Hyaluronsäure – Wasserspeicher mit zahlreichen Talenten
Hyaluronsäure ist ein zentraler Bestandteil der extrazellulären Matrix und spielt eine Schlüsselrolle für Gewebestruktur, Wundheilung und Hydratation. Ihre vielfältigen Einsatzbereiche reichen von Orthopädie über Dermatologie bis hin zur ästhetischen Medizin.

Hyaluronsäure (HA) zählt zu den Glykosaminoglykanen (1) und ist – ähnlich wie Kollagen – ein essenzieller Bestandteil der extrazellulären Matrix (2). Chemisch handelt es sich um ein lineares Polysaccharid, das aus sich wiederholenden Einheiten von D-Glucuronsäure und N-Acetyl-D-glucosamin besteht (3). Aus diesen Grundbausteinen entstehen Polymere mit einer Molekülmasse von bis zu 2000 kDa. Die Substanz liegt physiologisch als klare, viskose Flüssigkeit vor und besitzt ein aussergewöhnlich hohes Wasserbindungsvermögen: Ein Gramm kann bis zu sechs Liter Wasser aufnehmen (4). Diese Eigenschaft erklärt ihre zentrale Rolle für die Festigkeit, Elastizität und Hydratation von Geweben (5).
Besonders auffällig ist die Bedeutung der Hyaluronsäure im Wundheilungsprozess. Nach einer Verletzung steigert der Körper die HA-Synthese, wodurch Regeneration und Gewebereparatur gezielt gesteuert werden. Die Matrix wirkt chemotaktisch auf Fibroblasten, fördert die Bildung der extrazellulären Matrix und unterstützt damit die Reepithelisierung.
Interessant ist zudem, dass eine HA-reiche Umgebung die Kollageneinlagerung bremst und so einer überschiessenden Narbenbildung vorbeugen kann (6). Darüber hinaus beeinflusst Hyaluronsäure die Angiogenese – ein Mechanismus, der bei der Tumorbiologie diskutiert wird.
Vorkommen und Gewinnung
Etwa die Hälfte der körpereigenen Hyaluronsäure befindet sich in der Haut, vor allem in der Dermis. Weitere wichtige Speicherorte sind Gelenke, Bandscheiben, Bindegewebe, Knochen und der Glaskörper des Auges (2).
Industriell wird HA heute fast ausschliesslich biotechnologisch gewonnen, meist mithilfe nicht humanpathogener Streptococcus-Stämme – die frühere Gewinnung aus Hahnenkämmen hat damit weitgehend ausgedient (2).
Klinische und praktische Anwendung
Die Einsatzgebiete von Hyaluronsäure sind breit. In der Orthopädie wird sie intraartikulär als «Gelenkschmiere» bei degenerativen Veränderungen genutzt, insbesondere im Rahmen der Viskosupplementation des Kniegelenks. In der Dermatologie und Wundversorgung kommen HA-haltige Präparate zur Therapie von Ulzera, Dekubitalgeschwüren und Verbrennungen zum Einsatz.
Auch in der Ophthalmologie ist sie etabliert – etwa zur Verdickung von Tränenersatzmitteln oder als Bestandteil von Nasensprays zur Befeuchtung trockener Schleimhäute.
Für den Hals-Nasen-Ohren-Bereich existieren Lutschtabletten, die durch ein Hyaluronsäure-haltiges Hydrogel die Schleimhaut befeuchten und Halsschmerzen lindern. Ebenso findet man HA in Vaginalgelen und -zäpfchen gegen Scheidentrockenheit sowie in Produkten zur oralen Wundheilung, etwa nach zahnärztlichen Eingriffen.
In der ästhetischen Medizin spielt Hyaluronsäure eine herausragende Rolle – als Filler zur Volumenaugmentation, Faltenkorrektur oder Narbenbehandlung. In der topischen Kosmetik wird sie wegen ihrer feuchtigkeitsbindenden Eigenschaften breit eingesetzt; allerdings können nur niedermolekulare Formen unter 50 kDa in die Haut eindringen.
Praxistipps
Mit zunehmendem Alter nimmt der Hyaluronsäuregehalt in der Haut und im Bindegewebe ab. Das zeigt sich in trockener, dünner werdender Haut, einer verminderten Elastizität, trockenen Augen und Gelenkbeschwerden. Studien weisen darauf hin, dass HA die Hautfeuchtigkeit messbar verbessert. Gewürze wie Kurkuma, Safran, Petersilie und Koriander sowie bestimmte tierische Lebensmittel scheinen die körpereigene HA-Produktion zu unterstützen.
Nahrungsergänzungsmittel sollten – je nach Präparat – meist zwischen den Mahlzeiten eingenommen werden.
Nach intraartikulären Injektionen können lokale Reaktionen wie Schmerzen, Rötung oder Schwellung auftreten, systemische Interaktionen sind nach aktuellem Wissensstand jedoch nicht zu erwarten.
Regulatorischer Hinweis
Für Hyaluronsäure existiert derzeit kein von der EU zugelassener Health Claim (7).
- Wedrich, Schmut, Rabensteiner, Trockenes Auge „Alles zum Sicca-Syndrom“, 2. Auflage 2014, Verlagshaus der Ärzte
- Teuscher E. Lindequist U., Biogene Arzneimittel, 8. Auflage 2020
- PharmaWiki. Hyaluronsäure.
- Hunnius, Pharmazeutisches Wörterbuch, 8. Auflage, de Gruyter, 1998
- Gesellschaft für Dermopharmazie (GD). Leitlinie „Dermokosmetika gegen Hautalterung“. 13. März 2017.
- Hoppe U. Wund(er)mittel Hyaluronsäure. Die Schwester / Der Pfleger. 45. Jahrg. 5/2006.
- Verordnung (EU) Nr. 432/2012 der Kommission vom 16. Mai 2012