Medical Tribune
6. Dez. 2016Stammzellen aus Nabelschnurblut

Nabelschnurblut-Spende: Nicht schlechter als Stammzellen von Fremdspendern

Im optimalen Fall steht für eine allogene Transplantation ein HLA-identischer Geschwister-Spender zur Verfügung. Das ist leider nur bei etwa 30 % der Patienten der Fall. Die bevorzugte Alternative ist ein an fünf HLA-Genorten auf Allel-Ebene (also für zehn von zehn Allelen) vollständig gematchter, nicht verwandter Spender. Dieser findet sich aber nur für rund die Hälfte der Patienten ohne HLA-identischen Geschwister-Spender. In solchen Fällen greift man notgedrungen oft auf nur in neun von zehn Allelen gematchte, nicht verwandte Spender zurück.

Eine andere Möglichkeit, die seit einigen Jahren immer häufiger genutzt wird, sind Stammzellen aus Nabelschnurblut. Bei ihnen ist ein Mismatch bezüglich der HLA-Antigene weniger bedeutend, sodass passendes Nabelschnurblut für beinahe alle Patienten zu finden ist. Das Potenzial dieser Stammzellquelle ist in den letzten Jahren gestiegen. Gründe sind die immer bessere Verfügbarkeit, die Möglichkeit, auch zwei Einheiten zu geben und die Stammzellen ex vivo zu expandieren.

Retrospektive Daten von knapp 600 Patienten

Die Transplanteure am Fred Hutchinson Cancer Research Center an der University of Washington in Seattle analysierten retrospektiv die Daten von 582 Patienten mit akuten Leukämien oder MDS. Bei diesen hatten sie zwischen 2006 und 2014 eine allogene Transplantation mit Stammzellen nicht verwandter Spender durchgeführt – aus Nabelschnurblut, Knochenmark oder peripherem Blut. Bei den letzteren beiden Quellen war ein Matching für zehn (optimales Matching) oder neun Allele (Mismatch) der HLA-Gene A, B, C, DQB1 und DRB1 erforderlich. Beim Nabelschnurblut waren bei HLA-A und HLA-B Matches für vier, fünf oder sechs Loci auf Proteinebene zulässig, HLA-DRB1 musste auf Allel-Ebene stimmig sein.

Nach vier Jahren zeigten sich die höchsten Überlebensraten in den Gruppen der HLA-gematchten und der Nabelschnurblutempfänger, während das Sterberisiko bei HLA-Mismatch am höchsten war. Dabei unterschieden sich die Mortalitäts- und Rezidivrisiken zwischen Nabelschnurblut und den beiden anderen Quellen in Abhängigkeit vom Vorliegen einer minimalen Resterkrankung (MRD) vor der Transplantation:

  • Bei den Patienten mit MRD war das Mortalitätsrisiko in der Gruppe mit Fremdspender und HLA-Mismatch fast dreimal so hoch wie nach der Nabelschnurblut-Transplantation (Hazard Ratio 2,92; p = 0,001). Auch bei denen mit optimal gematchten Fremdspender-Zellen war es gegenüber dem Nabelschnurblut noch erhöht, wenngleich der Unterschied hier nicht signifikant ausfiel (HR 1,69; p = 0,08).
  • Bei den vor Transplantation MRD-negativen Patienten gab es keine signifikanten Unterschiede (HR bei HLA-Mismatch 1,36; p = 0,30; bei optimalem Matching 0,78; p = 0,33).
  • Ähnliches wurde beim Rezidiv­risiko nach Transplantation beobachtet: Bei MRD-positiven Patienten war es in den zwei Fremdspender-Gruppen etwa dreimal so hoch wie bei Nabelschnurblut-Transplantation, während es für MRD-negative Patienten in den Fremdspender-Gruppen um 30 %, aber nicht signifikant höher war.

Sinnvolle und praktikable Alternative zur Fremdspende

Die Transplantation von fremdem Nabelschnurblut scheint also für Patienten, für die kein HLA-identischer Familienspender verfügbar ist, eine sehr sinnvolle und praktikable Alternative zu Stammzellen von Fremdspendern zu sein. Im Vergleich zu nicht optimal gematchten Fremdspendern verlängert sie bei Patienten mit verbliebener MRD signifikant das Überleben und verringert das Rezidivrisiko. Auch im Vergleich zu optimal gematchten Fremdspendern und bei MRD-negativen Patienten ist sie zumindest nicht unterlegen. Ein Vorteil könnte sein, dass ein Nabelschnurblut-Spender leichter und schneller zu finden ist als ein Fremdspender. Denn der Erfolg der Transplantation kann manchmal auch davon abhängen, wie rasch diese erfolgt.
QuelleMilano F et al. N Engl J Med 2016; 375: 944–953