Medical Tribune
25. Juni 2015Nahrungsergänzungsmittel

Fisch-Öle behindern Platin-Chemo

Um ihre Gesundheit zu stärken, greifen gerade Krebspatienten häufig zu den verschiedensten Nahrungsergänzungsmitteln. Kollegen der Universitätsklinik Utrecht kamen im eigenen Krankengut auf eine Quote von 30 %, etwa jeder zehnte Befragte nutzte Supplemente, die Omega-3-Fettsäuren enthalten – ein erheblicher Teil von ihnen auch während der Chemotherapie und oft, ohne ihren Arzt zu informieren.

Die niederländischen Kollegen entdeckten bei ihren Forschungen zur Tumorresistenz Fettsäuren, die unter Platineinfluss von mesenchymalen Stammzellen sezerniert werden, sog. PIFA*. Im nächsten Schritt prüften sie, ob diese PIFA auch in handelsüblichen Fischöl-Produkten enthalten sind. Tatsächlich detektierten sie eine der Säuren – PIFA 16:4(n-3)** – in allen sechs Testpräparaten.

Stammzellen produzieren schützende Fettsäuren

Die Forscher konnten im Mausmodell zeigen, dass diese Fettsäure selbst in minimaler Dosis die Wirkung einer Chemotherapie aufhebt. Auch mit einem der Fischölprodukte liess sich eine Cisplatin-Resistenz erzielen. Dabei lag die benötigte Dosis von 3 ml (umgerechnet auf den Menschen) deutlich niedriger als die empfohlene Aufnahme von 10 ml, schreibt das Wissenschaftlerteam um die Onkologin Dr. Laura G. M. Daenen von der Universitätsklinik Utrecht.

Offenbar wird 16:4(n-3) auch vom Menschen gut resorbiert, wie eine Untersuchung an 30 gesunden Freiwilligen ergab. Bereits die empfohlene Tagedosis von 10 ml führte zum deutlichen Anstieg der PIFA-Plasmaspiegel, die sich erst nach acht Stunden normalisierten.

Fettsäuren aus Fischöl behindern Chemotherapie

Die nächste bange Frage lautete: Ist auch eine leckere Fischmahlzeit riskant für Krebspatienten? Die niederländischen Kollegen untersuchten vier verschiedene Fischarten und fanden deutliche Unterschiede: Einen besonders hohen Gehalt an PIFA 16:4(n-3) wiesen Makrele und Hering auf. Schon der Genuss von 100 g eines dieser Fische führte bei gesunden Freiwilligen zu einem erheblichen Anstieg der Plasmaspiegel. Die anderen beiden getesteten Fische – Lachs und Thunfisch – hatten dagegen deutlich geringere Wirkung auf die Serum-PIFA-Spiegel.

Streng genommen erlauben die bisherigen Daten nur Analogieschlüsse: Für einen wissenschaftlichen Nachweis müsste man in einer kontrollierten Studie am Menschen zeigen, dass 16:4(n-3) enthaltendes Fischöl eine Chemotherapie inaktiviert. Doch eine solche Studie halten die Kollegen für unethisch. Möglicherweise könnten retrospektive Analysen einen Teil der Lücke schliessen.

Bis weitere Daten vorliegen, raten die Kollegen aus Utrecht ihren Patienten, vom Tag vor Beginn der Chemotherapie bis zum Tag danach keine Fischöl-Supplemente zu sich zu nehmen. Die Dutch Cancer Society hat sich dieser Empfehlung angeschlossen. Ausserdem sollen die Patienten in den 48 Stunden rund um die Chemotherapie auf den Genuss von Hering und Makrele verzichten.

*platinum induced fatty acid
**Hexadeca-4,7,10,13-Tetraensäure

Quelle: Laura G. M. Daenen et al., JAMA Oncol. 2015; online first; doi:10.1001/jamaoncol.2015.0388