Medical Tribune
29. März 2023HR+ HER2- Brustkrebs am SGBCC

«Endokrine Therapie optimieren statt Chemotherapie für alle Prämenopausalen»

Zumindest drei grosse Studien legen mittlerweile nahe, dass man vielen Frauen mit hohem klinischen und niedrigem genomischen Risiko die Chemotherapie ersparen kann. Auf der 18. St. Gallen International Breast Cancer Conference wurden Möglichkeiten diskutiert, wie mitunter auch junge Patientinnen besser identifiziert werden können, die mit einer guten endokrinen Therapie auskommen – und was man darunter verstehen kann.

Ist eine Chemotherapie wirklich bei allen Prämenopausalen nötig? Fragte sich ein hochkarätiges Panel am SGBCC.
SGBCC Webcast

Beim luminalen Brustkrebs sinken seit Jahren die Zahlen der Patientinnen, die eine adjuvante Chemotherapie erhalten. Das ist unter anderem auch auf genetische Tests zurückzuführen, erklärt Dr. Elzbieta Senkus, Onkologin an der Medizinischen Universität Gdansk.

«Aber sind diese auch gut genug, um unseren Patientinnen eine Chemotherapie zu ersparen?» fragt sie in ihrem Vortrag im Rahmen des neuen Online-Formates der SGBCC-Academy (1). Und damit ist sie auf der 18. St. Gallen International Breast Cancer Conference nicht allein (2,3).

Der Status quo

Insgesamt drei grosse randomisierte kontrollierte Studien untersuchten bisher den Stellenwert des Recurrence score (RS) beim Brustkrebs im Frühstadium mit hohem klinischem Risiko: TAILORx, MINDACT und RxPONDER (4-6).

Der RS-Score wird anhand von Gentests (z.B. Ocotype DX, MammaPrint, EndoPredict) bestimmt, und misst die Aktivität von 8-70 Genen auf Paraffinschnitten von Tumorbiopsien. Er korreliert mit dem Metastasierungsrisiko.

Zumindest bei älteren Kohorten (definiert entweder als ≥ 50 oder postmenopausal) mit niedrigem genomischen Risiko (RS <25) und N0-1 zeigten alle drei Studien, dass adjuvant eine Chemotherapie zusätzlich zur endokrinen Therapie die Outcomes nicht verbessern konnte.

«Einige Gruppen schlecht charakterisiert»

Weniger klar fiel das Ergebnis dagegen bei Patientinnen mit drei oder mehr befallenen Lymphknoten aus. Zudem hatten jüngere Patientinnen (<50 Jahre oder prämenopausal) sehr wohl einen Benefit durch eine zusätzliche Chemotherapie – und das auch in den Subgruppen mit niedrigem genomischem Risiko.

Eine die eher skeptisch ist, ob Patientinnen mit niedrigen oder intermediären RS-Score grundsätzlich eine Chemotherapie vorenthalten werden sollte, ist Dr. Lisa Carey vom Lineberger Comprehensive Cancer Center der University of North Carolina. «Es gibt einige Gruppen, die in den drei vorhandenen Studien nur wenig vertreten waren» kritisiert sie. «Dazu gehören Patientinnen unter 40 Jahren, sowie Frauen mit grossen oder lokal fortgeschrittenen Tumoren und mit mehreren involvierten Lymphknoten.»

«Jetzt geben wir noch mehr Chemotherapie bei Jüngeren als vorher»

Anders sieht das Prof. Dr. Nadia Harbeck, Leiterin des Brustzentrums und der Onkologischen Tagesklinik der Frauenklinik der der Universität München. Für sie kann die Chemotherapie künftig bei Patientinnen mit niedrigem bis intermediärem genomischen und hohem klinischen Risiko ausgelassen werden. Und das gilt für sie bei bis zu drei involvierten Lymphknoten, und sowohl bei prä- als auch bei postmenopausalen Patientinnen.

«Ja, in der MINDACT- und der RxPONDER-Studie gab es potenziell einen Benefit beim Fünfjahres-invasiven krankheitsfreien Überleben (iDFS) in der prämenopausalen Kohorte», räumt sie ein. Dieser Effekt spiele sich allerdings nur im Ausmass von maximal fünf Prozent ab (z.b. 5-Jahres-fernrezidivfreies Überleben von 92,8 vs. 96,1% bei prä- und postmenopausalen Frauen in RxPONDER, 6). «Die Kurven trennen sich ausserdem erst nach rund fünf Jahren. «Es ist fraglich, ob das wirklich ein Effekt der Chemotherapie ist, die ja eigentlich nur das Risiko in den ersten fünf Jahren beeinflusst.»

Sie rät dazu, die Entscheidung für und wider eine Chemotherapie auch bei Jungen differenziert zu fällen, und warnt: «Die ASCO-Empfehlungen (7) raten aufgrund der Ergebnisse der drei Studien bereits von der Anwendung eines genomischen Tests bei jungen Frauen ab. Was wir jetzt tun ist, den Prämenopausalen mehr Chemotherapie zu geben, als wir das sonst getan hätten.»

Biomarker frühe endokrine Response mit Ki-67-Reduktion

Will man den Einsatz von Chemotherapien noch gezielter machen, gibt es laut Prof. Harbeck noch eine weitere Möglichkeit: den Einsatz von Biomarkern.

