Medical Tribune
7. Okt. 2023Flatliner-Krebszellen

Krebszellen interpretieren Zelltod-Signale um

Ständig sterben in unserem Körper alte oder defekte Zellen ab und werden durch neue ersetzt. Diesen Vorgang setzt normal die Aktivierung von Zelltod-Signalwegen in Gang. Krebszellen scheinen eine Ausnahme zu bilden: Sie teilen sich ungehemmt. Dieses Nichtsterben z.B. auch unter Chemotherapie, interpretierte man bislang so, dass Krebszellen gegen die Signale des regulierten Zelltods resistent sind. Ein deutsches Forscherteam stellt diese Annahme nun in Frage.

Flatliner-Zellen nehmen regulierte Zelltod-Signale zwar wahr. Diese führen allerdings nicht zu ihrem Tod.
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Flatliner-Zellen nehmen regulierte Zelltod-Signale zwar wahr. Diese führen allerdings nicht zu ihrem Tod.

Auch wenn Zellen die Signale für einen regulierten Zelltod erhalten haben, müssen sie nicht sterben. Die neu entdeckte Zell-Unterart der «Flatliner-Zellen», kann diese überleben, und sogar für die Aktivierung von anderen Zell-Pathways nutzen, so das Ergebnis einer neuen Veröffentlichung eines deutschen Forscherteams.

Flatliner überleben Zelltod-Aktivierung

«Die Zellen aktivieren die Zelltod-Signale, aber diese führen in einigen Krebszellen nicht zum Absterben – stattdessen umgehen sie den Zelltod durch konkurrierende Mechanismen», erklärt Dr. Halime Kalkavan, Erstautorin und Wissenschaftlerin an der Medizinischen Fakultät der Universität Duisburg-Essen und des Westdeutschen Tumorzentrums der Universitätsmedizin Essen.

«Die von uns beschriebenen Flatliner-Zellen überleben nicht nur die Aktivierung des Zelltod-Programmes, sondern verändern dabei auch ihren Charakter und senden Signale an ihre Umgebung aus.»

Dieses Phänomen ist erst kürzlich bei an der Wundheilung involvierten Zellen beschrieben worden. Hier ist es nach einer Zellschädigung für den Heilungsprozess unabdinglich, dass Immunsystem-aktivierende Botenstoffe freigesetzt werden und dass Zellen migrieren, um die Wunde zu verschliessen. Krebs bedient sich derselben Signalwege. Dass diese Phänomene, die erheblich zur Aggressivität von Tumoren beitragen, eine direkte Folge der unvollendeten Aktivierung des regulierten Zelltodes sein können, ist eine völlig neue Erkenntnis, so die Wissenschaftlerin.

Ursprung der Persister-Zellen?

Die Forscher vermuten nun, dass Flatliner-Zellen der Ursprung der sogenannten Therapie-toleranten Persister-Zellen sein könnten, die häufig den Erfolg einer Krebstherapie gefährden. Persister-Zellen werden – ohne sich dabei genetisch zu verändern – während einer Krebstherapie vor­übergehend unempfindlich gegen die verwendeten Medikamente und können nach Therapieende für Rückfälle und Metastasen verantwortlich sein.