Medical Tribune
29. Apr. 2024Innovative Konzepte setzen oft im Stadium I an

Pankreaskarzinom: Mehr Frühstadien, mehr Chancen

Patienten mit Pankreas-Adenokarzinom haben die besten Überlebenschancen im resektablen Stadium I. Früherkennung und verbesserte adjuvante Therapien sind entscheidend für die Prognose. Das ist das Fazit von Experten am Deutschen Krebskongress.

Pancreatic cancer,Whipple surgery. Tissue removed from a patient with pancreatic cancer. Whipple surgery involves the removal of the duodenum (the first part of the small intestine),part of the stomach,and the head of the pancreas. The jejunum (the next part of the small intestine) is then attached to the remains of the pancreas and stomach to bypass the removed tissue and organs
Science Photo Library/Marazzi, Dr. P.

Die Whipple-Chirurgie umfasst die Entfernung von Zwölffingerdarm, Teilen des Magens und Pankreaskopf.

Die Inzidenz des Pankreas-Adenokarzinoms (PDAC) ist zu gering für ein populationsbasiertes Screening. Es gibt aber Hochrisikogruppen, für die eine regelmässige Früherkennungsuntersuchung sinnvoll erscheint. Das berichtet Prof. Dr. Roland Schmid, Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München (1).

Durch Screening mehr Tumoren früh diagnostiziert

In der multizentrischen prospektiven Studie CAPS5 definierten die Autoren das hohe Risiko etwa vor allem durch eine familiäre Vorbelastung (betroffene Verwandte ersten oder zweiten Grades) mit oder ohne Nachweis von Treibermutationen. Andere Risikofaktoren waren in CAPS5 auch eine BRCA2- oder ATM-Mutation ohne von einem PDAC betroffene Familienmitgliede (2).

Alle wurden jährlich mit Endosonografie und/oder MRT/Magnetresonanz-Cholangiopankreatikografie untersucht. Entdeckten die Experten verdächtige Läsionen, war es möglich, das Intervall zwischen den Kontrolluntersuchungen zu verkürzen.

Bei zehn der 1.461 gescreenten Hochrisikopersonen wurde zwischen 2014 und 2021 ein PDAC diagnostiziert. Einer litt bereits zum Zeitpunkt der Diagnose an einem metastasierten PDAC, nachdem er vier Jahre zuvor die Überwachung abgebrochen hatte. Von den übrigen neun Erkrankten mit PDAC, die im Screeningprogramm geblieben waren, wiesen sieben (77,8 %) ein Stadium I auf. Nur jeweils ein Patient war bei der Diagnose im Stadium II oder III.

Ausserhalb des Screeningprogramms erhielt in weiteren CAPS-Studien nur eine von insgesamt sieben Personen eine Diagnose im Stadium I. Das mediane OS der Patienten mit PDAC betrug im Screeningprogramm 9,8 Jahre und ausserhalb 1,5 Jahre.

Adjuvante zielgerichtete Therapie nur selten möglich

Aber auch wenn ein PDAC im Stadium I entdeckt wird, sollte der kurativ intendierten Chirurgie standardmässig eine adjuvante Therapie folgen. Prof. Schmid weist darauf hin, dass auch einige oligometastasierte Pankreaskarzinome möglicherweise noch kurativ behandelbar sind.

Wie PD Dr. Georg Beyer vom LMU München berichtet, prüft die Arbeitsgemeinschaft Internistische Onkologie (AIO) in der Phase-II-Studie HOLIPANC derzeit eine neoadjuvante Therapie mit liposomalem Irinotecan kombiniert mit Oxaliplatin und 5-FU/Folinsäure, gefolgt von einer kurativen Resektion bei Patienten mit auf die Leber beschränktem oligometastatischem, lokal resezierbarem oder lokal fortgeschrittenem PDAC (3).

Die demnächst anlaufende Phase-III-Studie METAPANC der AIO schliesst dabei auch Erkrankte mit PDAC und resektablem Primärtumor sowie maximal drei Lebermetastasen ein. Verglichen wird darin

  • die neoadjuvante Chemotherapie mit acht Zyklen modifiziertem FOLFIRINOX gefolgt von Resektion und 5-FU-basierter Erhaltungstherapie über drei Monate,
  • alleinige Chemo mit acht Zyklen FOLFIRINOX und 5-FU-basierter Erhaltung ohne Chirurgie.

