Medical Tribune
3. Nov. 2023Chronische Erkrankungen und verkürzte Lebenserwartung

Pädiatrische Krebserkrankungen: Der hohe Preis des Überlebens

Dank der modernen onkologischen Behandlungsmethoden sind die Überlebenschancen von an Krebs erkrankten Kindern und Jugendlichen hoch. Allerdings haben die Betroffenen lebenslang ein erhöhtes Risiko für gesundheitliche Beeinträchtigungen. Unter anderem müssen sie sich deutlich häufiger chirurgischen Eingriffen unterziehen.

Medizinisches Chirurgenteam im Spital operiert an einem Patienten.
Damian – stock.adobe.com
Die operativen Eingriffe bei den ehemals Krebserkrankten verteilten sich auf alle grossen Organsysteme, u. a. ZNS, Herz-Kreislauf- oder endokrines System.

Viele der im Kindes- und Jugendalter an einem malignen Tumor erkrankten Patienten überleben mittlerweile Jahrzehnte. Die lebensrettenden multi­modalen Krebstherapien bleiben jedoch nicht ohne Folgen, schreiben amerikanische Autoren in einer aktuellen Übersichtsarbeit (1): Chronische Erkrankungen und Zweitmalignome sowie eine verkürzte Lebenserwartung sind der Preis.

Childhood Cancer Survivor Study diente als Grundlage

Eine Studie, die auf Daten der Childhood Cancer Survivor Study (CCSS) basiert, untersuchte nun, wie häufig junge Krebspatient:innen im Laufe ihres Lebens grösseren Operationen unterzogen werden müssen. Die CCSS umfasste 25.656 Personen, die zwischen 1970 und 1999 im Alter von unter 21 Jahren in 31 US-Zentren aufgrund eines Malignoms behandelt wurden und mindestens fünf Jahre überlebt hatten.

Das Tumorspektrum umfasste dabei unter anderem Leukämien, Lymphome, Knochen- und ZNS-Tumoren, Wilms-Tumoren sowie Neuroblastome. Im Median betrug die Nachbeobachtungszeit 22 Jahre.

Die Forschenden analysierten die Daten der CCSS und berechneten die mittlere kumulative Häufigkeit (MCC) grösserer chirurgischer Eingriffe, die die ehemaligen Patienten später als fünf Jahre nach der Krebsdiagnose durchführen mussten. Als Vergleichsgruppe dienten 5.045 gesunde Geschwister der Patienten.

Fast doppelt so viele Operationen notwendig

Die Ergebnisse zeigten, dass die MCC operativer Eingriffe nach 35 Jahren im Kollektiv der Langzeitüberlebenden bei rund 207 pro 100 Personen lag, während es im Kontrollkollektiv nur 129 waren. Damit war die Rate der Eingriffe im Kollektiv der Langzeitüberlebenden um den Faktor 1,8 (95%-KI 1,7–1,9) höher.

Die Operationen betrafen verschiedene Organsysteme wie das Zentralnervensystem, das Herz-Kreislauf-System, das endokrine System, die Atemwege, die Wirbelsäule, die Brust, die Niere und die Harnwege, den Bewegungsapparat, den Gastrointestinaltrakt sowie die Kopf-Hals-Region.

Besonders betroffen waren Menschen, die ein Hodgkin-Lymphom, bzw. ein Ewing- oder Osteosarkom überlebt hatten. Weibliche Krebsüberlebende unterzogen sich im Vergleich zu männlichen Betroffenen häufiger Operationen (adjustierte Rate Ratio aRR 1,4; 95%–KI 1,4–1,5). Zudem stellten die Forschenden fest, dass nach einer Tumordiagnose in den 1990er-Jahren deutlich häufiger chirurgische Eingriffe erforderlich waren als nach einer Diagnose in den 1970er-Jahren (aRR 1,4; 95%–KI 1,3–1,5).

Die Autoren der Studie betonen, dass Langzeitüberlebende von Krebserkrankungen im Kindes- und Jugendalter und deren Familien über das erhöhte Operationsrisiko informiert und hinsichtlich chirurgisch behandlungsbedürftiger Komplikationen überwacht werden sollten.

Weiterer Forschungsbedarf

Zudem ist weitere Forschung erforderlich, um die langfristigen chirurgischen Folgen von Krebserkrankungen im Kindes- und Jugendalter besser zu verstehen, kommentieren Prof. Dr. Danny Youlden vom Viertel Cancer Research Centre in Brisbane und Kollegen.

Grosse Bevölkerungsstudien könnten beispielsweise klären, warum weibliches Geschlecht häufigere Operationen begünstigt und wie verschiedene onkologische Therapiestrategien, soziale Schichtzugehörigkeit oder geografische Faktoren die Behandlungsergebnisse beeinflussen.