Medical Tribune
30. März 2024TRISST über verstaubte adjuvante Biomarker?

Neue Risikostratifizierungen für das Stadium-1-Seminom

Bei einem Seminom im Stadium 1 scheinen die nach der Hoden-OP zur Entscheidung für oder gegen eine adjuvante Chemotherapie verwendeten Marker offenbar veraltet. Zwei neue Klassifikationen, die am ASCO-GU vorgestellt wurden, bieten Orientierung.

Bei diesem Seminom macht sich der Tumor durch Lobuli aus uniformen Zellen bemerkbar, die durch feine bindegewebige Septen getrennt sind.
Calicut Medical College/wikimedia commons
Bei diesem Seminom macht sich der Tumor durch Lobuli aus uniformen Zellen bemerkbar, die durch feine bindegewebige Septen getrennt sind.

Nach Entfernung eines Stadium-1-Seminoms reicht bekanntlich meist eine Beobachtung. Annähernd alle der rund 15 bis 20 Prozent von Rezidiven betroffenen Patienten können so durch eine Salvagetherapie geheilt werden.

«Adjuvantes Carboplatin kann das Rückfallrisiko verringern – ist aber für den Grossteil der Personen klar unnötig. Wenn wir es einsetzen, brauchen wir eine effektive Risikostratifizierung», sagt Prof. Dr. ­Robert A. ­Huddart vom Institute of Cancer Research and Royal Marsden NHS Foundation Trust in Sutton (1).

Unterteilung in drei Risikogruppen

Die derzeit genutzten Biomarker, eine Tumorgrösse von mehr als 4 cm und eine Rete-testis-Infiltration (RTI), seien vor rund 20 Jahren vorgeschlagen und seitdem nicht konsequent validiert worden. «Im vergangenen Jahr hat eine Gruppe der European Association of Urology auf diesem Kongress ein neues Modell vorgestellt. Es unterteilt Seminom-Patienten in drei Gruppen auf Basis von Tumorgrösse, RTI und lymphovaskulärer Invasion (LVI)», erklärt Prof. ­Huddart.

Die Fünf-Jahres-Rückfallrisiken betrugen acht, 20, und 44 Prozent. Rund 56 Prozent der Personen fielen in die niedrigste Kategorie, 41 Prozent in die mittlere und nur 2,3 Prozent in die Hochrisikogruppe.

Als einen bedeutenden sekundä­ren Endpunkt der englischen Phase-3-Studie TRISST analysierte das Team um Prof. ­Huddart jetzt auch prognostische Rezidivmarker. Die prospektive Kohorte von 669 Teilnehmenden erhielt keine adjuvante Chemotherapie, sondern wurde nur überwacht. Die Forschenden nutzten die Daten ausserdem, um das EAU-Vorhersagemodell zu validieren.

Die Wissenschaftler untersuchten den Einfluss verschiedener Faktoren auf die Zeit bis zu einem Rückfall; darunter

  • Alter
  • Tumormasse bzw. -grösse,
  • Rete-Testis-Infiltration,
  • T-Stadium,
  • Lymphovaskuläre Infiltration,
  • Lage,
  • sowie die Marker LDH und ss-HCG.

«Wir fanden heraus, dass eine Tumorgrösse von mehr als 4 cm weiterhin als prognostischer Marker Gültigkeit besitzt. Wie auch das T-Stadium. Nicht so jedoch die Rete-testis-Infiltration», bemerkte Prof. ­Huddart.

Die grössten Hazard Ratios ergaben sich beim Vergleich grosser und kleiner Seminome (≥ 4 cm vs. < 2 cm; HR 4,00; 95%-KI 2,00–8,01) und pT3 vs. pT1 (HR 3,89; 95%-KI 1,77–8,57). Anhand ihrer Analyse unterteilte das Team die Kohorte in drei Risikokategorien:

  • Niedrig: 20 % der Kohorte; Fünf-Jahres-Rückfallquote von 2,3 %
  • Mittel: 55 % der Teilnehmenden; Rezidivrisiko 12,0 %
  • Hoch: Anteil von 24 %; Rezidivrisiko 22 %

Hohe Rückfallgefahr bei grossen Läsionen und/oder pT3

Die niedrigste Risikogruppe zeichnete sich vor allem durch kleine Seminome, ein Alter von mehr als 30 Jahren und pT1-Status aus. Bei denjenigen Betroffenen mit hoher Rückfallgefahr lagen hingegen eher grosse Läsionen und/oder pT3 vor. Wendeten die Forschenden das EAU-Modell auf die ­TRISST-Daten an, bestätigte das die beschriebenen Kategorien (Harrell’s C-Index 0,62).

Einem niedrigen Risiko wurden so 66 Prozent zugeordnet, 33 Prozent fielen in die mittlere Gruppe und die Hochrisiko-Kohorte machte zwei Prozent aus. Die Fünf-Jahres-Rezidivraten beliefen sich jeweils auf 10,1, 16,1 und 45,5 Prozent.

EAU- und TRISST-Prognosemodelle für das Seminom

«Das hiermit validierte EAU-Prognosemodell identifiziert eine kleine Gruppe mit besonders hohem Risiko, die von einer adjuvanten Behandlung profitieren könnte», erklärt Prof. ­Huddart. «Es bleibt aber rund ein Drittel der Betroffenen übrig, die immer noch zu 16 bis 20 Prozent rezidivieren. Damit könnten sich einige unwohl fühlen.»

Das ­TRISST-Vorhersagemodell ordne mit rund einem Viertel der Kohorte mehr Betroffene der Hochrisikogruppe zu. Alle anderen, also 75 Prozent, hätten aber mit höchstens 12 Prozent ein relativ niedriges Rückfallrisiko, betonte der Referent.

Zu bedenken sei, dass Personen, die die behandelnden Onkologen als Hochrisiko-Fälle einstuften, vermutlich nicht in TRISST eingeschlossen wurden, sondern eine adjuvante Behandlung erhielten, merkt der Referent an.

Es sei davon auszugehen, dass die tatsächlichen Gruppen grösser seien als in diesem Studiensetting. Unter den Teilnehmenden erlitten 12 Prozent ein ­Rezidiv.

Primärer Endpunkt

Hauptgegenstand der Arbeit war es, ein reduziertes Bildgebungsregime (drei vs. sieben Scans) zu untersuchen, sowie die Bildgebungsmodalität (MRI vs. CT) zu vergleichen. Beides war laut den Ergebnissen der Standard-CT-Nachsorge nicht unterlegen.