Die adjuvant zielgerichtete Behandlung spielt aktuell nur für wenige Patienten mit Pankreaskarzinom eine Rolle – viele weisen keine Alterationen auf, die eine solche Therapie möglich machen. KRASG12C-Mutationen, für die inzwischen Inhibitoren verfügbar sind, finden sich z.B. nur bei einem bis zwei Prozent der Pankreaskarzinome, so Prof. Schmid.

Bislang begrenzen die rasche Resistenzentstehung und die Heterogenität der Tumoren die Effektivität der zielgerichteten Substanzen.

Von T-Zell-Rezeptor-Therapie bis Vakzinierung

Eine andere Option könnte in Zukunft eine auf das KRASG12D-Neoantigen gerichtete T-Zell-Rezeptor-Gentherapie sein, berichtet Dr. Beyer. Eine Patientin mit extensiv vorbehandeltem metastasiertem Pankreaskarzinom hatte auf diese angesprochen. Auch die Vakzinierung gegen Tumor-Neoantigene erscheint möglich.

In einer Phase-I-Studie erzielte eine gegen KRASG12D und KRASG12R gerichtete Vakzine bei vielen Patienten mit resektablem PDAC und einem molekularen KRASG12D/KRASG12R-positiven Rezidiv nach der OP ein gutes bis komplettes Ansprechen (4).

Einen weiteren Ansatz könnte eine individualisierte, nach dem Resektat adaptierte mRNA-Vakzine gegen verschiedene festgestellte Neoantigene als Zusatz zur adjuvanten Chemotherapie darstellen. In einer monozentrischen Untersuchung erhielten Personen mit reseziertem Pankreaskarzinom eine solche individualisierte Impfung zusammen mit Atezolizumab vor der adjuvanten Chemotherapie mit modifiziertem FOLFIRINOX.

Patienten, die auf die mRNA-Impfung mit einer T-Zell-Expansion ansprachen, hatten ein deutlich reduziertes Risiko, über 18 Monate einen Progress zu entwickeln (5).

Chirurgie als Schlüsselfaktor

Die Pankreaschirurgie als potenziell kurative Option des PDAC ist mit einem hohen Risiko verbunden. Durch erfahrene Operateure lässt sich die Mortalität im Spital begrenzen.

Im Universitätsklinikum Heidelberg starben bei insgesamt 10.512 Pankreasresektionen nur 2,9 Prozent der Operierten im Spital, berichtet der ehemalige Direktor der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie am Universitätsklinikum Heidelberg, Prof. Dr. ­Markus W. ­Büchler. In seiner jetzigen Wirkungsstätte am Pankreaskarzinom-Zentrum der Champalimaud Foundation in Lissabon, Portugal, sei die Krankenhausmortalität nach Pankreasresektion sogar noch geringer.

Die Realität sei aber eine andere, berichtete er aus einer noch nicht publizierten Auswertung von deutschen Krankenkassendaten. Zwischen 2010 und 2019 wurden danach 11.419 totale Pankreatektomien in Deutschland durchgeführt.

Die Hälfte der Kliniken führte diese komplexen Eingriffe nur bis zu zehn Mal in zehn Jahren durch – also im Durchschnitt maximal einmal pro Jahr. Die Krankenhausmortalität nach der OP betrug in diesen Kliniken 32,4 Prozent, bei Eingriffen mit Gefässrekonstruktion sogar 59,7 Prozent.

Für Kliniken mit mehr als 70 solcher Eingriffe in zehn Jahren belief sich die Krankenhausmortalitätsrate auf 18,6 Prozent, bei Gefässrekonstruktion auf 29,3 Prozent. «Das ist besser, aber nicht gut», betonte Prof. ­Büchler. «Da muss sich etwas ändern!»

Büchler MW. 36. Deutscher Krebskongress 2024; Keynote Lecture «Therapieintensivierung oder Nihilismus? Die Perspektive des ­Chirurgen».