In der WSG ADAPT-Studie (8) untersuchte sie, ob ein frühes Ansprechens auf eine kurzzeitige endokrine Therapie Hinweise auf das Outcome einer rein endokrinen Therapie geben kann. Eingeschlossen wurden prä- und postmenopausale Patientinnen mit N ≤ 3. Frauen mit einem intermediären RS von 11-25 erhielten eine drei- bis vierwöchige endokrine Therapie. Im Anschluss wurden sie biopsiert und der Proliferationsmarker Ki-67 vor und nach der Behandlung bestimmt. Fiel der Anteil der Ki-67-positiven Tumorzellen auf unter zehn Prozent, wurden die Patientinnen ausschliesslich endokrin weiterbehandelt. Und das betraf doch insgesamt 76 Prozent der Teilnehmerinnen in dieser Kohorte – unabhängig vom menopausalen Status. Das fernmetastasenfreie Überleben (dDFS) bei den Teilnehmerinnen mit gutem endokrinen Ansprechen war dabei sehr gut, mit 97,4 Prozent bei Frauen bis 50 Jahren, und 95,1 Prozent bei Frauen über 50. In die 2022 aktualisierten Leitlinien der deutschen AGO zog Ki-67 als Hilfestellung für die Therapieentscheidung daher bereits ein (9).

Die restlichen Patientinnen aus der Gruppe mit intermediärem RS-Score, bei denen sich die Ki-67-positiven Zellen auf über zehn Prozent beliefen, erhielten in ADAPT eine Kombination aus endokriner Therapie und Chemotherapie. «Einen klaren Effekt der Chemotherapie sahen wir bei ihnen aber nicht», stellt Prof. Harbeck klar. «Nur Patientinnen mit einem RS über 25, die nicht auf eine endokrine Therapie ansprachen, profitierten eindeutig von der zusätzlichen Chemotherapie.»

Harbeck: Endokrine Therapie optimieren statt Chemotherapie beginnen

«Um eine endokrine Response haben braucht man eine optimale endokrine Therapie», so Prof. Harbeck. Und dabei gibt es in vielen Ländern durchaus Verbesserungsbedarf, fügt sie an. In einer Evaluation der grossen internationalen Kohorte der MONARCH-E-Studie erhielt etwa nur die Hälfte der prämenopausalen Frauen einen GnRH-Agonisten zum Aromataseinhibitor oder zum Tamoxifen (10). «Wir wissen aber aus der ADAPT- und der weiterführenden ADAPT-Cycle Studie, dass Tamoxifen bei unter 50-Jährigen nicht für eine zufriedenstellende endokrine Response ausreicht. Mit einer Kombination aus einem AI und ovarieller Suppression kann bei ihnen hingegen eine endokrine Response erzielt werden, die der von postmenopausalen Frauen ähnelt.»

Dass der Chemo-Benefit von jungen Frauen in den drei Studien TAILORx, MINDACT und RxPONDER ausschliesslich dadurch bedingt gewesen sein könnte, dass bestimmte Chemotherapien in den Hormonhaushalt eingreifen, schliessen alle drei Expertinnen nicht aus.  «Nicht zuletzt verursachen viele Chemotherapien eine Amenorrhö», erinnert etwa Dr. Senkus. «Dann ist aber auch die Frage, ob der Effekt immer nur auf die zytotoxische Komponente der Chemotherapie zurückführbar ist, oder ob wir dasselbe Ergebnis auch mit einer optimalen endokrinen Therapie erreichen können.» Genau das soll demnächst die geplante OFSET-Studie des US-amerikanischen NRG beantworten.

Referenzen

  1. 1 Senkus-Konefka E. Overtreatment in early breast cancer – who is at risk? SGBCC Academy, 18. St. Gallen International Breast Cancer Conference, 15. – 17. März 2023.
  2. 2 Connolly R. What’s new in systemic treatment of patients with early breast cancer. Session 1: News in breast cancer care since St. Gallen 2021. St. Gallen International Breast Cancer Conference, 15. – 17. März 2023.
  3. 3 Harbeck N, und Carey L. Debate I: Early breast cancer: do we need chemotherapy in low genomic/high clinical risk (ER+/HER2-)? St. Gallen International Breast Cancer Conference, 15. – 17. März 2023.
  4. 4 Sparano JA et al. Adjuvant Chemotherapy Guided by a 21-Gene Expression Assay in Breast Cancer.v N Engl J Med 2018; 379:111-121. doi: 10.1056/NEJMoa1804710
  5. 5 Cardoso F et al. 70-Gene Signature as an Aid to Treatment Decisions in Early-Stage Breast Cancer. N Engl J Med 2016; 375:717-729. doi: 10.1056/NEJMoa1602253
  6. 6 Kalinsky K et al. 21-Gene Assay to Inform Chemotherapy Benefit in Node-Positive Breast Cancer. N Engl J Med 2021; 385:2336-2347. doi: 10.1056/NEJMoa2108873
  7. 7 Andre F et al. Biomarkers for Adjuvant Endocrine and Chemotherapy in Early-Stage Breast Cancer: ASCO Guideline Update. J Clin Oncol. 2022 Jun 1;40(16):1816-1837. doi: 10.1200/JCO.22.00069.
  8. 8 Nitz UA et al. Endocrine Therapy Response and 21-Gene Expression Assay for Therapy Guidance in HR+/HER2- Early Breast Cancer. J Clin Oncol. 2022 Aug 10;40(23):2557-2567. doi: 10.1200/JCO.21.02759. Epub 2022 Apr 11
  9. 9 Arbeitsgemeinschaft gynäkologische Onkologie (AGO). Diagnosis and Treatment of Patients with Early and Advanced Breast Cancer (Guidelines Breast Version 2022), abgerufen am 29. März 2023