Medical Tribune
1. März 2021American Society of Hematology 2020

Practice-Changing Clinical Trials

Am virtuellen ASH-Kongress 2020 wurden unter dem Titel «Practice-Changing Clinical Trials» Studien vorgestellt, deren Ergebnisse eine direkte Relevanz im klinischen Alltag versprechen.

Medizinisches Konzeptbild, Blutuntersuchung
istock.com/Ca-ssis

Die erste Studie hat subkutanes Daratumumab beim rezidivierten/refraktären Multiplen Myelom (rrMM) untersucht. Kombinationen mit intravenösem Daratumumab sind bereits in der Therapie des RRMM etabliert. Für die Infusion dieses monoklonalen Antikörpers muss der Patient jedoch einen ganzen Tag im Spital verbringen. Eine fünfminütige subkutane Injektion einer neuen Formulierung vermindert die Belastung für Patient und Spital dagegen erheblich.

Für die Phase-III-Studie APOLLO1 wurden in zwölf europäischen Ländern 304 Patienten rekrutiert, die zuvor mindestens eine Vortherapie mit Lenalidomid und einem Proteasom-Inhibitor erhalten hatten. Die eine Hälfte erhielt Daratumumab subkutan plus oralem Pomalidomid und Dexamethason (D-Pd), die andere nur Pomalidomid/Dexamethason (Pd). Die Therapie wurde in 28-Tage-Zyklen durchgeführt bis zur Progression oder dem Auftreten intolerabler Nebenwirkungen.

Die Studie erreichte ihren primären Endpunkt, einer Verlängerung des progressionsfreien Überlebens (PFS), nach zwölf Monaten (medianes PFS für D-Pd vs. Pd: 12,4 vs. 6,9 Monate; Hazard Ratio [HR] 0,63), entsprechend einer klinisch bedeutsamen Reduktion des Risikos für Progression oder Tod um 37 %. Etwa ein Drittel der Patienten starb während der im Median 17-monatigen Beobachtungsdauer der Studie; ein leichter Trend zu besserem Gesamtüberleben im D-Pd-Arm war sichtbar (HR 0,91), doch ist eine längere Nachverfolgung zur Beurteilung notwendig. Die Nebenwirkungen unter Daratumumab waren mit früheren Studien konsistent; die Häufigkeit von infusionsbedingten Reaktionen war mit 6 % gering.

Die Kombinationstherapie von subkutanem Daratumumab mit Pd erscheint somit als gute Option für RRMM-Patienten, die keinen nachhaltigen Nutzen von einer Behandlung mit Lenalidomid und Proteasom-Inhibitoren hatten.

Ruxolitinib bei chronischer GVHD

Der JAK1/2-Inhibitor Ruxolitinib zeigte in einer früheren Studie überlegene Wirksamkeit bei akuter GvHD. Eine neue Studie (REACH3) untersuchte nun den Nutzen von Ruxolitinib bei der weit grösseren Zahl von Patienten mit chronischer GVHD.2

In diese offene Phase-III-Studie wurden 329 Patienten eingeschlossen, die nach einer allogenen hämatopoetischen Stammzelltransplantation eine moderate bis schwere Steroid-refraktäre oder -abhängige chronische GVHD (SR/D cGVHD) entwickelt hatten. Die eine Hälfte wurde randomisiert der Behandlung mit oralem Ruxolitinib für sechs 28-Tage-Zyklen zugewiesen; die andere Hälfte bekam nach Wahl des Arztes eine von neun alternativen Behandlungen, die die bestverfügbare Therapie (BAT) repräsentieren. Am Ende der sechs Zyklen konnten die Symptome von 125 Patienten, welche die volle Behandlung durchlaufen hatten, ausgewertet werden.

Die Studie erreichten ihren primären Endpunkt und zeigte eine substanzielle Verbesserung des Gesamtansprechens unter Ruxolitinib: 50 % im Ruxolitinib-Arm gegenüber 26 % im BAT-Arm (p < 0,0001). Ein komplettes Ansprechen ergab sich bei 7 % der Patienten unter Ruxolitinib, gegenüber 3 % unter BAT. Die Studienteilnehmer beider Arme zeigten eine ähnliche Häufigkeit von Nebenwirkungen.

Wie Professor Dr. Robert Zeiser, Uniklinik Freiburg i. Br., ausführte, ist dieses die erste multizentrische randomisiert-kontrollierte Studie bei SR/D cGVHD, die einen positiven Ausgang hat. Er sieht es als wahrscheinlich an, dass Ruxolitinib auf dieser Grundlage für die Zweitlinienbehandlung bei cGVHD zugelassen wird.

Allogene HCT bei älteren MSD-Patienten

Die allogene HCT ist die einzige kurative Therapie beim myelodysplastischen Syndrom (MDS); sie wird bei jüngeren Patienten auch häufig eingesetzt. Älteren MDS-Patienten wird eine frühzeitige Transplantation dagegen seltener angeboten, weil der Vorteil der HCT gegenüber anderen Therapien bei dieser Patientengruppe schlecht definiert ist. Eine US-amerikanische Studie untersuchte nun den Nutzen der allogenen HCT in der Altersgruppe der 50- bis 75-Jährigen.3

Die Studie schloss 384 Patienten mit Hochrisiko-MDS ein. Die Patienten wurden an Transplantationszentren überwiesen, die nach geeigneten Stammzell-Spendern suchten. Für 260 Patienten wurde binnen 90 Tagen ein passender Donor gefunden und in der Folge die HCT eingeleitet; die restlichen 124 Patienten erhielten eine medikamentöse Standardtherapie. Die Studienteilnehmer wurden dann über drei Jahre verfolgt.

Das Gesamtüberleben der transplantierten Patienten war mit 47,9 % nach drei Jahren signifikant höher als das der nicht-transplantierten (26,6 %; p = 0,0001). Auch das leukämiefreie Überleben war unter den HCT-Empfängern höher (35,8 vs. 20,6 %; p = 0,003). Die Lebensqualität unterschied sich dagegen in den beiden Studienarmen nicht.

Professor Dr. Corey Cutler (Dana-Farber Cancer Institute, Boston) schliesst aus der Studie: Alle, auch ältere Patienten, sollten an ein Transplantationszentrum überwiesen werden, sodass diejenigen, für die eine HCT infrage kommt und für die ein geeigneter Spender gefunden wird, eine HCT erhalten können und dadurch länger überleben.

62. Jahreskongress der Amerikanischen Gesellschaft für Hämatologie (ASH), virtuell, 5.–8.12.20

Referenzen:

  1. Dimopoulos MA et al. Blood 2020; 136(Suppl.1):5–6
  2. Zeiser R et al. Blood 2020; 136 (Suppl.1): 22–24.
  3. Nakamura R et al. Blood 2020; 136 (Suppl. 1):19–21