Medical Tribune
23. Juni 2023Optionen für die Zweitlinie

Merkelzellkarzinom: Wenn die Immuntherapie nicht mehr wirkt

Für die Zweitlinie nach Versagen einer Checkpoint-Inhibition gibt es beim seltenen Merkelzellkarzinom kaum Möglichkeiten. Zwei statt nur einen Hemmer zu geben, könnte eine Option sein. Aber auch ganz neue Substanzen werden aktuell untersucht. Ein Überblick wude am 19. EADO Congress vorgestellt.

Beim Merkelzellkarzinom sind mit der Immuntherapie die Optionen weitgehend ausgeschöpft.
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Das zu den seltenen Tumoren zählende ­Merkelzellkarzinom ist neuroendokriner Natur.

Die PD(-L)1-Inhibition ist der aktuelle Goldstandard in der Therapie von Merkelzell­karzinom-Patienten, die nicht für eine Operation geeignet sind», erinnert Prof. Dr. ­Selma ­Ugurel, Universitätsklinikum Essen (1).

Primäre und sekundäre Resistenzen sind in diesem Zusammenhang ein Problem. Denn: Sie kommen häufig vor, eine erworbene Resistenz tritt meist bereits im ersten Jahr der ICI-Therapie auf und nach Stopp der Immuntherapie dauert das Ansprechen auf die Behandlung – anders als beim Melanom – meist nicht lange an. «Deshalb besteht ein hoher Bedarf für Rescue-Strategien nach PD(-L)1-Refraktärität», betonte die Referentin.

Rätselraten um Kombination mit CTLA4-Hemmung

Eine mögliche Option ist es, die PD(-L)1-Inhibition mit der ­CTLA4-Hemmung zu kombinieren. «Zu dieser Strategie liegen aktuell sehr widersprüchliche Daten vor», so Prof. ­Ugurel. In einer monozen­trischen, retrospektiven Untersuchung der Harvard Medical School wurden 13 PD(-L)1-refraktäre Patienten mit Ipilimumab plus Nivolumab (Ipi/Nivo) behandelt. Die ORR betrug 0 Prozent. Die Wissenschaftler schlussfolgerten erwartungsgemäss, dass diese Kombination einen begrenzten, wenn nicht sogar keinen Benefit für Personen mit PD(-L)1-refraktärem Merkelzellkarzinom bringt.

«In Europa waren wir sehr verwundert über diese Ergebnisse», berichtete die Vortragende. Der Grund: Etwa zeitgleich wurde über das ADOREG-Register eine multizentrische, retrospektive Analyse durchgeführt. In diese waren 14 PD-L1-refraktäre Merkelzellkarzinom-Patienten eingeschlossen. Sie alle hatten vorab Avelumab erhalten – im Gegensatz zu den oben genannten Personen, die mit verschiedenen PD(-L)1-Hemmern vorbehandelt waren. Die ORR auf Ipi/Nivo lag in der Auswertung bei 50 Prozent.

Merkelzellkarzinome reagieren womöglich besser auf PD1- als PD-L1-Hemmer

Dass die Inhibitorenkombination eine Option für Betroffene mit PD-L1-refraktärem Merkelzellkarzinom ist, lassen auch weitere Analysen vermuten, in denen Patientencharakteristika genauer unter die Lupe genommen wurden. Daraus wird deutlich, dass MCC besser auf PD1-Antikörper ansprechen als auf PD-L1-Hemmer. Das könnte ein Grund sein, warum der Switch von Avelumab zu Ipi/Nivo besser gelingt, als wenn vorab schon ein PD1-Inhibitor im Spiel war, sagte Prof. ­Ugurel.

Schliesslich stellte sie eine randomisierte, prospektive Phase-II-Studie vor, in der jeweils 25 Teilnehmer Ipi/Nivo mit oder ohne stereo­taktische Bestrahlung erhielten. Die Radiatio hatte keinen Zusatz­nutzen – weder für immuntherapie­naive Personen noch für jene mit vorheriger ICI-Gabe.

Jedoch sprachen die naiven Patienten zu 100 Prozent auf Ipi/Nivo an. Die ORR in der Gruppe von mit PD(-L)1-Hemmern vorbehandelten Teilnehmenden betrug 31 Prozent. Für die Expertin ist die Inhibitoren­kombination deshalb eine valide Option für PD(-L)1-refraktäre Merkelzellkarzinom-Erkrankte.

Auch Bcl-xL und PARP sind vielversprechende Ziele

Experimentelle Daten legen darüber hinaus nahe, dass auch eine kombinierte Inhibition von Bcl-xL und PARP eine vielversprechende Strategie beim Merkelzellkarzinom darstellen könnte. Zumindest in einer Zelllinie führten die zwei Hemmer zur Apoptose der Krebszellen.

Das ist in der Pipeline

Zwei neue therapeutische Optionen werden aktuell geprüft: Navtemadlin, ein MDM2-Inhibitor, kann als Einzelsubstanz genutzt werden. «Das ist ungewöhnlich im Rahmen der Merkelzellkarzinom-Therapie», betont Prof. ­Ugurel. Da Navtemadlin über TP53 wirkt, kann das Medikament nur bei Personen genutzt werden, deren Tumoren wildtypisches TP53 aufweisen. In die Studie KRT-232-103 sind Patienten eingeschlossen, die entweder allein die Immuntherapie erhalten hatten oder zudem bereits eine Chemotherapie. Letztere waren im Nachteil: Sie erreichten eine ORR von 14 im Gegensatz zu 40 Prozent in der chemotherapienaiven Gruppe. Zu bedenken gab die Referentin, dass einige problematische gastrointestinale Nebenwirkungen beobachtet wurden.

RP-1, eine onkolytische Variante des Herpes-simplex-­Virus­-1­­, wird in der IGNYTE-Studie zusammen mit Nivo­lumab getestet. Drei der vier Patienten mit Merkelzellkarzinomen sprachen auf die Therapie an. Sie waren allerdings alle PD(-L)1-naiv, wie Prof. ­Ugurel betonte. In einer weiteren Studie würde die Kombination nun auch bei PD1-refraktären Personen geprüft.