Medical Tribune
31. Okt. 2025Östrogendeprivation im Griff behalten

Endokrine Therapien: Nebenwirkungen des Östrogenentzugs gezielt managen

Endokrine Therapien sind ein Grundpfeiler der gynäkologischen Onkologie. Sie verlängern Überleben und senken Rückfallraten, doch Nebenwirkungen gefährden die Therapietreue und mindern die Lebensqualität. Ein strukturiertes Management ist daher unerlässlich, um die Wirksamkeit der Behandlung und das Wohl der Patientinnen zu sichern.

Nahaufnahme der Hände einer Frau, die ihren Schritt berühren
charnsitr/stock.adobe.com

Endokrine Therapien spielen eine zentrale Rolle in der Brustkrebsbehandlung, erklärte Dr. Anna Surbone,­ Leitende Ärztin der Fertilitätsmedizin und Gynäkologischen Endokrinologie am CHUV Lausanne. Sie basieren auf Tamoxifen, Aromatasehemmern (steroidal und nichtsteroidal) sowie auf der Suppression der Ovarialfunktion mit GnRH-Agonisten bei prämenopausalen Patientinnen.

Im Gegensatz zur Chemotherapie erstreckt sich die Behandlung oft über viele Jahre, manchmal bis zu einem Jahrzehnt. Nebenwirkungen wiegen daher schwer, da sie die Lebensqualität und die Therapieadhärenz stark beeinflussen. Studien zeigen, dass bis zu 16 % der Patientinnen Tamoxifen bereits im ersten Jahr wegen Nebenwirkungen absetzen (1).

Häufig Therapieabruch bei vasomotorischen Symptomen

Hitzewallungen und Schweissausbrüche sind die häufigsten Nebenwirkungen und der Hauptgrund für Therapieabbrüche. Sie entstehen durch eine Fehlregulation des hypothalamischen Thermoregulationszentrums. Eine Kombination aus Östrogen und Progesteron ist kontraindiziert, da diese die Symptome noch verstärken könnte. Stattdessen kommen Serotonin- und Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI, SNRI, z. B. Venlafaxin) zum Einsatz. Sie sind wirksam, müssen niedrig dosiert gestartet werden und entfalten ihre Wirkung erst nach Wochen.

Vorsicht ist geboten bei SSRI, die den Tamoxifen-Stoffwechsel beeinträchtigen. Antikonvulsiva und Antihypertensiva sind ebenfalls effektiv und reduzieren vasomotorische Symptome um 40–60 %, verursachen jedoch häufiger Nebenwirkungen (2). «Patientinnen sollten ermutigt werden, die Therapie dennoch fortzusetzen», so die Botschaft der Expertin. Neue Sub­stanzen wie Neurokinin-Inhibitoren (Fezolinetant, Elinzanetant) zeigen vielversprechende Ergebnisse (3). Sie lindern vasomotorische Symptome, verbessern den Schlaf und steigern die Lebensqualität, sind aber onkologisch noch nicht umfassend geprüft.

Nichtmedikamentöse Ansätze wie Akupunktur, Yoga, Hypnose und kognitive Verhaltenstherapie können ebenfalls helfen. Sie wirken oft auch positiv auf Schlaf, Angst, Depression und Fatigue. Phytoöstrogene gelten hingegen als unsicher.

Wenn Muskeln und Gelenke schmerzen

Unter Aromatasehemmern treten bei ca. 45 % der Patientinnen Gelenk- und Muskelschmerzen auf – ein häufiger Grund für Therapieabbrüche (bis zu 40 %). In diesem Fall ist ein Wechsel auf andere Aromatasehemmer, der Einsatz von Duloxetin, Bewegung (v. a. Schwimmen, Yoga, Spaziergänge) oder Akupunktur ratsam. Die Studienlage ist jedoch oft widersprüchlich.
Gewichtszunahme, metabolisches Syndrom, Diabetes und Dyslipidämie sind häufig und klinisch relevant. Fettgewebe erhöht zudem das Rückfallrisiko durch vermehrte Östrogenproduktion.

Mediterrane Ernährung und aerobes Training können Insulinresistenz, Inflammation und Dyslipidämie reduzieren. Ein neuer Ansatz sind GLP-1-Agonisten, die aber onkologisch noch unzureichend untersucht sind.

Knochendichte vor Beginn der Therapie messen

Tamoxifen begünstigt vaginale Atrophie, Trockenheit, Dyspareunie und Dysurie. Bis 25 % der Patientinnen brechen deshalb die Therapie ab. Lokale Östrogene wirken effektiv und sind laut aktuellen Daten mit bis zu zehn Jahren Nachbeobachtung nicht mit einer erhöhten Rezidivrate verbunden. Patientinnen sollten diesen Ansatz aber mit ihrem Onkologen besprechen. Alternativen sind Lubrikanzien, Hyaluronsäure, Vitamin D, Lasertherapie, Lidocain oder Verhaltenstherapie.

Östrogenentzug beschleunigt den Knochenabbau und erhöht das Frakturrisiko. Zu Beginn einer Behandlung sollten eine Knochendichtemessung und FRAX-Risikokalkulation erfolgen. Rauchen und Alkoholkonsum sind zu vermeiden. Vitamin-D- und Kalzium-Supplemente sowie körperliche Aktivität wirken präventiv. Hochrisiko-Patientinnen profitieren von Bisphosphonaten oder Denosumab.

Weitere Nebenwirkungen endokriner Therapien sind selten Alopezie und Augentoxizität (trockenes Auge) sowie häufig Fatigue und Insomnie.

Nebenwirkungen endokriner Therapien sind vielfältig und gefährden die Therapieadhärenz. Eine individualisierte, patientenzentrierte Betreuung ist entscheidend, so Dr. Surbone. Bereits kleine Massnahmen wie aufmerksames Zuhören und die gemeinsame Entscheidungsfindung können die Compliance deutlich verbessern und so die Prognose sichern.