Professor Dr. Andreas Urs Monsch

Prof. Monsch: Hirnleistungsstörungen können sich ausschliesslich mittels sogenannter neuropsychologischer Tests, wo auch die Kognition untersucht wird, feststellen. Für die hausärztliche Praxis empfehlen wir hierfür den «BrainCheck» (www.braincheck.ch), der zunächst eine recht zuverlässige Aussage darüber erlaubt, ob eine weiterführende Abklärung überhaupt indiziert ist.

Er umfasst eine sehr kurze Befragung des Patienten, die Durchführung des Uhrentests und einen kurzen Fragebogen für die Angehörigen. Falls der Hausarzt selbst eine kurze kognitive Testung vornehmen will, empfehlen wir den MoCA (Montreal Cognitive Assessment; www.mocatest.ch). Für die Diagnostik in sehr frühen Stadien und bei für Alzheimer eher untypischen Hirnleistungsstörungen stellt die neuropsychologische Untersuchung in einer der in der Schweiz vorhandenen 47 Memory Clinics (www.swissmemoryclinics.ch) das zentrale Element der Diagnostik dar.

Die Rolle der Biomarker ist bei der Ursachenfindung neben der sorgfältigen klinisch-neurologischen Untersuchung von grosser Bedeutung. In diese Kategorie fallen zum Beispiel das MRI zur Darstellung struktureller Veränderungen oder das PET zur Darstellung eines möglicherweise veränderten lokalisierbaren Glukoseverbrauchs.

Die für die Alzheimerkrankheit typischen Proteinveränderungen im Gehirn (Amyoid, Tau) lassen sich im Liquor oder auch mittels einer PET- Untersuchung feststellen. Neuere, vielversprechende Arbeiten zeigen, dass diese pathologischen Proteinveränderungen auch im Blut gemessen werden können. ­Plasma-P-tau in Kombination mit Ass 42/Ass 40 scheint aktuell der beste Kandidatenmarker für die Alzheimerkrankheit zu sein. Interessant ist auch die Analyse von Neurofilamenten, die als Marker für die Neurodegeneration gelten.

Welche Rolle kommt dem Monitoring bei subjektiven kognitiven Störungen und leichten kognitiven Störungen zu und wie lässt es sich am besten umsetzen?

Prof. Monsch: Bei Patienten, die «nur» über subjektive Hirnleistungsstörungen klagen, die aber nicht objektiviert werden können, kann es sein, dass diese sich von einem sehr hohen Niveau auf den Durchschnitt verschlechtert haben. Wir bitten diese Patienten, sich in einem bis zwei Jahren erneut zu melden, falls sie subjektiv den Eindruck haben, dass sie sich weiter verschlechtert haben. Dieser longitudinale Vergleich erlaubt dann eine Objektivierung des kognitiven Abbaus.

In diesem Zusammenhang ist auch das Konzept der «kognitiven Reserve» bedeutsam: Menschen, die ihr ganzes Leben ihr Gehirn sehr aktiv brauchen, können die Auswirkungen eines pathologischen Prozesses länger kompensieren und erleben erste kognitive Einbussen wesentlich später. Ist dann aber ein kognitiver Abbau ersichtlich, wird der Verlauf maligner; diese Patienten müssen also engmaschiger begleitet werden. Ein wichtiger Teil unseres Monitorings ist auch, dass wir die erhobenen Daten unbegrenzt aufbewahren. Es gibt tatsächlich Patienten, die sich nach vielen Jahren zu einer weiteren Untersuchung vorstellen.

Klinische Studien betonen den Einfluss modifizierbarer Faktoren in der Pathogenese der Demenz. Wie lassen sich diese Erkenntnisse in der Prävention nutzen?

Prof. Monsch: Es gilt Risikofaktoren zu meiden und protektive Faktoren zu fördern. Patienten die Risikofaktoren (z.B. Rauchen, übermässiger Alkoholkonsum) zu «verbieten» ist oft schwieriger, als sie für protektive Verhaltensweisen (z.B. Sport und kognitive Stimulation) zu motivieren. Entscheidend ist, dass am Anfang die Wahl z.B. der neuen sportlichen oder kognitiv stimulierenden Aktivitäten sehr sorgfältig erfolgt. Nur wenn die neue Aktivität auch Freude macht, wird diese auch regelmässig und damit nachhaltig ausgeführt.

Im «BrainCoach-Programm» (www.braincoach-programm.ch), welches wir für die Hausärzte entwickelt haben, versuchten wir, die Erkenntnisse des «Motivational Interviewing» zu berücksichtigen. Hierbei begegnet der Arzt dem Patienten auf Augenhöhe und fördert mitunter die Ideen der Patienten. Am Erfolg solcher Massnahmen wirkt der Patient also selbst aktiv mit.

Besten Dank für das Gespräch!