Medical Tribune
17. März 2017Konservative Massnahmen nicht erfolgreich

Cluster-Kopfschmerz per Elektrode ausbremsen

Anfallsartige, extrem starke, einseitige Kopfschmerzen sind das Leitsymptom von Cluster-Kopfschmerzen. Während der Attacken besteht gleichzeitig ein Horner-Syndrom mit Ptosis, Miosis und Enophthalmus, die Augen tränen, die Nase läuft und die Patienten sind psychomotorisch unruhig – laufen umher, bewegen sich rhythmisch oder krabbeln sogar auf dem Boden. Die Anfälle dauern etwa 45 Minuten, die Ursache ist nicht bekannt.

Bei den meisten Patienten genügt die rechtzeitige Inhalation von 8 bis 15 Litern Sauerstoff über 15 bis 20 Minuten sowie nasal oder subkutan per Autoinjektor appliziertes Sumatriptan für die Anfallskupierung, schreiben Dr. Andreas Böger und Professor Dr. Hendrik Terheyden, Rotes Kreuz Krankenhaus Kassel. Vor allem bei Patienten mit einer Triptan-Kontraindikation bietet sich ausserdem die nasale Lokalanästhesie mit 1 ml 4- bis 10%iger Lidocain-Lösung an. In der Prophylaxe hat sich hoch dosiertes Verapamil bewährt, als Mittel der zweiten Wahl eignen sich Topiramat und Lithium.

Konservative Therapie versagt bei 10–15%

Bei 10–15% der Betroffenen sind konservative Massnahmen nicht erfolgreich. Dann kommen neuromodulatorische Verfahren wie die Stimulation des Ganglion sphenopalatinum (SPG) infrage. Das Prinzip: Bei einer sich anbahnenden Attacke wird eine in unmittelbarer Nähe des SPG dauerhaft implantierte Elektrode durch den Patienten per Funksignal aktiviert, wodurch sich der Tonus der hirnversorgenden Gefässe verändert und der Anfall idealerweise komplett sistiert.

Die Indikation zur SPG-Stimulation muss von einem auf Cluster-Kopfschmerzen spezialisierten Neurologen bzw. Schmerztherapeuten überprüft werden, schreiben der Schmerzmediziner und der Mund-Kiefer-Gesichtschirurg. Bewährt hat sich hier z. B. das Kasseler Modell, bei dem ein medizinisch-ökonomisch belastbarer Algorithmus bei der Patientenauswahl hilft. Ausserdem sollte schon bei der Indikationsstellung ein erfahrener Mund-Kiefer-Gesichts­chirurg mit im Boot sein.

Das Elektroden-Implantat wird stationär in nasaler Intubationsnarkose unter Durchleuchtungskontrolle eingesetzt. Dazu legt der Operateur den seitlichen Oberkiefer über einen Zahnfleischrandschnitt frei, präpariert den Zugang in der Fossa pterygopalatina und befestigt die per Führungsdraht eingelegte Spezial-Elektrode mit Osteo­syntheseschrauben am seitlichen Oberkiefer oberhalb der Zahnwurzeln.

Auch die Attackenfrequenz wird gesenkt

Der Heilungsverlauf zeigt sich vor allem an einer ungestörten Mund­öffnung. Mögliche entzündliche Infiltrate oder Wundinfektionen sind durch lokale Desinfektion oder Antibiotikagabe beherrschbar. Rund vier Wochen nach dem Eingriff wird der Stimulator erstmals aktiviert und in Zusammenarbeit mit dem Hersteller programmiert. Hierbei sind erfahrungsgemäss mehrere Patientenkontakte notwendig. Die übliche Medikation läuft dabei zunächst weiter und wird bei erfolgreicher Programmierung sukzessive zurückgefahren.

Der Betreuungsaufwand in der Programmierungsphase ist dementsprechend hoch. Zwei Drittel der Patienten profitieren von der elektronischen Attackenkupierung, zitieren die Autoren die Ergebnisse der randomisierten und kontrollierten Pathway-CH1-Studie. Erste Langzeitdaten der offen weitergeführten Untersuchung belegen darüber hinaus bei einigen Patienten auch einen – wissenschaftlich bisher allerdings nicht erklärbaren – Rückgang der Attackenfrequenz. Die Studiendaten haben sich bereits in Cluster-Kopfschmerz-Leitlinien niedergeschlagen, in denen die SPG-Stimulation bei medikamentös nicht beherrschbarem Clusterkopfschmerz aufgeführt ist.

Böger A, Terheyden H. Schmerzmedizin 2017; 33: 27–31.