KI in der Rheumatologie: «Es könnte alles so einfach sein»
Künstliche Intelligenz ist längst auch in der Rheumatologie angekommen. Welche Chancen und Risiken die Technologie für die Praxis bringt, stellte Prof. Dr. Thomas Hügle, CHUV, Lausanne, am Jahreskongress der Schweizerischen Gesellschaft für Rheumatologie 2025 dar.

Künstliche Intelligenz (KI) scheint eine schnelle Lösung für einige grosse Herausforderungen der modernen Medizin, wie Personalmangel, Zeitdruck etc., zu sein. «Es könnte alles so einfach sein, ist es aber nicht», betonte Prof. Hügle.
KI-Modelle fügen sich nicht nahtlos in den Klinikalltag ein, sondern ein Mehrwert entsteht erst, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind. Zu diesen zählte der Experte den Clinical Need, technische Machbarkeit, Integration in bestehende Workflows sowie realistische Finanzierbarkeit. «Die KI-Modelle sind keine Puzzleteile, die sich einfach so in Ihren klinischen Alltag einpassen», führte der Experte aus.
KI-gestützte Diagnostik findet bereits Anwendung
Bereits in der Anwendung befinden sich v. a. Modelle in der Bildgebung, so z. B. Röntgen-/MRT-Algorithmen zur Arthrose-Gradierung. «Auf Modelle für die Sakroiliitis warten wir leider noch», bedauerte Prof. Hügle. Insbesondere in der Kombination mehrerer Befunde in einem Diagnose-Tool, das z. B. Differenzialdiagnosen liefert, liegt gemäss dem Experten die Zukunft. An einem solchen Multivision-Modell mit dem Projektnamen LAURIX arbeitet das CHUV derzeit. LAURIX ermöglicht eine kombinierte Detektion von Befunden der Kalziumpyrophosphat-Arthropathie (CPPD), der Arthrose und der rheumatoiden Arthritis im triangulären fibrokartilaginären Komplex im Hand-Röntgen.
Über die Radiologie hinaus nannte Prof. Hügle zwei weitere Methoden KI-gestützter Diagnostik:
- KI-gestützte Kapillaroskopie, deren Durchführung ggf. sogar an entsprechend geschultes Praxispersonal delegierbar wäre. Die anschliessende Beurteilung der Ergebnisse läge weiterhin in ärztlicher Hand.
- Ein Ultraschall-Roboter (Produktname: ARTHUR) kann in Zusammenspiel mit dem KI-Algorithmus namens Diana nahezu autonom die Hand des Patienten scannen und eine Synovitis erkennen. Das System arbeitet so selbstständig, dass sogar Self-Check-in-Szenarien für die Patienten denkbar sind. Nachteilig ist u. a., dass viel Platz für den Aufbau nötig ist, ein zweites Ultraschallgerät (an der Apparatur) vorhanden sein muss und die Prozedur recht zeitaufwendig (rund 20 Minuten) ist.
Nutzen in der Fernüberwachung
Auch im Krankheitsmanagement kann KI einen Nutzen entfalten. So lässt sich die Krankheitsaktivität der rheumatoiden Arthritis (DAS28) schon vor dem nächsten Termin mit 92%iger Genauigkeit vorhersagen. Dies hilft bei der gezielten Identifikation von Patienten, die von einem höherfrequenten Monitoring profitieren. Im Rahmen der Fernüberwachung (Remote-Monitoring) wächst die Bedeutung von Wearables (z. B. Tracking von Schlaf und Mobilität) und Smartphone-basierter Bildgebung. Prof. Hügle und sein Team verfolgen einen interessanten Ansatz: Sie lassen ihre Rheuma-Patienten per KI-gestützter App auf dem Smartphone Fotos von ihren Fingerfalten aufnehmen, die dann einen Rückschluss auf die Krankheitsaktivität geben können.
Der zentrale Engpass im Remote-Monitoring liegt vor allem in der Auswertung der Daten. So stellt sich beispielsweise die Frage, wer die Meldungen von Wearables und Gesundheits-Apps prüfen soll und wie die Daten für weitergehende Schritte (Termin in der Praxis etc.) zu interpretieren sind.
In den USA liegen für Remote-Monitoring schon heute starke Anreize durch attraktive Vergütungen vor. «Remote-Care-Anbieter werden auch in die Schweiz kommen», prognostizierte der Experte.
Die Ärzteschaft nutzt generative KI heute häufig als Schreib-/Recherchehilfe u. a. bei der Dokumentation. Doch der eigentliche Nutzen liegt in der Integration der KI in die Arbeitsabläufe rund um digitale Patientendaten, wie dem elektronischen Patientendossier. Denkbar sind laut Prof. Hügle beispielsweise dialogische Abfragen wie «Wann war die letzte Impfung?» oder «Liegt ein aktuelles Röntgen vor?». Also einfache Abfragen, welche die KI präzise und schnell beantworten kann, was eine Entlastung im Praxisalltag verspricht. Insbesondere, wenn solche digitalen Abfragen auch von Seiten der Patienten möglich sind.
Rentabilität ist schwierig zu beurteilen
«Das ist ja alles schön und gut, aber wer bezahlt das?», so die zentrale Frage von Prof. Hügle zum Thema der Finanzierbarkeit. Trotz des wachsenden Nutzens KI-gestützter Tools in der Diagnostik, dem Monitoring und der Dokumentation sei es oftmals schwierig, die Rentabilität solcher Lösungen zu beurteilen. Laut dem Experten sind es derzeit vor allem private Institute, welche die meist kostspieligen Systeme in ihre etablierten Abläufe integrieren. KI verspricht einen Mehrwert an Qualität, den man sich allerdings leisten können und wollen muss, der mit wachsender Verbreitung jedoch in vielleicht nicht allzu ferner Zukunft bereits den Standard darstellt.
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