Medical Tribune
12. Okt. 2025Auf der Gürtellinie

Bei Schmerzen in Schulter und Becken an Polymyalgia rheumatica denken

Die Polymyalgia rheumatica ist die zweithäufigste entzündlich-rheumatische Erkrankung bei älteren Menschen. Dennoch bleibt die Therapie oft uneinheitlich. Eine Expertengruppe hat nun die Leitlinie aktualisiert (1).

Frau mit Schmerzen im Schultergürtel
jaojormami/stock.adobe.com

Ein erstes Indiz für die Polymyalgia rheumatica (PMR) liefert das Alter: Sie betrifft fast ausschliesslich Menschen über 50, Frauen etwa dreimal häufiger als Männer.

Zudem besteht ein enger Zusammenhang mit der Riesenzellarteriitis (RZA): Rund 20 % der PMR-Patienten leiden auch an RZA, während etwa die Hälfte der RZA-Betroffenen Symptome der Polymyalgie zeigt.

Typisch für die Polymyalgia rheumatica sind neu auftretende, entzündliche Schmerzen im Schulter- und Beckengürtel sowie eine ausgeprägte Morgensteifigkeit. Viele Betroffene klagen zudem über Allgemeinsymptome wie Fieber, Abgeschlagenheit, Nachtschweiss, Appetitlosigkeit und Gewichtsverlust. Die Entzündungswerte im Blut sind fast immer erhöht; eine normale Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG) und ein negatives C-reaktives Protein (CRP) finden sich in weniger als 3 % der Fälle, so die Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh) und weiterer Fachgesellschaften, darunter die Schweizerische Gesellschaft für Rheumatologie.

Die Bildgebung liefert wichtige Hinweise: (Teno-)Synovialitiden, Bursitiden und Entzündungen an extrasynovialen Strukturen sprechen für die Polymyalgie. Ähnliche Symptome können jedoch auch bei rheumatoider Arthritis im höheren Lebensalter oder bei einer Kalziumpyrophosphat-Arthropathie auftreten. Daher empfiehlt die Leitlinie, bei passendem klinischem Bild andere Erkrankungen mit ähnlichen Beschwerden auszuschliesen.

Diagnose und Therapie: Glukokortikoide früh einsetzen

Patienten mit Verdacht auf PMR sollten rasch einen Rheumatologen aufsuchen, um die Diagnose zu sichern, das individuelle Risiko zu bewerten und die Therapie festzulegen. Die Hausärztin oder der Hausarzt übernimmt anschliessend die Fortführung der Steroidtherapie. Ziel ist eine möglichst dauerhafte Remission. Bis dahin sollte der Verlauf alle ein bis vier Wochen kontrolliert werden. Bei stabilem Zustand reichen Termine alle drei bis sechs Monate. Nach dem Absetzen der Medikamente erfolgt die Nachsorge individuell.

Unmittelbar nach der Diagnose sollte die Glukokortikoidtherapie beginnen – idealerweise mit einer morgendlichen Einzeldosis von 15 bis 25 mg Prednisolonäquivalent. Anfangsdosen unter 7,5 mg oder über 30 mg pro Tag sind zu vermeiden. Im weiteren Verlauf wird die Dosis schrittweise reduziert, abhängig von Krankheitsaktivität, Laborwerten und Nebenwirkungen. Die Steroidtherapie sollte maximal ein Jahr dauern. Bei einer begleitenden Biologikatherapie sind 16 Wochen das Ziel, mit zusätzlichem Methotrexat sechs bis acht Monate. Diese Empfehlungen basieren auf Expertenmeinungen, da Studien zur optimalen Dauer der Kortikoidgabe fehlen.

Patienten mit wiederkehrenden Beschwerden sollten zusätzlich zu Glukokortikoiden einen Interleukin-6-Rezeptorblocker wie Tocilizumab oder Sarilumab erhalten. Auch bei neu diagnostizierter PMR oder hohem Risiko für Steroidnebenwirkungen kann dieser Schritt sinnvoll sein. Studien belegen sowohl die Wirksamkeit als auch den steroidsparenden Effekt. Alternativ kommen Methotrexat oder Rituximab infrage. Während Methotrexat in der ursprünglichen Leitlinie noch als Mittel der ersten Wahl galt, wird es im Update nur noch als Alternative empfohlen, wenn eine IL-6-Blockade nicht möglich ist. Rituximab zeigte in Studien eine stärkere Reduktion des Krankheitsaktivitäts-Scores bei geringerer Steroiddosis, ist jedoch – wie Methotrexat – für die PMR-Therapie nicht zugelassen. Erste Daten zu Januskinase-Inhibitoren wie Tofacitinib deuten darauf hin, dass sie eine Remission ähnlich schnell wie Glukokortikoide erreichen können.

Muskelmasse erhalten, Stürze vermeiden

Insbesondere bei älteren oder gebrechlichen Menschen sollte zusätzlich zur medikamentösen Therapie ein individualisiertes Übungsprogramm angeboten werden. Dessen Wirkung bei der PMR ist zwar noch nicht in Studien belegt. Aber die Erhaltung von Muskelmasse und -funktion sowie die Reduktion des Sturzrisikos nennt das Expertenteam gerade für Personen unter Steroidtherapie als wichtiges und erstrebenswertes Ziel.