Medical Tribune
22. Juni 2023Osimertinib in der Erstlinie verringert Risiko für zerebrale Progression

EGFR direkt anvisieren

Osimertinib ist Therapie der Wahl für Patienten mit NSCLC und aktivierenden Mutationen im EGFR-Gen. Aktuelle Daten vertiefen das Verständnis der Anwendung des TKI und zum bispezifischen Antikörper Amivantamab.

Der epidermale Wachstumsfaktor hat eine zentrale Bedeutung für Zellpro­liferation und -differenzierung.

Vor 2016 wurden fortgeschrittene, EGFR-mutierte NSCLC in der Erstlinie mit Erst- und Zweitgenerations-TKI behandelt. Im Falle einer Progressions gab es nur wenige Optionen, erinnert sich Dr. Dr. ­Jordi ­Remon ­Masip, Institute Gustave Roussy, Villejuif (1). Die Entdeckung einer erworbenen T790M-Mutation im EGFR-Gen und Osimertinib änderten die Strategie.

Zwei Drittel der Tumoren mit EGFR-Mutation

Während dieser Zeit initiierten Forscher die Phase-II-Studie APPLE, in der ein sequenzieller Therapieansatz geprüft wurde. 156 Patienten randomisierten sie in drei Gruppen. Fast zwei Drittel der Tumoren wiesen dem Experten zufolge eine Deletion 19 im EGFR-Gen auf.

  • Im ersten Arm (A) erhielten sie Osimertinib bis zu einer Progression nach den RECIST-Kriterien
  • In Gruppe B wurden sie zunächst mit Gefitinib behandelt. Der Wechsel auf Osimertinib erfolgte, wenn eine T790M-Mutation im EGFR-Gen in einer Liquid Biopsy auftauchte, oder bei Progress nach RECIST
  • Im dritten Arm (C) bekamen die Teilnehmenden ebenfalls zunächst Gefitinib; für den Wechsel auf Osimertinib war eine RECIST-Progression erforderlich

Als primärer Endpunkt diente das progressionsfreie Überleben nach 18 Monaten Osimertinib-Behandlung, berichtet der Referent. Dieses unterschied sich allerdings mit 51,1 Prozent in Arm A und 61 Prozent in den gepoolten beiden anderen Gruppen nicht signifikant. Gleiches galt für das Gesamtüberleben mit 84,4 im Vergleich zu 82,3 Prozent.

Als deutlich über­legen erwies sich die initiale Osimertinib-­Gabe jedoch hinsichtlich des Überlebens ohne Progression von Hirn­metastasen: Dieses war mit median 34,3 Monaten vs. 22,3 Monate um mehr als die Hälfte länger als in den beiden anderen Armen (HR 0,54; 90%-KI 0,34–0,86); die 18-Monats-Raten betrugen 82,2 vs. 63,5 Prozent.

Insgesamt sei das serielle Monitoring des T790M-Status durch ctDNA-Messungen möglich, um Therapieentscheidungen zu treffen, resümierte der Referent. Die Erstlinienbehandlung mit Osimertinib bringe gegenüber der sequenziellen Strategie einen deutlichen Vorteil hinsichtlich der zerebralen ­Progression.

Weniger Toxizitäten im Prüfarm

In einer weiteren randomisierten Phase-II-Studie wurden Patienten mit EGFR-­mutiertem NSCLC entweder in der Erstlinie oder in der Zweitlinie – nach Entwicklung einer T790M-Resistenzmutation – mit Osimertinib behandelt. Diejenigen 122 Personen, die nach sechs bis zwölf Wochen keine Progression entwickelt hatten, erhielten randomisiert Osimertinib entweder alleine oder zusätzlich eine lokale Konsolidierungstherapie. Letztere bestand in 59 Prozent der Fälle aus einer Bestrahlung, in 29 Prozent aus einer Operation und in 12 Prozent aus beiden Strategien, erklärt der Experte.

Bislang liegen laut Professor Dr. Dr. ­Saumil ­Gandhi vom MD Anderson Cancer Center in Houston ausschliesslich die Daten zur Verträglichkeit vor (2). Nach median 16 Monaten gab es keine unerwünschten Ereignisse vom Schweregrad 4 oder 5.

16 vs. 29 Prozent der Teilnehmer erlitten unter alleinigem Osimertinib vs. zusätzlicher lokaler Konsolidierung Grad-3-Nebenwirkungen (p = 0,08). Am häufigsten traten unter anderem Hyponatriämie (4,8 vs. 6,8%) und Pneumonitis (3,4 vs. 1,7%) auf. Unter den 42 Erkrankten, die eine Bestrahlung erhielten, gab es eine Grad-3-Nebenwirkung mit möglichem Bezug dazu (nicht kardial bedingte Schmerzen in der Brust).

Von den 24 operierten Patienten erlitten drei operationsbezogene Grad-3-Nebenwirkungen – eine arterielle Verletzung und zwei Empyeme. Unerwünschte Ereignisse der Grade 1 oder 2 wurden im Arm mit Konsolidierungstherapien beobachtet. Sie umfassten Fatigue (56%), Diarrhö (45%), Dyspnoe (31%), Husten (29%), Pneumonitis (10%), Dysphagie (12%) und Ösophagitis (7%).

Die zusätzliche Konsolidierung mit Radio- und/oder chirurgischer Behandlung sei gut verträglich. Zudem sei sie nicht mit einem Anstieg schwererer unerwünschter Nebenwirkungen assoziiert, lautete das Fazit des ­Referenten.

Amivantamab ist langfristig wirksam

Der Anti-EGFR- und Anti-MET-Antikörper Amivantamab ist als Monotherapie zugelassen zur Behandlung von Erwachsenen mit fortgeschrittenem NSCLC und aktivierenden Exon-20-Insertions-Mutationen im EGFR-Gen nach Versagen einer platinbasierten Chemotherapie. Prof. Dr. ­Pilar ­Garrido ­Lopez, University Hospital Ramón y Cajal (IRYCIS) in Madrid, präsentierte Langzeitdaten von 114 Patient:innen, die in der ­CHRYSALIS-Studie nach einer Chemotherapie Amivantamab erhalten hatten.

Nach einem Follow-up von median 19,2 Monaten waren 48 Personen (42%) noch am Leben. Die ORR betrug 37 Prozent, mit einer medianen Dauer des Ansprechens von 12,5 Monaten. Die Wirksamkeit des Antikörpers zeigte sich im Wesentlichen unabhängig von u.a. Alter, Vorbehandlung oder Ansprechen auf eine vorangegangene Chemotherapie. Das mediane PFS erreichte 6,9 Monate, das mediane OS 23 Monate. 48 Patienten hatten einen langfristigen klinischen Benefit. Bei 15 Teilnehmer wird die Behandlung nach median 2,6 Jahren noch immer fortgeführt. Ein ECOG 0, ein Therapieansprechen und das Fehlen von Veränderungen im RAS/RAF/MEK-Signalweg zu Beginn der Behandlung begünstigte einen langfristigen klinischen Nutzen. Die häufigsten Nebenwirkungen umfassten Ausschlag und Infusionsreaktionen.

Derzeit läuft die Phase-III-Studie ­PAPILLON. Diese testet die Kombination aus Amivantamab und Chemotherapie in der Erstlinie randomisiert gegen eine alleinige Chemotherapie.

Garrido Lopez P. European Lung Cancer Congress 2023; Abstract 3O